www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  

Übersicht

Aktuelle Meldung
Meldungen
Berichte
Vorschau
Hintergrund

 

Mailingliste
Mail
Suche

 

Übersicht:
Erklärungen
Verteidigung

 

Presseerklärung der Verteidigung in den RZ- (Revolutionäre Zellen) Verfahren vom 17. August 2000:

Bundesgerichtshof ordnet Haftfortdauer bei 4 Beschuldigten an

Die drei Beschuldigten in den RZ- (Revolutionäre Zellen) Verfahren Harald G., Axel H. und Sabine S. befinden sich seit dem 19.12.1999 in Untersuchungshaft. Sie sind auf verschiedene Haftanstalten im Bundesgebiet (Frankfurt, Wuppertal, Düsseldorf) verteilt. Der Beschuldigte Matthias B. wurde am 17.03.2000 festgenommen und befindet sich seitdem in der JVA Moabit in Untersuchungshaft. Aufgrund der über sechs Monate andauernden Untersuchungshaft hatte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof in Karlsruhe über die Fortdauer der seit dem 19.12.1999 einsitzenden Untersuchungshäftlinge und weiterhin über die Haftbeschwerde des Beschuldigten Matthias B. zu befinden. Mit Beschlüssen vom 04.08.2000 ordnete der Bundesgerichtshof In allen Fällen die Haftfortdauer an, die Haftbeschwerde von Matthias B. wurde ebenfalls verworfen. Die Beschlussgründe wurden der Verteidigung am 16.08.2000 bekannt gegeben.

Aufgrund der Aussagen des Mitbeschuldigten Tarek Mousli, der vor dem Auslaufen der Kronzeugenregelung am 31.12.1999 umfangreiche Aussagen gegen die Mitbeschuldigten getätigt hat, laufen seit letztem Jahr gegen die aufgeführten Personen Strafverfahren wegen des Vorwurfes der mitgliedschaftlichen Betätigung in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a StGB sowie Verfahren wegen diverser Sprengstoffdelikte. Die Anklageerhebung ist für den Herbst 2000 vorgesehen. Nach Auskunft der Bundesanwaltschaft sollen die Beschuldigten beim Kammergericht Berlin angeklagt werden. Die Hauptverhandlung würde dann voraussichtlich Anfang des Jahres 2001 stattfinden.

Die Verteidigung kritisiert die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vor allem aus zwei Gründen:

Kronzeuge als einziges Beweismittel

Die Verteidigung hat bisher nur einen Teil der Ermittlungsakten einsehen können. Nach bisheriger Einschätzung hat der Mitbeschuldigte Tarek Mousli seine Aussagen im Hinblick auf eine Inanspruchnahme von Vergünstigungen im Rahmen der ausgelaufenen Kronzeugenregelung gemacht. Die Verfahrensakten, die eine Nachprüfung dieser Problematik und damit eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen erlauben, wurden der Verteidigung bisher vorenthalten.

Die Verteidigung kritisiert grundsätzlich, dass lediglich aufgrund der Aussage eines Mitbeschuldigten, der sich starke Vorteile von einer solchen Aussage verspricht, der dringende Tatverdacht angenommen wird. Die Verteidigung rügt einen Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens, weil der Kronzeuge seit Monaten von dem Bundeskriminalamt und von der Bundesanwaltschaft vernommen wird, ohne dass die Verteidigung ihrerseits informiert wird, anwesend oder gar den Zeugen selbst befragen kann. Im Rahmen seiner Befragungen wurden dem Zeugen teilweise umfangreiche Zusammenfassungen seiner eigenen Aussagen bekannt gegeben. Er wurde auf Widersprüche innerhalb seiner eigenen Aussagen und Tatsachen aus den Ermittlungsakten, die im Widerspruch zu seinen Aussagen stehen, aufmerksam gemacht und hatte über Monate hinweg die Gelegenheit, seine Aussagen auf diese Art und Weise nachzubessern.

Vor allem kritisierte die Verteidigung, dass ein möglicherweise tief in ein Tatgeschehen verwickelter Beschuldigter nach freiem Belieben Tatbeteiligte und Tatbeiträge austauschen kann, ohne dass dies die Ermittlungsbehörden überprüfen können.

Auf alle diese Einwände ist der Bundesgerichtshof praktisch nicht eingegangen. Sogar die Rüge von konkreten Widersprüchen durch die Verteidigung wurde mit der lapidaren Bemerkung abgehandelt:

"Dass er (Tarek Mousli) sich gleichwohl bei der Vielzahl der Beteiligten und Geschehnisse im Einzelfall geirrt haben kann, belegt seine Unglaubwürdigkeit nicht."

FLUCHTGEFAHR ALS HAFTGRUND

Die Verteidigung kritisiert darüber hinaus, dass die weitere Untersuchungshaft gegen die Beschuldigten angeordnet wurde und sie nicht die Möglichkeit haben in Freiheit, die Hauptverhandlung abzuwarten. Die Beschuldigten leben alle in stabilen Wohn- und Arbeitsverhältnissen. Bis auf eine Ausnahme (Verurteilung aus dem Jahre 1987) sind sie alle strafrechtlich unbelastet. Die Vereinigung, um die es geht, die Revolutionären Zellen, wurden vor mehreren Jahren aufgelöst. Deswegen ist die Annahme einer Fluchtgefahr im Falle der vier Beschuldigten nicht zu rechtfertigen. Besonders kritikwürdig ist dabei, dass die Fluchtgefahr auch damit begründet wird, "dass die Auslieferung in solchen Fällen politisch motivierter Straftaten problematisch ist." Dies ergebe sich aus den Verfahren gegen die in Kanada und Frankreich befindlichen Mitbeschuldigten, die aus diesen Ländern zumindest derzeit nicht ausgeliefert werden. Damit wird den in Deutschland befindlichen Beschuldigten praktisch zum Vorwurf gemacht, dass in anderen Staaten bei politisch motivierten Straftaten offensichtlich rechtsstaatlichere Maßstäbe gelten.

Die Verteidigung
gez. RA Wolfgang Kaleck

Suche     Mail
http://www.freilassung.de/prozess/ra/ra2208.htm