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Verteidigung

 

Edith Lunnebach Wolfgang Kaleck

 

Kammergericht

Elßholzstraße 30/33

10781 Berlin

 

Berlin, den 27.03.2003

 

In der Strafsache

gegen Borgmann (1) 2 StE 11/00 (4/00)

wird beantragt,

das Verfahren auszusetzen.

Begründung:

Zur Begründung beziehen wir uns auf die Aussetzungsanträge der Verteidigung Glöde, die diese im Hinblick auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin VG 34 A 41/03 gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Inneren, wegen der Sperrerklärung hinsichtlich der geschwärzten Mousli- Protokollabschriften gestellt haben. Zwar hat bisher nur der Angeklagte Glöde vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 17. März 2003 zur fehlerhaften Sperrerklärung des Bundesinnenministeriums haben jedoch Wirkung für das gesamte hiesige Strafverfahren. Wie das Verwaltungsgericht zurecht ausführt, geht es nicht nur um das Individualinteresse des Herrn Glöde, vielmehr um "das Prinzip geordneter Strafrechtspflege insgesamt, dass grundsätzlich verlangt, die Strafermittlungsbehörden alle Beweismittel zur Verfügung zu stellen". Im jetzigen Verfahrensstadium gebietet daher die Sachaufklärungspflicht dem Gericht, die von der Verteidigung dahingehend angestrengten verwaltungsrechtlichen Schritte abzuwarten und das Verfahren auszusetzen.

Die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht absehbar. Allein das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin wird mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern. Anschließend sind gegebenenfalls die Berufungsinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht und gegebenenfalls eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht abzuwarten.

Dazu kommt, dass noch weitere Akten im hiesigen Verfahren nachgeliefert werden (müssen). Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte mit dem Anschreiben an das Gericht vom 14.02.2003 bereits von sich aus mit, dass es auf der einen Seite Aktenstücke der "1998 angelegten Akte des BfV" zunächst als Verschlusssache entnommen habe. Allerdings werde deren mögliche Offenlegung durch das Bundesamt zur Zeit geprüft. Im Übrigen seien die Länderbehörden für Verfassungsschutz in die Prüfung einzubeziehen. Dies werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn man sich dann vergegenwärtigt, dass die Herausgabe der Aktenbände durch das Bundesamt auf einen Antrag Verteidigung Borgmann vom Frühsommer 2001 zurückgeht, dessen Bearbeitung durch das Bundesamt das Kammergericht mit Schreiben vom 26.11.2002 und dann mehrfach telefonisch und schriftlich angemahnt hat, muß man angesichts dieses Arbeitstempos damit rechnen, dass "einige Zeit" tatsächlich einige Zeit bedeutet. Denn das Bundesamt hat allein drei Monaten von November bis Februar benötigt, die drei vorgelegten Aktenordner zu bearbeiten und zu übersenden. Dabei ist die Bearbeitung der Aktenordner und insbesondere die Schwärzung in einer Weise vorgenommen worden, die jeglicher Logik und Rationalität entbehrt. Insbesondere ist festzuhalten, dass das Bundesamt zahlreiche Schwärzungen von Aktenbestandteilen vorgenommen hat, die Bestandteil der hiesigen Ermittlungsakten sind. Dies hätte dem Bundesamt auch bekannt sein müssen. Dieses langwierige und unsachgemäße Vorgehen des Bundesamtes wird es jedenfalls erforderlich machen, alle künftigen Mitteilungen und Entscheidungen des Bundesamtes kritisch zu würdigen und gegen ablehnende Entscheidungen weiter vorzugehen.

Schließlich geht es auch um die noch ausstehenden Aktenbestandteile aus dem Verfahren der Bundesanwaltschaft 2 BJs 169/99 – 02. Diesbezüglich wird auf den Aktenbeiziehungs- und Aussetzungsantrag der Unterzeichnenden vom 16.05.2002 Bezug genommen. Bereits seinerzeit war beantragt worden, das Verfahren auszusetzen und "die beim Bundeskriminalamt oder bei der Bundesanwaltschaft befindlichen Spuren–, Hinweis- und Strukturakten, eventuelle weitere Observationsberichte und weitere Vorgänge zu Telefonüberwachungsmaßnahmen bei zu ziehen". Der Antrag war vom Gericht unter anderem mit der Begründung abgelehnt worden, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht die Herbeiziehung weiterer Aktenbestandsteile nicht gebiete. Tragender Grund war seinerzeit für das Gericht, dass es "für die Behauptung der Verteidigung, die Ermittlungsbehörden hielten Ermittlungen zu anderen Tatverdächtigen zurück, damit die Aussagen des Zeugen Mousli nicht in Zweifel gezogen werden sollen", "keinen Anhaltspunkt" gebe. Spätestens nach der Vorlage des Vermerkes des Bundeskriminalamtes vom 10.04.2001 während der laufenden Hauptverhandlung im März 2003, der entlastende Ermittlungen zur angeblichen konspirativen Wohnung in der Oranienstraße, angemietet durch Wolfgang Behling, enthielt, muß das Gericht seine damalige Auffassung ändern und alle oben angesprochenen Akten beiziehen.

Die Verteidigung wird nach Eingang der zu erwartenden Unterlagen den gesamten Akteninhalt im Lichte der neu gewonnenen Erkenntnisse zu analysieren und die Verteidigung darauf einzurichten haben. Sie wird insbesondere überprüfen müssen, ob und gegebenenfalls welche Zeugen im Lichte der neu vorliegenden Tatsachen erneut zu befragen sind. Diese Arbeit ist neben der laufenden Hauptverhandlung nicht zu leisten. Die beantragte Aussetzung würde im übrigen alle Verfahrensbeteiligten von dem unzumutbaren und unökonomischen Druck befreien, den Eingang der bezeichneten Unterlagen vom Bundesverfassungsschutz, nämlich der ungeschwärzten Gesprächsprotokolle mit Mousli und der weiteren Aktenbestandsteile der Akte Mousli sowie der eventuellen Unterlagen der Landesverfassungsschutzämter und der noch beim Bundeskriminalamt befindlichen Aktenbestandteile unbestimmte Zeit abzuwarten.

 

Lunnebach Kaleck

Rechtsanwältin Rechtsanwalt

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