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Verteidigung

17.05.2002

Kammergericht

Berlin, den

In der Strafsache

./. Harald Glöde u.a.
2 StE 11/00 (4/2000)

lehnt der Angeklagte Herr Glöde

die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Frau Hennig wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Begründung:

I. Sachverhalt

1) Am 12. April 2001 fand im Anschluß an den Verbindungs- und Aussetzungsbeschluß des Senats eine mündliche Haftprüfung statt.

Die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig wirkte an dem Beschluß vom selben Tage mit.

Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten

Beschluß vom 12.4.2001

Auf Seite 4 des Beschlusses heißt es: ..."Trotz dieser Umstände haben die Angeklagten im Falle ihrer Verurteilung angesichts der Schwere der hier vorgeworfenen Taten und der gegebenen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn bzw. 15 Jahren zu rechnen. Dabei werden, soweit eine Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, die an

den Geschädigten Hollenberg und Korbmacher verübten Körperverletzungen, obwohl diese

Delikte bereits verjährt sind, erschwerend zu berücksichtigen sein; insoweit wird auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 4.August 2000- AK 7/00 - Bezug genommen."

Hinsichtlich des Angeklagten Herrn Glöde heißt es in der Anklageschrift auf Seite 115:

"Durch die vom Landgericht Berlin in letzter Tatsacheninstanz am 27.Februar 1989 erfolgte Verurteilung wegen Betruges (Teilnahme an der "Postsparbuchaktion") ist die Strafklage hinsichtlich der vor der Verurteilung liegenden mitgliedschaftlichen Betätigungsakte verbraucht. Davon erfaßt ist auch seine Teilnahme an dem am 1.September 1987 verübten Anschlag auf Dr. Korbmacher."

Glaubhaftmachung : Beiziehung der Anklage

Der Registerauszug des Angeklagten Herr Glöde weist keine Eintragung auf.

Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akte

2) In einer Aktennachlieferung vom 25.2.01 sind Hinweise auf mindestens eine weitere Vernehmung des Zeugen Mousli vom 8.11.2000 (Bd. 93, 245.11) und auf zwei Ermittlungsverfahren enthalten, in denen offensichtlich Anschlußermittlungen geführt werden. Weder die Vernehmung noch die Anschlußermittlungen sind der Verteidigung bisher bekannt.

Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten

Die Verteidigung des Angeklagten Herrn Glöde beantragte daraufhin mit Schreiben vom 25.2.01 die Beiziehung dieser Akten 2 BJs 169/99-2 und 2 BJs 64/00-2 mit der Begründung, daß sich in diesen Ermittlungsakten mindestens eine weitere Aussage des Zeugen Mousli vom 8.11.2000 befindet. Die Beiziehung sei zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen erforderlich.

Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten

Schreiben vom 25.2.01

Die BAW nahm zu dem Antrag auf Beiziehung mit Schreiben vom 28.2.2001 Stellung und sah keine Notwendigkeit dafür. Die Akten seien für eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht erforderlich.

Mit Schreiben vom 22.4.2001 erinnerte die Verteidigung erneut an den Beiziehungsantrag, da eine Entscheidung immer noch nicht ergangen war, und wies ergänzend darauf hin, daß über

die Aussage des Zeugen hinaus auch die Anschlußermittlungen, die zu der Vernehmung geführt wurden, bedeutsam sind.

Glaubhaftmachung : Beiziehung der Akten

Schreiben vom 22.4.2001

Am 8.5.2001 teilte die Vorsitzende Richterin am Kammergericht, Frau Hennig, mit, daß sie die Anträge auf Beiziehung für Beweisanregungen halte, denen nachzugehen die Aufklärungspflicht nicht gebiete.

Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten

Schreiben vom 8.5.2001

Dienstliche Erklärung der Vorsitzenden Richterin am Kammergericht

Hennig

II. Rechtliche Würdigung

Der Antrag des Angeklagten Herrn Glöde, die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist begründet.

Befangenheit ist ein innerer Zustand eines Richters, der seine vollkommen gerechte und freie Einstellung zur Sache, seine Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann. ( BVerfGE 21,146; BGHSt1,34)

Da dieser Zustand nicht bewiesen werden kann, ist eine Ablehnung bereits dann begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. (LR-Wendisch § 24 Rz 4 mwN). Es ist also weder erforderlich, daß der Richter tatsächlich befangen ist, noch, daß er sich selbst für befangen hält. Es kommt auch nicht darauf an, ob er für Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt. (BVerfGE 32,290)

Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist vielmehr dann begründet, wenn der Ablehnende einen vernünftigen Grund zu der Annahme hat, daß der Richter befangen sei. (BGHSt 24, 338 mwN) Ausschlaggebend ist dabei, ob die Umstände von seinem Standpunkt aus begründet Anlaß geben, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. (BGHSt 1,36; BGHSt 23, 285; LR-Wendisch § 24 Rz 5 jeweils mwN) Dabei ist auf einen vernünftig denkenden Menschen in der Rolle und der konkreten Situation des Angeklagten abzustellen, der alle Umstände seiner verständigen Würdigung unterzieht. (BVerfGE 20,14; BGHSt 21,341)

Jeder verständige und besonnene Mensch in der Situation von Herrn Glöde würde zurecht befürchten, die abgelehnte Richterin stünde ihm nicht mehr unvoreingenommen gegenüber.

Wie der Beschluß vom 12.4.2001 zeigt, wurde in der Haftentscheidung die Körperverletzung an den Geschädigten Korbmacher und Hollenberg - im Falle, daß eine Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann- , bezogen auch auf den Angeklagten Herrn Glöde erschwerend für die Straferwartung berücksichtigt.

Abgesehen davon, daß Herr Glöde von dem Zeugen Mousli nicht in Sachen Hollenberg belastet wird und er sich zur Tatzeit nachweislich im Ausland aufhielt, ergibt sich bereits aus der rechtlichen Würdigung der Anklage, die u.a. von der abgelehnten Richterin zugelassen wurde, daß selbst im Falle eines Tatnachweises des Körperverletzungsdelikts an Korbmacher in Bezug auf den Angeklagten Herrn Glöde Strafklageverbrauch eingetreten. Das bedeutet, daß er für diese Tat - selbst falls ein Nachweis erfolgen sollte - bereits bestraft wurde und deshalb anders als bei verjährten Delikten, eine Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung nicht mehr erfolgen kann, zumal eine Eintragung im Bundeszentralregister nicht mehr besteht.

Eine erschwerende Wirkung kann sich also für den Angeklagten Herrn Glöde nicht mehr entfalten. Dennoch berücksichtigt die abgelehnte Richterin dieses Körperverletzungsdelikt, um eine Prognose für die Straferwartung zu erstellen, die dann wiederum zur Annahme der

Fluchtgefahr und Haftfortdauer führt. Der Angeklagte hat nun die ernsthafte Besorgnis, daß die abgelehnte Richterin ihm nicht mehr unparteilich gegenüber steht und seinen individuellen Fall beurteilt, sondern im Gegenteil, trotz eingetretenen Strafklageverbrauchs das Körperverletzungsdelikt erschwerend wertet.

Daraus muß der Angeklagte Herr Glöde den Eindruck gewinnen, daß die abgelehnte Richterin von sachfremden Erwägungen geleitet ist, da es sich bei dem Geschädigten Korbmacher um einen Richter handelt. Aus diesem Grunde befürchtet der Angeklagte Herr Glöde, daß diese persönliche Betroffenheit die abgelehnte Richterin dazu bringt, ihm gegenüber erschwerend ein Körperverletzungsdelikt zu bewerten, dessen Berücksichtigung unzulässig ist.

Es handelt sich auch nicht bloß um eine falsche Rechtsauffassung die einem Befangenheitsantrag nicht zugänglich wäre.

Sondern der Angeklagte Herr Glöde muß ernsthaft die Besorgnis haben, daß eine rechtliche Würdigung der Bundesanwaltschaft, die ihren Niederschlag sogar in der Anklageschrift findet, allein wegen des Opfers sich hier derart auf die Haftentscheidung ausgewirkt hat, daß auch ihm erschwerend- vorbehaltlich eines Tatnachweises- die Begehung dieses Körperverletzungsdelikts zur Last gelegt wird. Dies ist auch wider besseres Wissen der abgelehnten Richterin geschehen. Denn selbst wenn ihm aufgrund der Aussage des Zeugen Mousli die Körperverletzung zum Nachteil von Korbmacher nachgewiesen werden würde, darf dies nicht für die Strafzumessung wegen des Strafklageverbrauchs berücksichtigt werden.

Insoweit befürchtet der Angeklagte Herr Glöde, daß die abgelehnte Richterin ihm gegenüber nicht mehr unvoreingenommen ist.

Aber auch hinsichtlich der Verweigerung der Aktenbeiziehung durch die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig hat der Angeklagte Herr Glöde ebenfalls ernsthafte Besorgnis, daß sie ihm gegenüber nicht mehr unbefangen ist.

Das Ermittlungsverfahren 2 BJs 64/00-2 richtet sich ausweislich Bd. 87, 85.1 gegen unbekannte Mitglieder des Koordinierungsausschusses, dem nach Aussagen des Zeugen Mousli auch Harald Glöde angehört haben soll. Das Verfahren 2 BJs 169/99 enthält mindestens eine weitere Vernehmung des Zeugen Mousli vom 8.11.2000 (Bd. 93, 245/11), die sich mindestens auf den Koordinierungsausschuß bezieht.

Beide Ermittlungsverfahren betreffen damit unmittelbar den Anklagegegenstand, nämlich die angebliche Betätigung des Angeklagten Herrn Glöde in diesem Ausschuß und die Beschreibung der Struktur dieses Ausschusses.

Wenn nun die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig es ablehnt, diese der Verteidigung und dem Angeklagten Herrn Glöde nicht bekannten Ermittlungsverfahren und mindestens eine weitere Aussage des Zeugen Mousli beizuziehen, entsteht für den Angeklagten Herrn Glöde der Eindruck, daß die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig nicht mehr unvoreingenommen ist, sondern sich bereits anhand der vorliegenden Aussagen des Zeugen ein fertiges Bild gemacht hat.

Das bedeutet, daß für die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig auch mögliche widersprüchliche Angaben des Zeugen und mögliche bisher nicht bekannte entlastende Anschlußermittlungen, nichts mehr an der Würdigung der Aussage des Zeugen Mousli ändern können.

Denn mit der Ablehnung der Beiziehung bringt die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig zum Ausdruck, daß für sie die Glaubwürdigkeit des Zeugen Mousli

bereits feststeht und zur Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit eine weitere Aussage von ihm und die daran geführten Anschlußermittlungen nicht mehr erforderlich sind und auch nichts mehr daran ändern können.

Zumindest angesichts der letzten Haftentscheidung vom 12.4.2001, an der die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig mitgewirkt hat, drängt sich auf, daß für sie kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen besteht.

Dieses Verhalten der abgelehnten Vorsitzenden Richterin am Kammergericht Hennig begründet folglich bei dem Angeklagten Herrn Glöde die Befürchtung, daß sie keine unabhängige Richterin mehr ist, sondern eine Überprüfung der Angaben und Widersprüche des Zeugen nicht mehr vornehmen will. Dies begegnet besonderen Bedenken, da es sich bei dem Zeugen Mousli um das einzige Beweismittel handelt und der angesichts seiner eigenen Vorteile, die er sich mit seinen Aussagen verschafft hat, einer besonders kritischen Würdigung zu unterziehen ist.

Herr Glöde als verständiger Angeklagter hat durch die Ablehnung der Beiziehung der Akten durch die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig die ernsthafte Besorgnis, daß diese ihm nicht mehr unparteilich gegenüber tritt, da sie mindestens eine zusätzliche Vernehmung des Zeugen nicht mehr überprüfen will.

Herrn Glöde muß sich aufdrängen, daß sie bereits jetzt gewiß ist, daß allein die bisherige Aussage des Zeugen Mousli, zur Überführung des Angeklagten Herrn Glöde ausreichend und geeignet ist.

Die Besorgnis der Befangenheit bezüglich der abgelehnte Vorsitzende Richterin am Kammergericht Hennig wird für den Angeklagten Glöde zur Gewißheit. Denn sie war nicht nur an der Haftentscheidung beteiligt, in der unzulässigerweise die Beteiligung an dem Körperverletzungsdelikt zum Nachteil von Korbmacher für die Straferwartung herangezogen wurde, sondern sie bringt auch mit der Ablehnung der Aktenbeiziehung zum Ausdruck, daß sie zu einer Aufklärung nicht bereit ist, worin sich ihr Verurteilungswille manifestiert.

Es wird beantragt,

die Namhaftmachung gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO,

2. die dienstliche Äußerung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin am Kammergericht Hennig

vor einer Entscheidung über dieses Ablehnungsgesuch Herrn Glöde über seine Verteidigerinnen zugänglich zu machen.

Herrn Glöde Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen.

Studzinsky, Rechtsanwältin
Würdinger Rechtsanwältin

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