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156. Prozesstag: 4.12.2003
Für die einen Prozessverschleppung, für die anderen ein kapitaler
Verfahrensverstoß
Laut Bundesanwaltschaft (BAW) und dem Senat fußten der Haftbefehl
gegen den Angeklagten Axel H. und der Durchsuchungsbeschluss für
den Mehringhof im Dezember 1999 auf nicht beweisbare Behauptungen
bzw. eine missverständliche Beweislage (vgl. 154. Prozesstag). Jedenfalls
soll es keine Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli aus dieser Zeit
geben, in der er davon gesprochen habe, dass im Mehringhof der Sitz
eines ominösen "Koordinierungsausschusses" war, der Gelder an aktive
und untergetauchte RZ-Militante verteilt habe, und dem Axel H. angehört
haben soll.
Für die BAW und das Gericht ist dieser Umstand nicht weiter von
Bedeutung. Anders sieht dies die Verteidigung, die mit entsprechenden
Beweisanträgen Aufklärung verlangt. Ein Beweisantrag
auf Ladung des BKA-Beamten Weidebach und Verlesung einer Seite von
www.freilassung.de der Verteidigung von Harald G. vom letzten Verhandlungstag
wurde heute jedoch nach einer entsprechenden Stellungnahme der BAW
abgelehnt. Der Antrag sei unbegründet, so Bundesanwalt Bruns, zudem
zeigten die Umstände der Antragsstellung, dass es der Verteidigung
nur um Prozessverschleppung ginge. Der Senat bezog sich in seinem
ablehnenden Beschluss ausdrücklich auf die BAW-Stellungnahme, "die
er sich der Sache nach zu eigen macht", wie das Gericht bekundete.
Die Verteidigung von Axel H. beantragte daraufhin die Ladung von
Bundesanwalt Griesbaum, der den Haftbefehl gegen ihren Mandanten
damals beim Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) angefordert
hatte. Sollte sich dabei herausstellen, dass der Haftbefehl auf
Grund willkürlicher Mutmaßungen beantragt worden sei, wäre damit
ein schwerwiegender Verfahrensverstoß gegeben, der einem rechtstaatlichen
fairen Verfahren widerspreche. Laut Rechtssprechung habe ein solcher
Verstoß Einfluss auf die Strafzumessung.
Nach einer der zahlreichen Unterbrechungen, die die heutige Hauptverhandlung
erneut prägten, erklärte die BAW, der Antrag sei zurückzuweisen.
Er sei unbegründet und die in Beweis gestellten Tatsachen seien
aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung, so Bundesanwalt Bruns.
Ausdrücklich wies die BAW daraufhin, dass selbst wenn ein Verfahrensverstoß
vorliegen würde, dies keine Relevanz habe, da die Behauptung, Axel
H. sei Mitglied im "Koordinierungsausschuss" gewesen, weder Eingang
in die Anklage gefunden habe, noch Gegenstand der Hauptverhandlung
gewesen sei.
Dass der Haftbefehl gegen Axel H. durch unrichtige Angaben der
BAW erschlichen wurde und ein solches rechtstaatswidrige Verhalten
der Ermittlungsbehörden rechtlich relevant sei, ist für die Verteidigung
von Sabine E. zwar offensichtlich – für Bundesanwalt Bruns ist diese
Aussage allerdings eine "Unverschämtheit". Wie dieses das Gericht
sieht, erfährt man morgen, wenn der Prozess wie gewohnt um 9.15
Uhr fortgesetzt wird. Ein ausführlicher Bericht entfällt.
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