150. Prozesstag: 6.11.2003
RZ eine 'Schläfer'- Vereinigung?
Mit einer Lehrstunde zur Geschichte der Revolutionären Zellen aus
Sicht des Verfassungsschutzes entledigte sich heute das Kammergericht
seiner Sachaufklärungspflicht. Schließlich ist in den §§ 129 u.
129a eine Strafaufhebung vorgesehen, wenn die inkriminierte Terroristische
Vereinigung sich bereits aufgelöst hatte.
Von einem diesbezüglichen Beschluss des OLG Naumburg und entsprechenden
Anträgen der Verteidigung offensichtlich aufgeschreckt, wurde aus
Berichten des Bundes- bzw. des Landesamtes (Berlin) für Verfassungsschutz
der Jahre 1992 bis 1998 zitiert. Die Berliner VerfassungsschützerInnen
ordneten im Juni 1991 einen letzten Anschlag den RZ zu. Danach folgten
ausschließlich Mutmaßungen über die weitere Existenz dieser Gruppierung.
Der TäterInnenkreis wäre ohnehin schwierig einzugrenzen bei diesem
'Feierabendterrorismus', jammerten die ErmittlerInnen. Offenbar
zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze wurde gebetsmühlenartig bis 1996
über ein weiterhin bestehendes theoretisches Gefährdungspotenzial
fabuliert.
Das Bundesamt will ebenfalls eine grundlegende Konzeptdiskussion
seit 1992 bei den RZ verfolgt und Kenntnis von einem Auflösungsbeschluß
haben. Aber erst 1994, mit einem Anschlag auf einen Fahrkartenschalter
in Frankfurt/M., wurden den RZ bzw. sogenannter 'Nachahmer- oder
Resonanzgruppen' die letzte Aktivität zugeordnet.
Abschließend reagiert RA Kaleck auf eine Stellungnahme der Bundesanwälte
(BAW) vom vorangehenden Verhandlungstag. Das bereits oben erwähnte
Urteil mag der BAW in ihrem unbedingten Verurteilungswillen hinderlich
sein, doch das dürfe kein Grund sein, diese erste richterliche Entscheidung
zur Strafaufhebung und die Schlußfolgerungen für dieses Verfahren
schlichtweg zu ignorieren.
Nächste Verhandlung: Do., 13. November 2003 um 9:15 Uhr.
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