Kammergericht
Berlin, den 19.7.01
In der Strafsache
./. Harald Glöde u.a.
2 StE 11/00 (4/2000)
wird beantragt,
den Haftbefehl aufzuheben,
hilfsweise
den Angeklagten von der Untersuchungshaft gegen geeignete Auflagen
von der Haft zu verschonen.
Begründung:
Ich nehme zunächst Bezug auf sämtlichen Vortrag zu den
Anträgen der Verteidigung zur Haftfrage und mache diese zum
Gegenstand dieses Antrags.
Der Angeklagte befindet sich nunmehr seit über 19 Monaten
in Untersuchungshaft.
Zunächst ist festzustellen, daß der Senat trotz des
Beschleunigungsgebot in Haftsachen, weitere Verzögerungen hat
eintreten lassen, die nicht von dem Angeklagten zu vertreten sind.
Obwohl der Zeuge Mousli das zentrale Beweismittel ist und die Vernehmung
eines solchen Zeugen oberste Priorität hat, unterbricht der
Senat immer wieder eine durchgehende Vernehmung des Zeugen durch
andere Beweiserhebungen.
Die ursprünglich angesetzten Vernehmungstermine am 19. und
20.7 01 wurden entgegen der ursprünglichen Planung, de Zeugen
Mousli zu vernehmen mit den Zeugen Schulzke und Morré gefüllt,
nachdem beide Zeugenbeistände kund taten, daß sie beide
an diesen Tagen verhindert sind.
Die Beweisthemen für diese Zeugen sind jedenfalls nicht vor
einer abgeschlossenen Vernehmung des Kronzeugen abzuhandeln, da
sie nach einer Vernehmung von Mousli gar obsolet werden.
Dem Gericht war die Verhinderung der Zeugenbeistände bereits
bekannt seit dem 30.5.01. Es wurde keine Sorge dafür getragen,
daß sich ein weiterer Zeugenbeistand in die Sache einarbeitet
und die Vernehmung Mousli fortgesetzt werden kann.
Weitere Verhandlungstermine wurden ohne Not aufgehoben, so am 14.6.01,
29.6.01 und am 5.7.01.
Sodann wurde die im ersten Durchgang angesetzte 30 Tagespause auch
für diesen Durchgang übernommen, obwohl es sich um eine
Haftsache handelt. Mit allem Verständnis für die Urlaubslust
des Gerichts bedeutet dies einen fortgesetzten Freiheitsentzug für
den Angeklagten, ohne daß das Verfahren mit der notwendigen
Beschleunigung betrieben wird.
Zudem steht die bereits erlittene Untersuchungshaft zu einer möglichen
Strafe die im Falle der Verurteilung verhängt würde in
keinem Verhältnis zu einer zu erwartenden Strafe.
Dem Zeugen Mousli wurden von Staatsanwalt Monka 5-6 Jahre in Aussicht
gestellt für eine Verurteilung als Rädelsführer und
eine Mitgliedschaft von 10 Jahren und die Beteiligung an drei Anschlägen.
Rädelsführerschaft wird Herrn Glöde nicht vorgeworfen.
Selbst wenn man also von 5 Jahren Strafe ausginge, dürfte wohl
nach 19 Monaten Untersuchungshaft eine stereotype Wiederholung,
daß Tatverdacht bestehe und Fluchtgefahr gegeben sei nicht
mehr ausreichen um eine weitere Fortdauer der Untersuchungshaft
zu begründen.
Insoweit verletzt der Senat Art. 5, Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 der
MRK bei der weiteren Fortsetzung der Untersuchungshaft.
Weder wird das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung geführt
noch steht die bereits erlittene Untersuchungshaft im Verhältnis
zu einer zu erwartenden Strafe im Falle einer Verurteilung.
In einem jüngst vom Europäischen Menschengerichtshof
entschiedenen Fall (Application no. 30210/96, Entscheidung vom 26.10.2000
) wurde im Falle eines polnischen Beschuldigten, der zunächst
zu sechs Jahren und in der zweiten Instanz zu fünf Jahren verurteilt
wurde, entschieden, daß die insgesamt drei Jahre und vier
Monate dauernde Untersuchungshaft, soweit sie über ein Jahr
hinausging nicht mehr allein mit dem dringenden Tatverdacht und
der aus der Straferwartung abgeleiteten Fluchtgefahr zu begründen
ist.
Nach alledem ist der Haftbefehl aufzuheben, bzw. der Angeklagte
Herr Glöde von der Untersuchungshaft zu verschonen. Zu einer
in der Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellten Hinterlegung
einer Sicherheitsleistung wurden bereits in diversen Schriftsätzen
und zuletzt in der mündlichen Haftprüfung vom 12.4.01
Ausführungen gemacht.
Studzinsky, Rechtsanwältin
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