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Aktion gegen den Sozialdezernenten Delorme, Mainz
(Juni 78)
Wer die Wohnungen anderer abreissen läßt oder ihnen
das Leben darin unerträglich macht, darf sich nicht wundern,
wenn sein eigenes Haus nicht davon verschont bleibt.
Heute Nacht haben nicht Abreißkolonnen des "Sozial"-
Dezernenten, an die sich alle Mainzer gewöhnt haben, wieder
einmal zugeschlagen, um ein paar Familien das Dach über dem
Kopf wegzureißen, sondern wir haben eine eigene Kolonne aufgestellt,
um dem für die rigorose Zerstörung der Altstadt und den
Aufbau einer Geisterstadt verantwortlichen Delorme einen Denkzettel
zu geben. Gleichzeitig geben wir ihm ein neues Arbeitsfeld zur völligen
Entfaltung seiner zerstörerischen und planerischen Fähigkeiten:
jetzt kann er anfangen, sein eigenes Grundstück zu sanieren.
Vielleicht reißt er sein eigenes Haus ab und baut sich einen
Bunker, in dem er sich sicher fühlen kann.
Die Machtarroganz, mit der dieser Bürgermeister seit Jahren
sein Werk betreibt, und die demütigenden Erfahrungen, daß
durch Eingaben und Diskussionen mit den Behörden nichts erreicht
wird, zeigen, daß wir uns mit anderen Mitteln zur Wehr setzen
müssen. Was diese Politik der Stadt Mainz für die Betroffenen
bedeutet und mit welcher Unverschämtheit sie durchgesetzt wird,
zeigen folgende Beispiele:
Als
Aufsichtsratsvorsitzender der Wohnungsbaugesellschaft und Bürgermeister
hat Delorme sein wahres Gesicht gezeigt: In einem Großprojekt
läßt er die ganze Altstadt abreißen, um eine Schnellstraße,
Park- , Büro- und Kaufhäuser, Eigentumswohnungen und Exklusivläden
in "schönstem" Beton aufzubauen. Das bedeutet, daß
Großfamilien und intakte Wohn- und Lebensstrukturen innerhalb
der Altstadt zerstört wurden. Für viele heißt es
- und besonders davon betroffen waren Rentner, Ausländer, kinderreiche
Familien und Studenten - raus aus den billigen Wohnungen, die man
sich leisten konnte, um dann entweder teure Neustadtwohnungen zu
nehmen oder obdachlos zu werden. Der Wohnwert wird in den sanierten
Gebieten gleich Null. Ständige Lärmbelästigungen,
häufig frequentierte Straßenzüge durch Park- und
Kaufhäuser machen das Leben dort unerträglich. Die Folgen
davon sind: eine Stadtflucht, die die Städte immer mehr zu
reinen Konsum- und Verwaltungszentren werden läßt, während
das Leben in den riesigen Betonkäfigen zur Vereinsamung führt,
die alle sozialen Kontakte unmöglich macht. Für diese
menschenfeindliche Politik, die die Spekulanten und die Konsumindustrie
den wirtschaftlichen Nutzen des Grund und Bodens voll ausnutzen
läßt, ist Delorme in erster Linie verantwortlich.
Wohl nicht ein Zufall ist es, daß dieser Delorme auch noch
für die Obdachlosensiedlung "Zwerchallee" und andere
langsam in slumartige Zustände hineinwachsende Stadtteile zuständig
ist. Die von ihm eingeleitete Verelendung vieler Familien wird als
deren selbstverschuldete Situation hingestellt, aus der sich niemand
bemühen würde, herauszukommen.
Gerade diese Folgerung zeigt die Arroganz auf, mit der er Politik
macht: Obdachlos bedeutet nämlich, keine Arbeit zu bekommen,
"kriminell" zu werden, um genügend zu essen zu haben
und sich durchsetzen zu können. Es bedeutet, in einer Ghettosituation
außerhalb der Stadt und der übrigen Stadtbewohner zu
leben. Das heißt, sich ständig durch Bitten und Betteln
aus dem Rathaus ein paar Pfennige zu holen. Es bedeutet, sich ständig
in menschenunwürdigen Behausungen (z.B. müssen Familien
mit 6 Kindern in 2 1/2 Zimmern leben) und unhygienischen Verhältnissen
aufzuhalten, wodurch Krankheiten oft seuchenartige Ausmaße
annehmen. Schließlich bedeutet es für die Kinder und
Jugendlichen, in Sonderschulen ausgebildet zu werden, um sich danach,
wenn man "Glück" hat, als Hilfs- oder Gelegenheitsarbeiter
in den mörderischen Prozeß der Produktion eingliedern
zu müssen.
Überdies wurde Jugendlichen von Delorme nach langem Kampf
endlich ein Haus für ein Jugendzentrum in Selbstverwaltung
versprochen, obwohl er wußte, daß das Haus abgerissen
werden sollte. Trotz Erfahrungen mit seiner Hinhaltetaktik glaubten
die Jugendlichen, endlich ihr Ziel erreicht zu haben. Der Zeitpunkt
für die Übergabe des versprochenen Hauses war jedoch so
gewählt, daß er in die Urlaubszeit fiel und viele Jugendliche
nicht da waren, als Delorme heimlich verfügte, das versprochene
Haus abzureißen. Der Platz war im Zuge der Stadtsanierung
"notwendig" geworden. Durch den Zeitgewinn und durch die
demoralisierende Wirkung dieses Vorgehens zerbrach die Bewegung
in viele Teile, so daß sich Delorme auch noch als derjenige
hinstellen konnte, der eigentlich richtig gehandelt hätte,
da man ja jetzt sähe, wie unwichtig dieses Zentrum für
die Jugendlichen eigentlich gewesen sei.
Wir haben versucht, dem Delorme für seine Machenschaften einen
Denkzettel zu verpassen. Diese Herren sollen nicht glauben, daß
sie ungeschoren davonkommen und daß wir uns ständig von
ihnen bevormunden lassen. Es gibt viele einfache Mittel und Wege,
sie zu bestrafen und anzugreifen.
Das Geschrei (nur durch ein Zufall ist keiner dabei umgekommen,
was wäre geschehen, wenn ...), das schon bei ähnlichen
Aktionen in der Presse anfing, läßt uns kalt. Wir haben
nur so viel gemacht und werden immer nur so viel machen, daß
wir ausschließen können, einen Unschuldigen zu treffen.
Mehr haben wir dazu nicht zu sagen.
Friede den Hütten, Krieg den Palästen!
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