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Lothar Ebke
|
Mittwoch 30.05.2001
Auslieferungsverfahren Lothar Ebke
Der Tag begann mit einer Befragung von Corporal Munn, der
Sachbearbeiterin des Falles.
Offensichtlich hatte seit ihrer Befragung gestern ein längeres
Gespräch zwischen ihr und dem Staatsanwalt stattgefunden, da dieser
anfangs nur als Stichwortgeber auftrat (ist ihnen noch was eingefallen?)
und spaeter das Gespraech auf einen Komplexzuschnitt.
Zunächst ging es um ihre Beteiligung an der Durchsuchung ,
inclusive der Rolle von Trede, dann ging es darum, ob verdächtiges
Material gefunden worden sei.
Excurs, mal wieder kanadische Rechtslehre:
In Kanada geht ein Polizeibeamter/ in mit seinen Ermittlungen zum Richter,
um einen Durchsuchungsbeschluss oder Haftbefehl zu beantragen. Dazu reicht
er/ sie einen Zwischenbericht ein und schwört, dass dies sein/ ihr
Kenntnisstand ist und "ich nun handeln will/ muss". In der Regel
erässt der Richter den Befehl und erlaubt dem Beamten/ der Beamtin zu
handeln. Diese Erlaubnis ist auf die Person ausgestellt, die den Antrag
einreicht.
Die Aussagen der befragten PolizistInnen bestätigten, dass schon
während der Vorbesprechung in der Wache klar war, dass Munn dem
Festnahmeteam angehören und dass die Durchsuchung von Hardy geleitet
wüerde. Dennoch ging Munn zum Richter und besorgte den
Durchsuchungsbefehl auf ihren Namen. Während der 5 stündigen
Durchsuchung war sie gegen Ende für etwa 15 Minuten auf dem
Gelände. Etwa 14 Tage nach der Aktion schrieb Munn den
Abschlussbericht, in dem sie bestätigte, dass sie durchsucht
habe...
Im Durchsuchungsbefehl wurde dem deutschen Beamten Trede vom Richter die
Teilnahme als Beobachter genehmigt. Dennoch bestätigten andere mit der
Durchsuchung beauftragte Beamte, dass Trede und Brettschneider
(Verbindungsbeamter der Kanadischen Polizei in Berlin) Gegenstände
aussuchten und deren Beschlagnahme begehrten. Brettschneider wurde gar von
einem durchsuchenden Beamten angewiesen, das Büro zu verlassen, da
dies noch nicht durchsucht worden sei.
In dem sich anschliessenden Teil der Befragung ging es der
Staatsanwaltschaft vor allem darum nachzuweisen, das bedeutendes Material
sichergestellt wurde. Dazu verwies Munn immer wieder auf bestimmte
Fundstellen: Materialien zu Sinti und Roma, Dias aus Nicaragua, Bilder von
Demonstrationen, unbekannte Personnen an unbekannten Orten (Ausland) und
eine Vielzahl von Artikeln und Veröffentlichungen zu Themen wie
Rassismus, Nationalismus und Ethnische Minderheiten (inclusive einer
Ausgabe der Zeitschrift Radikal). Ebenso Fundstellen auf dem Computer, den
man mit Hilfe einer Stichwortliste durchsucht hatte, die 580 Fundstellen
hervorbrachte. Da ihr der Kontakt zu den deutschen Ermittlungsbehörden
untersagt worden sei, sei es schwierig für sie zu entscheiden, was
relevant sein könne, daher sei alles relevant. Ausserdem gebe es auch
in Kanada Ermittlungen (Immigration) und das sei ein andauernder Prozess,
da könne neues Beweismaterial auftauchen, man sei halt noch nicht dazu
gekommen, alles zu durchforsten. Schriftverkehr könne z.B. sich normal
anhören, aber von Mousli wisse man, dass in der RZ Tarnworte verwendet
wurden und sie könne nicht gut genügend deutsch, um das zu
durchschauen. Seit letztem Freitag sei ihr aber ein deutsch sprechender
Beamter (Hans Frank) aus Toronto als Assistent zugeteilt worden, der
übersetze.
Bei der Befragung von Munn durch Verteidiger Wilson gab sie zu, dass
sich auf der Liste der 53 Suchbegriffe Namen wie Yellowknife, Lothar, Namen
von Freunden Lothars in Yellowknife, Internet providern u.a. befinden und
dass sie nicht detaillieren könne, was wie oft auftaucht, sondern dies
eine Gesamtzahl ist. Die Liste sei eine Mischung von deutschen Vorgaben und
kanadischen Ermittlungen (für das Immigration-Verfahren). Auch der
Begriff der angeblichen Sprachverschleierung wurde attackiert, da Mousli
hier einen seiner Briefe von 1984 analysiere, der in Klarsprache abgefasst
ist und mit den Vorwürfen nichts zu tun haben könne. Ebenfalls
gab Munn zu, dass es keinerlei Verdachtsmomente von deutscher Seite gegen
Lothars Mitbewohnerin gebe, und obwohl sie deren Handschrift identifizieren
könne, wisse man einfach nicht, wer welche Notizen (z.B. im Material
über Sinti und Roma) angelegt habe.
Als letzten Zeugen präsentierte die Staatsanwaltschaft den Beamten
Hans Frank, der eine Mitschrift einer deutsch geführten Konversation
angelegt hatte, die während der gefilmten Durchsuchung des Büros
stattfand. Frank bestätigte, dass er eine Stimme als die seines alten
Freundes Brettschneider erkannt habe und dass die andere dann wohl zu Trede
gehöre. Bevor das Video abgespielt wurde, legte Wilson eine von der
Verteidigung angelegte Abschrift und Übersetzung vor, die Frank dann
während des Abspielens las. Er bestätigte danach, dass die von
der Verteidigung vorgelegte Version genauer sei als seine eigene und die
Übersetzung korrekt sei. Die Kamera zeigt zunächst die
Beschlagnahme von Peter Weiss: "Die Ästhetik des
Widerstandes"
und fährt dann das gesamte Buchregal Titel für Titel langsam ab,
während Trede im Hintergrund zu hören ist: "...das ist alles
politisch, ...das muss man dann in Meckenheim auswerten, ...wir arbeiten in
die Vergangenheit, ...da sind auch ihre Sachen dabei".
Im anschliessenden Plädoyer der Staatsanwaltschaft sah dieser zwar
auch gewisse Ungenauigkeiten bei der Vollstreckung der Durchsuchung,
dennoch dürfe der Richter aber keinesfalls eine Rückgabe des
gesamten Materials erwägen, da dies unverhältmässig sei und
die Deutschen ja noch ermitteln könnten. Auch die Rolle von Trede sei
insgesamt in Ordnung gewesen, denn die Beschlagnahme selbst sei durch
kanadische Beamte erfolgt. Insgesamt sei Munn schon Chefin der Operation
gewesen und Hardy nur der örtliche Koordinator. Bei einem Teil des
Materials, das insgesamt zu versenden sei, müsse Kanada aber ein
Zugriffsrecht behalten, da es für kanadische Ermittlungen wichtig sein
könne.
Adrian Wright, der Lothars Mitbewohnerin vertrat, fand die gesamte
Durchsuchung problematisch, vor allem weil sie ja nicht von Anfängern
gemacht worden sei, sondern höchste Beamte der örtlichen
Behörde beteiligt waren. Die fehlerhafte Beantragung des
Durchsuchungsbeschlusses sei auch kein Versehen gewesen. Er rückte
dies in die Nähe eines Betruges und den dürfe man nicht
nachträglich absegnen und das Marterial dennoch verschicken. Er
deutete darauf hin, dass ein Grossteil des Materials Forschungsmaterialien
und persönliche Unterlagen seiner Mandantin darstelle und schon von
daher zurückzugeben sei. Insgesamt griff er den Durchsuchungsbefehl
als viel zu breit angelegt an und verglich ihn mit einem Angelschein
("fishing licence").
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