Kammergericht
1. Strafsenat
Elßholzstraße 30-33
10781 Berlin
Berlin, den 29.11.2001
AZ: 672/01-1
In der Strafsache
gegen
Axel Haug
- (1) 2 StE 11/00 (4/00) -
beantrage ich,
die beim Bundeskriminalamt verwahrten Videokassetten,
auf denen die Durchsuchung des Mehringhofes am 30.05.2000 dokumentiert
ist, beizuziehen, hilfsweise zu beschlagnahmen und der Verteidigung
insoweit Akteneinsicht zu gewähren.
Begründung:
In der Hauptverhandlung vom 29.11.2001 wurde der Zeuge Hübel
zu der Durchsuchung des Mehringhofes am 30.05.2000 vernommen. Der
Zeuge war seinerzeit als Durchsuchungsleiter des BKA eingesetzt.
Im Rahmen seiner Vernehmung gab der Zeuge zum Einsatz der Videotechnik
an, daß vor Ort ein Kameramann eingesetzt wurde, der die für
das Anlegen eines Depots in Frage kommenden Gebäudeteile filmte.
Diese Bilder wurden zu dem Zeugen Mousli übertragen, der sich
zu dieser Zeit im Bundeskriminalamt befand. Gleichzeitig bestand
ein telefonischer Kontakt zwischen dem Zeugen Mousli und der Polizeibeamtin
Frau Pankok, die sich während der gesamten Zeit bei dem Kameramann
befand und Mouslis Angaben zu den ihm übertragenen Bildern
entgegennahm.
Der Zeuge Wolff gab auf Befragen an, daß die Videoübertragung
bei der Durchsuchung des Mehringhofes aufgezeichnet wurde und daß
sich eine Kassette mit diesen Aufzeichnungen auf seiner Dienststelle
beim Bundeskriminalamt befindet. Ob das Videoband auch eine Tonspur
hat, auf dem die Angaben des Zeugen Mousli und Fragen oder Vorhalte
von Frau Pankok oder anderen Beamten des Durchsuchungsteams mitgeschnitten
wurden, konnte der Zeuge nicht beantworten.
Die Beiziehung der Videoaufzeichnungen ist aus Sicht der Verteidigung
aufgrund folgender Umstände geboten:
a)
Die Videoübertragung der Durchsuchung an den Zeugen Mousli,
um ihm die Möglichkeit zu geben, den Durchsuchungsbeamten genauere
Weisungen zu geben, hat den Charakter einer Vernehmung des Zeugen
mit Hilfe technischer Mittel. Die ihm vorgespielten Videobilder
sind nicht anderes, als Vorhalte, zu denen der Zeuge bzw. damalige
Beschuldigte sich geäußert hat. Die Beiziehung der Dokumentation
dieser Vernehmung ist erforderlich, einerseits um diesbezügliche
Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung auf ihren Wahrheitsgehalt
überprüfen zu können und andererseits um sich ein
Bild davon zu verschaffen, wie sicher sich der Zeuge Mousli bei
seinen Angaben über mögliche Orte für ein Depot war.
b)
Die Beiziehung der Videoaufzeichnung ist weiter erforderlich, damit
sich die Verfahrensbeteiligten ein Bild von den Örtlichkeiten,
also dem vom Mousli behaupteten Tatort machen können. Die Inaugenscheinnahme
der Videoaufzeichnung wird eine u.U. erforderlich werdende Inaugenscheinnahme
der Tatörtlichkeit vermutlich ersetzen können.
Sofern auf der Videoaufzeichnung auch dokumentiert ist, an welchen
Stellen genau die Kriminaltechniker bei der Durchsuchung Wischproben
entnahmen, ist die Beiziehung auch deshalb von Bedeutung, weil dann
dem Sachverständigen für die Auswertung der Wischproben
entsprechend genaue Hinweise gegeben werden können. Die Frage,
an welcher Stelle Wischprobe entnommen wurden, ist u.U. relevant
für die Beurteilung der Aussagekraft der gutachterlichen Feststellungen.
c)
Für die Beiziehung der Videoaufzeichnung spricht ganz unabhängig
von ihrem möglichen Beweiswert oder Aufklärungsgehalt,
daß es sich um einen Aktenbestandteil bzw. ein Beweismittel
handelt, das von der Bundesanwaltschaft gem. § 199 Abs.2 Satz
2 StPO mit der Anklage hätte vorgelegt werden müssen.
Wird - wie bereits zuvor in diesem Verfahren - im Lauf der Hauptverhandlung
bekannt, daß die BAW ihrer Verpflichtung zur Vorlage des vollständigen
Akten- und Beweismaterials nicht nachkommt, muß der Senat,
um die Waffengleichheit im Verfahren wiederherzustellen, die Akten
spätestens auf Antrag der Verteidigung beiziehen. Ausführlich
begründete Beweisermittlungsanträge oder Beweisanträge
können dafür nicht verlangt werden. Andernfalls wird die
Verteidigung genötigt, Mutmaßungen oder gar Behauptungen
ins Blaue hinein über den Inhalt des prozeßordnungswidrig
vorenthaltenen Akten- oder Beweismaterials aufzustellen, daß
die Bundesanwaltschaft selbständig hätte vorlegen müssen,
ohne daß es hierfür einer begründeten Anforderung
durch die Verteidigung bedurft hätte.
Daran, daß die Videoaufzeichnung orginäres Ermittlungsergebnis
aus dem Verfahren gegen Tarek Mousli bzw. die hier Beschuldigten
ist, dürfte kein Zweifel bestehen. Der Zeuge Wolff hat die
Zurückhaltung der Videoaufzeichnung auf Befragen damit zu erklären
versucht, daß man damals im BKA davon ausgegangen sei, die
Videoaufzeichnung gehöre zum Zeugenschutz. Hierfür spricht
nun rein gar nichts. Dementsprechend mußte der Zeuge Wolff
auf Befragen auch einräumen, daß sich aus dem Video oder
der möglicherweise vorhandenen Tonaufzeichnung keine Hinweise
auf den Aufenthaltsort von Tarek Mousli ergeben. Die Zeugenschutzrelevanz
konnte der Zeuge Wolff auch nicht in anderer Weise begründen,
so daß der Eindruck entstand, daß es sich insoweit lediglich
um einen Vorwand handelt, um das Band nicht zur Akte gelangen zu
lassen, wo es hingehört hätte.
Graf von Schlieffen
Rechtsanwalt
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