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Internationale
Prozessbeobachtung

Pressekonferenz der internationalen Delegation von ProzessbeobachterInnen

Gegen 11.30 Uhr begann im Anschluss an den ersten Verhandlungstag eine Pressekonferenz der Internationalen ProzessbeobachterInnen. Auf Einladung des "Berliner Bündnis für Freilassung" wollen sieben Personen aus dem In- und Ausland die ersten beiden Prozesstage und anstehende wichtige Prozesstermine beobachten.

FotoDie Gruppe besteht aus: Saskia Duru (UNITED for Intercultural Action, Amsterdam); Frances Weber (Institute for Race Relations, London); Ulla Jelpke (Innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion), Pierre Jourdain (Fédéracion des Association de Soutien aux Travalleurs Immigrés, Paris) Sean McGuffin (Anwalt und Schriftsteller, Derry), Marcel Bosonnet (Demokratische Juristen, Zürich) und Wolf Dieter Narr (Komitee für Grundrechte und Demokratie).

Marcel Bosonnet, Strafverteidiger aus Zürich, ist als Berichterstatter für die schweizerische Organisation "Demokratische Juristen" nach Berlin gekommen. Bosonnet, der vor dem Hintergrund, dass es in der Schweiz weder eine Kronzeugenregelung noch eine dem §129a entsprechende FotoRechtsvorschrift gibt, warf die Frage auf, inwieweit die Anwendung der Kronzeugenregelung im Prozess gegen Tarek Mousli - auch aus bundesrepublikanischer Perspektive - verfassungswidrig sei. Denn immerhin, so Bosonnet, laufe die Anwendung der Kronzeugenregelung allen rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen zuwider.

Außer Kraft gesetzt würden das Legalitätsprinzip, weil sich nicht mehr an der Gesetzeslage, sondern an Absprachen orientiert würde, die Anklagevertretung und Kronzeuge aushandeln; der Untersuchungs- sowie der Einvernahmegrundsatz, der die freie Beweiswürdigung durch das abgesprochene Geständnis des Kronzeugen unterhöhle; die Unschuldsvermutung, die entfällt, weil die Angaben des Kronzeugen zu seinen Tatbeteiligungen für bare Münze genommen und nicht überprüft werden; der Unmittelbarkeitsgrundsatz, weil hier die Beweislage in gegenseitigen Prozessen zwischen Anklagevertretung und Kronzeugen abgesprochen werden; das Prinzip der Öffentlichkeit, weil die Absprachen mit dem Kronzeugen heimlich und ohne Interventionsmöglichkeiten z.B. beteiligter StrafverteidigerInnen getroffen werden und der Gleichbehandlungsgrundsatz:

"Wenn solche wesentlichen Verfahrensgrundsätze systematisch gebrochen werden, dann werden auch alle folgenden Verfahren kontaminiert, die auf den Ergebnissen eines solchen Prozesses beruhen", fasste Bosonnet seinen Beitrag zusammen.

FotoPierre Jourdain, Vertreter der Pariser "Fédéracion des Association de Soutien aux Travalleurs Immigrés" (FASTI), die sich für das Bleiberecht von Illegalisierten in Frankreich einsetzt, machte die wahren Kriminellen in den Verantwortlichen der EU-Staaten aus, die für jährlich über hunderte von Tote an den EU-Außengrenzen verantwortlich sind - und zur Verantwortung gezogen werden müssten. Es sei für ihn auch deshalb eine Selbstverständlichkeit, an diesem Prozess als Beobachter teilzunehmen, weil insbesondere die Arbeit Harald Glödes in der "Forschungsgesellschaft Flucht und Migration" (FFM) mit der Arbeit von FASTI starke Berührungspunkte aufweise und sie in diesem Sinne für die selbe Sache kämpften.

 

Sean McGuffin, Schriftsteller und als Strafverteidiger 16 Jahre in den USA tätig, solidarisierte sich ausdrücklich mit den Angeklagten, die seiner Ansicht nach vollkommen ungerechtfertigt in Haft sitzen, da ihnen alleine auf Grund der Aussagen eines bezahlten Zeugen der Prozess gemacht werde.Foto

In Anspielung auf die Aussetzung der Hauptverhandlung vom Vormittag bezeichnete der Verteidiger von politischen Gefangenen in den USA und Irland den Prozessauftakt als "kangaroo court", zu deutsch: als Farce. Das vormittägliche Gerichtsschauspiel beweise eine solche Inkompetenz seitens der Staatsanwälte, wie sie ihm in seiner 16-jährigen Anwaltstätigkeit noch nie untergekommen sei. Offenbar wisse "nicht einmal die Bundesanwaltschaft so richtig, was in diesem Verfahren los" sei.

Die Paragrafen 129 und 129a StGB verstießen u.a. gegen wesentliche Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention. Den Umstand, dass er und seine KollegInnen weder Papier, noch Stift in den Verhandlungssaal mitnehmen konnten, bezeichnete er schlicht als absurd. Allerdings entspräche dies dem staatlichen Versuch, nicht nur die Angeklagten und deren Anwälte, sondern auch diejenigen Menschen, die den Prozess besuchen wollten, zu dämonisieren und zu kriminalisieren. Er kündigte an, dass er neben der irischen, auch der britischen Rechtsanwaltsvereinigung über die Umstände dieses Verfahrens ausführlich Bericht erstatten werde.

FotoUlla Jelpke, Innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, bezeichnete den §129a als Kernstück der politischen Justiz in Deutschland. Zuerst als "Kriegsmittel gegen die RAF" eingesetzt, werde der §129a heute zunehmend gegen Menschen eingesetzt, die sich in der Anti-AKW- oder Antifa-Bewegung engagieren. Den §129a kennzeichnete sie als Ermittlungs- und Ausspähungsparagrafen. Deutliches Indiz hierfür sei, dass nach aktuellen Zahlen 85 Prozent aller Ermittlungen noch vor einer Hauptverhandlung eingestellt würden.

Die Bundestagsabgeordnete kündigte an, die PDS-Fraktion werde erneut einen Antrag in den Bundestag einbringen, der die Abschaffung des §129a fordert.

FotoAls Anwältin, so Frances Weber vom britischen "Institute for Race Relations", könne sie nur einen Grund nennen, warum dieser Prozess stattfinde. Es ginge augenscheinlich darum, Menschen einzuschüchtern, die sich gegen Rassismus engagieren und dabei insbesondere auch den institutionellen Rassismus durch Staat und Verwaltung thematisieren. Ihr dränge sich dieser Eindruck auch deshalb auf, weil sie durch ihre Arbeit von vielen ähnlichen Versuchen in anderen europäischen Ländern wisse.

Wolf Dieter Narr bezeichnete den Prozess als ". Das Verfahren sei Ausdruck eines "kalten Rauchs", der aus den 70er Jahren her wehe. Die Anklage basiere einerseits auf den Aussagen des Kronzeugen und andererseits auf der widersprüchlichen Behauptung, innerhalb der RZ habe es eine so offene, freie und für jeden transparente Kommunikation gegeben, so dass jeder von jedem und seinen Taten wußte; gleichzeitig wird aber in der Anklageschrift behauptet, die RZ-Strukturen basierten auf einem hochgradig abgeschotteten System. Kronzeugenregelung und dieses widersprüchliche RZ-Konstrukt seien die beiden Zangen, zwischen die die Angeklagten geraten seien.Foto

Dass der Prozess überhaupt und wie er stattfinde, kennzeichne den "miesen Zustand des deutschen Rechtsstaats ".

Narr machte auch deutlich, dass sowohl das "Komitee für Grundrechte und Demokratie", die "Humanistische Union" und die "Internationale Liga für Menschenrechte" den Prozess über seinen gesamten Verlauf kritisch begleiten würden.

Für UNITED, einem Netzwerk von über 500 Antirassismus- und Flüchtlingsgruppen, brachte Saskia Daru aus Amsterdam ihr Unverständnis über die lange Dauer der Untersuchungshaft zum Ausdruck. "Ich war geschockt, als ich von Haralds Glöde Verhaftung erfuhr, und ich bin immer noch geschockt, dass die Angeklagten zum Teil seit fünfzehn Monaten, lediglich basierend auf den Aussagen eines Kronzeugen, in Untersuchungshaft sitzen."

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http://www.freilassung.de/prozess/ib/220301.htm