Silke Studzinsky
Rechtsanwältin
Kottbusser Damm 72
10967 Berlin
Tel. 6918011 * Fax 69815280
Andrea Würdinger
Rechtsanwältin
Motzstraße 1
10777 Berlin
Tel: 2156803 - Fax 2156813
Kammergericht
In der Strafsache
gegen Glöde
(2) StE 11/00 (4/00)
lehnen wir namens und in Vollmacht des Angeklagten Glöde die
Vorsitzende Richterin am Kammergericht Gisela Hennig, den abgeordneten
Richter am Landgericht Hanschke, den Richter am KG Lechner, Richter
am KG Alban, Richter am KG Genthe wegen der Besorgnis der Befangenheit
ab.
Begründung:
Sachverhalt:
In der Hauptverhandlung am 28.2.02 gab der Angeklagte Haug über
seinen Verteidiger Rechtsanwalt von Schlieffen eine Einlassung ab.
Wesentlicher Inhalt der Einlassung war, daß er Unterstützungshandlungen
im Jahre 1986 bis 1987 im rechtsverjährten Zeitraum einräumte
ebenso wie den Umstand, daß er erfolglos in verjährtem
Zeitraum unter dem Decknamen Anton von einem Mitglied der RZ geworben
werden sollte. Die Beteiligung an den vorgeworfenen Anschlägen
und Mitgliedschaft in der RZ wurde bestritten.
Zur Glaubhaftmachung: schriftliche Einlassung des Angeklagten Haug,
Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 28.2.02
Der Angeklagte Haug wurde umgehend von der U-Haft verschont.
Zur Glaubhaftmachung: dienstliche Erklärungen der abgelehnten
Richter, sowie anwaltliche Versicherungen der Unterzeichnerinnen.
Im Anschluß an die Haftentlassung des Angeklagten Haug beantragten
die Verteidigerinnen des Angeklagten Glöde mündliche Haftprüfung,
die am gleichen Tage in der Mittagspause durchgeführt wurde.
Zur Glaubhaftmachung: wie oben.
Mit Beschluß vom 4.3.02 wurde der Antrag auf Aufhebung sowie
der hilfsweise gestellte Antrag auf Haftverschonung abgelehnt.
Zur Glaubhaftmachung: Beschluß des KG vom 4.4.02 in Kopie.
Dieser Beschluß wurde den Unterzeichnerinnen per Fax am gleichen
Tage zugestellt, dem Angeklagten Glöde am 5.4.02 ausgehändigt.
Zur Glaubhaftmachung : anwaltliche Versicherung der Unterzeichnerinnen.
Am 6.3.02 konnte der Angeklagte Glöde mit seiner Verteidigerin
Studzinsky Rücksprache halten.
Zur Glaubhaftmachung : anwaltliche Versicherung der Unterzeichnerin
Studzinsky.
In dem Beschluß wird die Haftfortdauer damit begründet,
daß sich der dringende Tatverdacht aufgrund der Teilgeständnisse
Schindler, Eckle und Haug verhärtet habe. Soweit ihre Einlassungen
von den Aussagen Mousli abweichen, bestehe auch weiterhin dringender
Tatverdacht. Dem Angeklagten Glöde könne auch aus Gründen
der Gleichbehandlung keine Haftverschonung gewährt werden ,
denn die Mitangeklagten hätten zu erkennen gegeben, daß
sie bereit seien, die Verantwortung für einen Teil der ihnen
gemachten Vorwürfe zu übernehmen und sich dem Verfahren
zu stellen. Die Angeklagten Eckle und Haug hätten den Kernvorwurf
Mitglieder der terroristischen RZ gewesen zu sein im wesentlichen
eingeräumt.
Auf die Haftverschonung des Angeklagten Matthias Borgmann am 11.2.02
wird nicht eingegangen. Dieser wurde gegen Kaution ohne Einlassung
aufgrund eines Unfalls in seiner Familie von der Haft verschont.
Zur Glaubhaftmachung: dienstliche Erklärungen der abgelehnten
Richter.
Auch die Angeklagte Eckle hat lediglich ihre Mitgliedschaft bis
1988 - die verjährt ist - eingeräumt, die Beteiligung
an den vorgeworfenen Anschlägen jedoch verneint.
Zur Glaubhaftmachung: wie oben, sowie schriftliche Erklärung
der Angeklagten Eckle und des Angeklagten Schindler vom 18.1.02,
als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll vom gleichen Tage.
Auch diese Angeklagten wurden am gleichen Tage entlassen.
Der Befangenheitsantrag ist rechtzeitig.
Begründung:
Die Besorgnis der Befangenheit gegen die abgelehnten Richter stützt
sich darauf, daß der weitere Vollzug der Untersuchungshaft
einzig und allein dem Zweck der Aussageerpressung dient.
Der Angeklagte Haug übernimmt gerade nicht für die ihm
gemachten Vorwürfe - wie im Beschluß ausgeführt
- die Verantwortung, sondern bestreitet diese. Er erklärt,
an keinem der angeklagten Anschläge beteiligt gewesen zu sein,
noch macht er Angaben, die geeignet sind, eine Mitgliedschaft in
der RZ anzunehmen. Seine beschriebenen Handlungen sind eindeutig
verjährte Unterstützungshandlungen. Bestätigt wird
der Zeuge Mousli lediglich in seinen Angaben, daß er damals
den Decknamen Anton geführt hat. Hinsichtlich des übrigen
Teils seiner Einlassung setzt er sich dezidiert mit den Falschbelastungen
des Zeugen Mousli auseinander und gibt auch konkret einen Lebenssachverhalt
an, der sein Bestreiten glaubhaft macht.
Diese im wesentlichen bestreitenden Umstände werden von den
abgelehnten Richtern offensichtlich nicht ernsthaft berücksichtigt,
wenn sie ausführen :
" Soweit ihre Einlassungen von den Aussagen des Zeugen Mousli
abweichen besteht auch weiterhin dringender Tatverdacht".
Das heißt, hinsichtlich sämtlicher belastender Umstände
folgt der Senat dem Zeugen Mousli.
Das Einräumen verjährter Tatbeiträge kann keine
Geständnisfunktion haben mit der Folge der Strafmilderung und
damit der Verringerung der Straferwartung und der Fluchtgefahr,
denn sie können nicht Gegenstand des Urteils sein.
Das Schweigen des Angeklagten Glöde darf im Hinblick auf die
Straferwartung und eine daraus folgende Fluchtgefahr nicht anders
bewertet werden als eine bestreitende Einlassung.
Wenn die abgelehnten Richter dennoch eine unterschiedliche Beurteilung
vornehmen, dient diese einzig und allein dazu, das Schweigen des
Angeklagten Glöde zu brechen.
Die abgelehnten Richter schaffen damit einen nicht existierenden
Haftgrund.
Darin liegt ein rechtswidriges Einwirkung auf die Aussage und Entschließungfreiheit
des Angeklagten.
Rechtswidriges Einwirken auf den Angeklagten Glöde begründet
selbstredend die Besorgnis der Befangenheit.
Auch besorgt der Angeklagte Glöde aus folgendem nachvollziehbar,
daß die Richter ihm nicht unbefangen gegenüberstehen:
auch im Falle einer Einlassung muß er damit rechnen, daß
alle Angaben, die dem Zeugen Mousli widersprechen als Schutzbehauptungen
gewertet werden und die abgelehnten Richter nur solche Angaben zur
Kenntnis nehmen, die sie in irgendeiner Weise als Stütze des
Kronzeugen werten können.
Vor einer Entscheidung über dieses Gesuch bitten wir, uns
die zur Bescheidung über dieses Gesuch berufenen Richter namhaft
zu machen. Wir beantragen weiter, uns eingeholte dienstliche Erklärungen
der abgelehnten Richter vor der Entscheidung über dieses Gesuch
zur Kenntnis zu bringen und Gelegenheit zu geben, dazu Stellung
zu nehmen. Angesichts der Inhaftierung der Angeklagten ist dazu
erforderlich, eine Frist von drei vollen Werktagen einzuräumen.
Würdinger, Rechtsanwältin
Studzinsky, Rechtsanwältin
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