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Hunde, wollt ihr ewig bellen ...
November 1978
Unserer Erklärung "Die
Hunde bellen, die Karawane zieht weiter" aus dem Mai 1977
wäre nichts hinzuzufügen, hätte Hans- Joachim Klein
seine - wie er es nennt - Auseinandersetzung mit der Guerilla auch
weiterhin auf die deutsche Presse gestützt. Was er dem "Spiegel"
im Sommer aufgetischt hat, bedarf keiner Entgegnung. Er schwätzt,
klatscht, bewundert sich, betreibt Public Relation in eigener Sache
- ein Pfau, der das Radschlagen übt. Er hat das Spektakel gesucht
und ist längst in die Mühlen des Showgeschäfts geraten:
er weiß, daß er sein Publikum nur halten kann, wenn
er ständig was Neues zu bieten hat. Selbst die, die ansonsten
keine Gelegenheit verstreichen lassen, der Guerilla eins reinzuwürgen,
haben Gespür genug, daß sich aus diesem HJK kein politischer
Profit schlagen läßt.
Mit
Hilfe von "Liberation", wohlwollenden Übersetzungen
aus dem Deutschen ins Französische und wieder zurück,
sowie einer vorgegebenen Argumentationsstruktur wird dem Tratsch
nun wieder das Image einer politischen Linie gegeben. Die, die HJK
für ihre eigenen Interessen brauchen, haben ihren Kronzeugen
wieder auf Vordermann gebracht, wieder zurechtgeputzt. HJK, dessen
Biographie als Linksradikaler blütenweiß ist, ohne Fehl
und ohne Tadel, der von der Bundeswehr bis zu den Hausbesetzungen
stets den aufrechten Gang gegangen ist und sich nun nach einer schlichten
Currywurst zurücksehnt "Wie man sie an Büdchen am
Frankfurter Straßenrand kaufen kann", der seine Liebe
zur Literatur entdeckt und zur klassischen Musik bewahrt hat; dem
man selbst die Beteiligung an der OPEC- Operation nachsehen muß,
weil er allen Anfechtungen zum Trotz seinen ursprünglichen
Motiven treu geblieben ist und nun seine Erfahrungen und sein Wissen
als "internationaler Terrorist" zur Verfügung stellt,
um Schlimmeres zu verhindern. So aufgemöbelt wird HJK einem
neuen, internationalen Publikum präsentiert, das weder ihn
noch sein Metier, die Revolutionären Zellen, kennt. Dies ist
der Grund, warum wir zum Thema HJK doch nochmal Stellung nehmen.
Es ist nicht unser Bier, HJK die Show zu stehlen, indem wir seine
Geschichten zurechtrücken, nun statt seiner Version mit unserer
aufwarten. Wer glauben will, was er ohnehin schon weiß, wird
auch nicht durch Gegendarstellungen eines Besseren zu belehren sein.
Wer verunsichert ist, Zweifel bekommen hat, dem ist auch durch Dementis
nicht geholfen. Der möge HJK beim Wort nehmen, um zu wissen,
wo er hingehört:
- im "Spiegel" heißt es, das Prinzip einer Gruppe
wie der RZ sei es, daß ihre "Chefs" keine gefährlichen
Aktionen unternahmen. Der angebliche RZ- Chef Wilfried Böse
ist tot, HJK aber lebt.
- in "Liberation" rühmt er sich, schon vor OPEC
den "Standpunkt des Massakers" bekämpft zu haben.
Im "Spiegel" sagt er über die Diskussion mit den
Mitgliedern der OPEC- Operation lapidar: "Bedenken wurden
nicht geäußert."
- Er wird nicht müde zu verbreiten, daß, wer aussteigt,
liquidiert wird, er deshalb gar keine andere Möglichkeit
hatte, als seinen Bruch mit der Guerilla im "Schutz"
der Sponti- Öffentlichkeit zu vollziehen. Von "Carlos"
erzählt er im gleichen Atemzug, der wäre auch ausgestiegen,
ohne daß ihm offensichtlich ein einziges Haar gekrümmt
worden ist. Außerdem weiß er selbst: "... wenn
wirklich was läuft, habe ich sowieso keine Chance. Also,
wenn die den Buback kriegen oder den Schleyer, dann kriegen die
mich auch." (Spiegel). Drei beliebige Beispiele.
Nicht, daß HJK die Guerilla verlassen hat, ist das Problem,
sondern wie er sie verlassen hat. 1977 haben wir geschrieben: "Da
HJK weiß, daß es die Alternative Fighter oder Bulle
für uns nicht gibt, hätte er mit uns lösen können,
was ihm die Fortführung des bewaffneten Kampfes verunmöglichte,
wie er aussteigt, wie seine Zukunft zu sichern ist. Wir, er, die
Linken wissen, daß das Verlassen der Guerilla selbstverständlich
immer möglich ist. Jeder, jede hat die Möglichkeit unauffällig
zu leben und zwar mit Unterstützung von allen, mit denen er
vorher gekämpft und gelebt hat. Das weiß jeder, der diese
Politik anfängt. Gerade HJK hätte viele Möglichkeiten
gehabt. Wie schon viele vor ihm." Sicher, aber unauffällig
leben - das war nicht nach dem Geschmack von HJK. Er war und ist
nach wie vor nicht fähig, den Weg zu gehen, den wir ihm vorgeschlagen
haben. Er hat nicht die Stärke von Astrid Proll [11],
die sagt: "Während der letzten Jahre habe ich mich niemals
dafür entschieden, Interviews aus dem Dunklen zu geben und
die Leute aufzufordern: Werft die Waffen weg!, weil ein Akt wie
dieser nur aus Papier ist. Er bereichert seine und ihre Perspektive
nicht, es behindert sie oder ihn eher. Statt dessen bildete ich
mich mit EG- Geldern aus und versuchte, etwas anderes zu machen -
und ich tat es." HJK hat einen anderen Weg gewählt. Er
hat sich aus der Guerilla fortgestohlen, um wieder die Trommel rühren
zu können, wenn auch in einem anderen Takt. Dadurch, allein
dadurch ist er zum Problem geworden. Dem teuflischen Zwang ausgesetzt,
immer neue "Wahrheiten", Anekdoten, Stories bringen zu
müssen, um sein Publikum bei Laune zu halten, hat er die Grenze
zum Verrat längst überschritten. Nichts ist zu schäbig,
keine Lüge zu gemein, kein Tratsch zu lächerlich, keine
Projektion zu niederträchtig. The show must go on, der Rubel
muß rollen. Als wäre er noch imstande zu unterscheiden,
wo Kritik aufhört und Denunziation beginnt. Daran ändert
auch die hundertfache Beteuerung des Gegenteils nichts. Verrat beginnt,
wo er bereitwillig Auskunft über Strukturen, über innere
Zusammenhänge, über den Hergang von Aktionen, über
Logistik, über Bewegungen von Genossen gibt, die gesucht werden.
Verrat beginnt letztlich, wo er seinen Drang zur Selbstdarstellung,
den er kennt, akzeptiert. Dies sollten vor allem HJKs Marktstrategen
wissen, die ihn in diesem Drang solange bestärken, wie er für
ihre Interessen verwertbar ist und zugleich glauben, sich aus ihrer
Verantwortung stehlen zu können, sobald sich seine Schwatzhaftigkeit
nicht mehr als politische Kritik verkaufen läßt.
Ihm diesen Drang als seine politische Identität abgenommen
zu haben, ist unser Fehler, ist Ausdruck dessen, wie schwer wir
uns tun, unseren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Genauigkeit
im Umgang miteinander, Offenheit und gegenseitiges Vertrauen, bedingungslose
Solidarität gegenüber jedem, der mit uns kämpft,
sind mehr als jede Logistik, mehr als jede erworbene Fähigkeit
Existenzbedingung der Guerilla - HJK ist ein beredtes Beispiel dafür.
Wir haben seinen verzweifelten Zwang, immer der "King"
sein zu müssen, stillschweigend geduldet, weil wir uns opportunistisch
zu seiner proletarischen Herkunft verhalten haben. Wir haben ihm
seine Großmäuligkeit durchgehen lassen, weil uns seine
Radikalität auch fasziniert hat. Wir haben seine Sprüche
hingenommen, weil er auch was gemacht hat. Wir haben zu wenig, zu
oberflächlich nach seinen Beweggründen gefragt, weil es
leichter war, auf ihn abzufahren. Weil dies unsere Fehler sind,
macht uns seine Geschichte und sein jetziges Verhalten eher betroffen,
als daß wir ihn hassen. Es gibt keinen Grund für Selbstgerechtigkeit,
wenn man mitverantwortlich ist für die Illegalität von
jemandem, der weder dies noch bewaffnete Politik jemals ernsthaft
gewollt hat. Es mischt sich darin auch heute keine Schadenfreude;
es wäre besser für alle, HJK säß wieder in
seiner Frankfurter Stammkneipe.
Wie wenig HJK begriffen hat, was die Politik der Revolutionären
Zellen ist, davon zeugt sein Interview mit "Liberation".
Für ihn - ebenso wie für "Liberation" - ist
es der "kleine Krämer im Böse", wenn Genossinnen
und Genossen der RZ über Aktionen gegen Fahrscheinautomaten
des öffentlichen Nahverkehrs diskutieren, wenn sie andere Möglichkeiten
der Geldbeschaffung überlegen, als die des Banküberfalls.
"Kleinkrämerei", weil es nicht in das Klischee von
der Eigendynamik bewaffnet kämpfender Gruppen paßt, die
diese unumstößlich in eine militaristische Politik treibt.
Für ihn reduziert sich der Unterschied zwischen den drei deutschen
Bewegungen der bewaffneten Linken auf ihr Verhältnis zur Illegalität.
Die RZ seien nicht dafür, systematisch in den Untergrund zu
gehen. Als sei dies allein eine strategische Frage, die die Existenz
von drei verschiedenen Gruppen begründen könnte.
Wer unsere Politik kritisieren will, kommt an unserer Praxis nicht
vorbei. Diese Praxis ist überprüfbar. Die 70 bis 80 Aktionen
der RZ seit 1973 zeigen zumindest eines: sie waren und sind Bestandteil
eines Konzeptes, in dem illegale, gewaltsame Aktionen nach ihrem
politischen Stellenwert durchgeführt werden.
Wir führen keinen Krieg. Auch der Vernichtungswille des Staates
wird uns nicht zum militärischen Schlagabtausch provozieren,
in dem wir ohne Massenbewegung in der BRD keine Chance hätten.
Der Grund für die Existenz und Praxis der bewaffneten Gruppen
liegt in der Tendenz der präventiven Konterrevolution, die
Legalität politischer Betätigung einzuschränken,
revolutionäre Minderheiten zu liquidieren, die Mehrheit zu
überwachen und zu kontrollieren.
Jede der politisch bedeutsamen Bewegungen der letzten Jahre ist
an einen Punkt geraten, wo für sie nur noch die Alternative
zwischen Resignation und Rückzug oder militärischer Eskalation
bestand. Dies gilt für die spontanen Streiks 1973, für
den Häuserkampf 1974/75, die Demonstrationen gegen Fahrpreiserhöhungen
zuletzt im Jahr 75, für die Anti- KKW- Bewegung 1977, auch teilweise
für die Frauenbewegung. Alle diese Bewegungen sind in die Defensive
geraten.
Die Organisierung und Vorbereitung der Illegalität bedeutet
nicht, auf legale, offene Arbeit zu verzichten. Vielmehr wollen
wir dadurch erreichen, der Sackgasse von Resignation oder Massaker
ausweichen zu können, weiterhin trotz der massiven Repression
in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen den Feind angreifen
zu können. Die Isolierung der Guerilla, in die sie sich mit
der Form ihrer Organisierung begibt, ist nicht hauptsächlich
durch "gewaltige Schläge" zu überwinden, sondern
durch die Zustimmung zu ihrer Politik, durch die politische Weiterentwicklung
der Vielen, durch eine Vermassung ihrer Organisations- und Aktionsformen,
durch die Entstehung vieler selbständiger politisch- militärischer
Kerne kurz: durch eine revolutionäre - und das heißt
auch militante - Bewegung des Volkes.
Die militärischen Aktionen müssen deswegen auch in einem
genauen Verhältnis zum öffentlichen Bewußtsein stehen
und erfahren von daher auch ihre Akzente und Begrenzungen. Die Reaktion
des Staates auf die Existenz der Guerilla ist gerade der Versuch,
das militärische Moment vom politischen zu trennen, um damit
eine Legitimation für den staatlichen Krieg gegen die Fundamentalopposition
zu haben. Wir kämpfen auch nicht um die Macht. Es geht nicht
darum, in der Metropole die staatliche Bürokratie auszutauschen,
sondern um die Zerstörung von politischen, wirtschaftlichen
und ideologischen Strukturen. Der Weg dorthin wird mit einem "Aufstand"
weder begonnen noch abgeschlossen. Eine solche Entwicklung kann
nur dann erfolgreich sein, d.h. weder in faschistischer Barbarei
noch im Staatskapitalismus enden, wenn sie als langanhaltender Zersetzungsprozeß
auf allen Ebenen vor sich geht, wenn gegen die Verstaatlichung der
Gesellschaft, die Institutionalisierung der Organisationen, die
Parlamentarisierung der politischen Auseinandersetzung Volksmacht,
Gegenmacht entwickelt wird. In der BRD geht es dabei heute kaum
um reale Machtpositionen, es geht um symbolische, zeitweilige Gegenmacht,
um die Aufrechterhaltung und Stärkung des Moments der Revolte,
des Widerstandes. Gleichzeitig kämpfen wir heute im Modell
Deutschland gegen ein Europa unter amerikanisch- deutscher Hegemonie,
für ein Europa freier Völker, das ohne die Zerschlagung
der BRD eine Fiktion bleiben wird. Wer diesen Weg des Widerstandes
nicht gehen will, diese Hoffnung auf eine revolutionäre Zukunft
nicht leben kann, sollte dann der Linie der eurokommunistischen
Parteien [12]
folgen, der Linie des Kompromisses mit dem Imperialismus, der Unterordnung
der Linken unter die reaktionären Sektoren der Gesellschaft.
Aktionen und politische Positionen von Revolutionären Zellen
zu schildern, kann und soll weder entwickelte theoretische Positionen
noch ungebrochene, unablässige Praxis vorspiegeln. Die RZ verfügen
über eine 5jährige Praxis in der Organisierung der Illegalität,
ihre Aktionen und politischen Interventionen sind dennoch nur eine
sporadische Realität der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
in der BRD. Dennoch können einige Momente dieser Linie und
ihrer praktischen Umsetzung festgehalten werden:
(1)
Die Methode der Illegalität erlernen,
illegale Organisationsformen aufbauen, die Linke auf die Illegalität
vorbereiten.
(2)
Theoretisch und praktisch in die Bewegung intervenieren,
die Bewegungen gegen die Gewalt des Staates unterstützen,
den Widerspruch von politischem Anspruch und praktischer Defensive
aufgreifen. Seit zwei Jahren haben RZ in vielen Städten der
BRD begonnen, Aktionen gegen die Betreiber, Propagandisten,
wissenschaftlichen Wegbereiter und Bullen des Atomfaschismus durchzuführen;
auch, um damit der Fixierung der Anti- AKW- Bewegung auf die Bauplätze
entgegenzuwirken; auch, um dabei zu helfen, die an die Grenzen der
Repression gestoßene, offene, massenhafte Militanz der Bewegung
in der vielfältigen Subversion fortzusetzen. Als 1975 in mehreren
Städten der BRD die Demonstrationen gegen Fahrpreiserhöhungen
von der Polizei niedergeknüppelt wurden, haben RZ in Westberlin
120.000 gefälschte Fahrkarten verteilt. Auch in den folgenden
Jahren wurde dem allgemeinen Protest gegen die Fahrpreise, gegen
die schlechten Beförderungsbedingungen usw. mit der Zerstörung
der Fahrscheinautomaten, dem Niederbrennen der Schwarzfahrerkarteien
in Berlin und Frankfurt Ausdruck verliehen. Im Jahr 1977 hat eine
RZ dem verantwortlichen Vorsitzenden der Frankfurter Anwaltskammer
eine Bombe vor das Schlafzimmer gelegt, nachdem die Mobilisierung
eines Teils der Linken gegen Berufsverbote für linke Rechtsanwälte
wieder abgeflaut war. Dem größten und übelsten Spekulanten
der BRD, der sich gern mit dem Nimbus der Unangreifbarkeit schmückte,
wurde in sein schwerbewachtes Wohn- und Verwaltungsgebäude
ein dickes Loch gesprengt - sehr zum Wohlgefallen all derer, die
in Kaußen- Häusern zur Miete wohnen müssen.
(3)
Der Resignation und Ohnmacht entgegenwirken.
Der
scheinbar allgewaltige gesellschaftliche und staatliche Apparat
in der BRD vermittelt auch der Linken massive Ohnmachtsgefühle.
In den Mord- und Repressionskampagnen gegen die Linke werden diese
Gefühle zelebriert, verstärkt oder befestigt. Auf den
Mord an Ulrike haben RZ mit Angriffen auf das Oberlandesgericht
Hamm und auf das amerikanische Hauptquartier in Frankfurt, das zugleich
die größte CIA- Station außerhalb der USA ist,
geantwortet. Als trotz einer massiven Kampagne der Frauenbewegung
für eine Aufhebung des Abtreibungsverbots das höchste
Gericht der BRD 1975 gegenteilig entschied, haben Frauen der RZ
in dieses Gebäude eine Bombe gelegt.
(4)
Den Legalismus im deutschen Volk und in der Linken auflösen.
Die Deutschen sind ein entsetzlich gesetzestreues Volk. Schon kleine
Übertritte fallen schwer. Diesen Legalismus aufzubrechen, war
ein Ziel beim Verteilen gefälschter Fahrkarten. Eine andere
RZ hat ebenfalls in Westberlin gefälschte Essensgutscheine
an Sozialhilfeempfänger ausgegeben. Als wegen ihrer Einlösung
einige bestraft werden sollten, hat eine RZ dem zuständigen
Richter und Staatsanwalt die Autos angesteckt. Die Aneignung des
gesellschaftlichen Reichtums setzt den Bruch mit der bürgerlichen
Gesetzlichkeit voraus, Aktionen wie diese sind ein kleiner Schritt
dazu.
(5)
Einzelne bestrafen, um viele zu verunsichern.
An vielen Punkten haben wir die kleinen Feinde des Volkes angegriffen,
die anonymen Bürokraten und Schinder. In Westberlin wurde einem
Staatsverteidiger im Schauprozeß gegen die Genossen der "Bewegung
2. Juni" in die Beine geschossen. Dem für die Maßnahmen
gegen die Kalkar [13]- Demonstranten
verantwortlichen Duisburger Polizeipräsidenten wurde der Mercedes
angesteckt, ebenso anderen, die für den Abriß von Jugendzentren,
für Entlassungen verantwortlich waren.
(6)
Durch illegale Propaganda Gegenöffentlichkeit herstellen.
Die bürgerliche Öffentlichkeit und zunehmend mehr ein
Teil der linken Öffentlichkeit unterschlagen die Existenz der
RZ bzw. sie bereiten deren Praxis nach den Rezepten ihrer Giftküchen
auf. Durch Flugblätter, Zeitungen, illegale Radiosendungen
haben RZ begonnen, staatliches und linksfraktionelles Informationsmonopol
zu durchbrechen.
(7)
Gegen die Internationale des Kapitals eine antiimperialistische
Praxis entwickeln.
Daß die Linke es nicht den Imperialisten überlassen
sollte, welche Teile der Erde sie zum Kriegsgebiet erklären
und wo ihre befriedeten Rückzugspunkte sind, war ein wesentlicher
Bestandteil des Selbstverständnisses der Studentenbewegung;
daß andererseits eine revolutionäre Bewegung, die an
den nationalen Grenzen haltmacht, perspektivlos bleiben muß,
ist eine Binsenwahrheit. Befreiungsbewegungen in den unterentwickelt
gehaltenen Ländern können nur erfolgreich sein, wenn sich
in den Metropolen der Internationalismus praktisch entfaltet; umgekehrt
ist die Befreiung hier untrennbar verbunden mit revolutionären
Initiativen in der Dritten Welt. Die Linke in der BRD ist sich dieses
Zusammenhangs bewußt, eine praktische Dimension hat dieses
Bewußtsein jedoch kaum noch. Das Fehlen einer antiimperialistischen
Praxis der Linken kann unsere Betroffenheit über die Massaker
des Imperialismus, die Ausbeutung der Menschen und der Ressourcen,
über täglichen Hunger, Elend, Krankheit als Folge des
imperialistischen Kalküls nicht beschwichtigen. Seit 1973 haben
RZ deshalb immer wieder Aktionen gegen Niederlassungen imperialistischer
Staaten und faschistischer Diktaturen in der BRD unternommen. Sie
haben ITT und Institutionen des faschistischen Chile angegriffen;
sie haben Bomben gelegt gegen militärische Anlagen, Kasinos,
das Hauptquartier der US- Armee. Vor kurzem zerstörte eine RZ
in der Nähe von Bremen ein für eine Anti- Guerilla- Einheit
bestimmtes Gebäude schon vor deren Einzug. Gerade wegen der
Verbrechen des Faschismus am jüdischen Volk haben wir Aktionen
gegen den Zionismus, seine staatlichen Institutionen, seine Firmen
und Gesellschaften in der BRD durchgeführt; denn die Zionisten
betreiben heute mit amerikanischer und deutscher Unterstützung
Völkermord an den Palästinensern, dessen Opfer die Juden
vor 40 Jahren geworden sind.
Neben dem Kampf im eigenen Land hat der antiimperialistische Kampf
seit 15 Jahren eine weitere Dimension. Che Guevara hat den revolutionären
Internationalismus in den 60er Jahren inspiriert; entsprechend der
Parole "Schafft zwei, drei, viele Vietnam" den Kampf dort
geführt, wo er geführt werden mußte. In den 70er
Jahren ist die Führungsrolle bei der Organisierung multinationaler
Gruppen von der lateinamerikanischen Guerilla auf die Palästinenser
übergegangen. Der palästinensische Revolutionär Wadi
Haddad hat im Rahmen dieses Konzeptes, nämlich die ganze Welt
zum Aktionsfeld des antiimperialistischen Widerstands zu machen,
einen Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit der Befreiungsbewegungen
zu leisten, eine große Bedeutung.
(8)
Die gefangenen Kämpferinnen und Kämpfer befreien. [14]
Jede radikale Bewegung, der es ernst ist, weiß, daß
sie repressiven Angriffen ausgesetzt sein wird. Die Linke in der
BRD, besonders die bewaffnete Linke, macht da keine Ausnahme. Ebenso
klar ist, daß denen, die im Magen des Haies gequält werden,
die dort einen langsamen Tod sterben sollen, in Zeiten des zugespitzten
Konfliktes auch ermordet werden, unsere besonderen Überlegungen
und Anstrengungen gelten. Verschiedene Versuche sind gemacht worden,
die gefangenen Genossinnen und Genossen zu befreien, nur wenige
waren erfolgreich. Dabei steigt ihre Zahl ständig; zu den über
120 Gefangenen aus Gruppen der bewaffneten Linken kommen mindestens
ebenso viele, die wegen Kriegsdienstverweigerung, wegen "Landfriedensbruch",
wegen anderer politischer "Delikte" im Knast sitzen.
Die Ereignisse des "Deutschen Herbstes", die faschistoide
Entschlossenheit des polizeilich- politischen Führungszentrums,
Befreiungsversuche der Guerilla um jeden Preis zu vereiteln, hat
uns erschreckt und macht uns noch mehr Bangen um das Leben unserer
Freunde und Genossen in den Knästen.
Fast jede Befreiungsaktion unterliegt Bedingungen, die wir nicht
wollen: eine Machtauseinandersetzung zwischen Staat und Guerilla.
Dies kann und darf nicht heißen, daß der Zweck die Mittel
heiligt. Auch Befreiungsaktionen dürfen nicht zur Identifizierung
des Volkes mit dem Staat führen, dürfen nicht in Widerspruch
zu unseren politischen Perspektiven stehen, dürfen sich nicht
gegen das Volk richten. Dennoch gibt es für eine kämpfende
Bewegung aus diesem Dilemma keinen Ausweg: die politischen Gefangenen
müssen befreit werden.
Von
all dem, was wir beschrieben haben und was Realität wie Kontinuität
ausmacht, findet sich kein einziges Wort - bei HJK nicht und in
den Fragen von "Liberation" auch nicht. Nicht die RZ als
Bestandteil der radikalen Linken in der BRD interessieren, von Interesse
ist, was sich gegen die RZ verwenden läßt. Darin unterscheidet
sich "Liberation" nicht von HJK. Ginge es euch ernstlich
um Kritik, ihr wüßtet, daß ihr das Interview durch
den Kamin jagen könntet. Statt dessen strapaziert ihr "Argumente",
die so abgestanden, so verbraucht sind, daß wir darauf nicht
mehr einzugehen bereit sind. "Reden über Dinge, die durch
Reden nicht zu lösen sind, muß man sich abgewöhnen."(Bert
Brecht). [15]
Wer behauptet, daß die "Logik der Waffen" unser
Handeln bestimmt, beweist nichts, außer daß er nicht
eine Aktion der RZ zur Kentnnis genommen hat. Wem zu unserer Praxis
nur einfällt, sie würde die präventive Konterrevolution
provozieren, der soll dann auch den jüdischen Antifaschisten
Herschel Grynspan [16]
für das Judenpogrom 1938 in Deutschland verantwortlich machen,
der glaubt sicher auch, das Attentat von Sarajewo [17]
habe zum ersten Weltkrieg geführt. Wer unterstellt, die westdeutschen
Guerillagruppen seien gekaufte Söldner des palästinensischen
Widerstands, der projiziert den Rassimus des weißen Herrenmenschen
(der in der Tat auf ein Heer von Söldnern angewiesen ist) auf
die Völker, die sich eben davon befreien. Wem zu den Problemen,
die ein Leben in der Illegalität mit sich bringt, nichts anderes
einfällt, als daß sie zwangsläufig bürgerliche
Verhaltensweisen und autoritäre Strukturen zur Folge haben,
dem sprechen wir ein Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung
ab. Das ist Dreck, der auch nicht dadurch besser wird, daß
ihn der Abwechslung halber mal "Liberation" in den Mund
nimmt.
Welches Interesse habt ihr, hat "Liberation", hat "Lotta
Continua" [18],
wenn ihr HJK für euch sprechen laßt? Ihr wollt die Guerilla
zur Raison rufen oder richtiger - ihr wollt, daß die Akteure
wieder in den Kulissen verschwinden, daß sie wieder "Deckchen
sticken". Weil für euch die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
ein Stadium erreicht haben, in dem ihr nicht mehr fragt, wer für
die gesellschaftliche Gewalt verantwortlich ist, sondern einzig
und allein, wer aufhört. Es soll wieder Ruhe einkehren, nicht
die tödliche Stille faschistischen Terrors, wohl aber der bürgerliche
Frieden. Ihr wollt die Guerilla zurückpfeifen, weil ihr insgeheim
hofft, daß dann auch der Staat zu seiner "Rechtmässigkeit"
zurückfinden würde. Andererseits müßt ihr die
Guerilla angreifen, weil ihr um eure Ohnmacht wißt, den Staatsapparat
zur Vernunft zu bringen. Als wäre das Problem der Faschisierung
dadurch zu lösen, daß die, die sich wehren, sich zur
Ruhe setzen. Der bürgerliche Frieden ist bewaffneter Frieden;
daß Krieg ist, in verschiedenen Formen zwar, aber dennoch
Krieg, ist doch nicht die besondere Hinterhältigkeit, eine
gemeine Erfindung der Guerilla gegen die legale Linke, sondern Ausdruck
der Gewalt, mit der die Internationale der Menschenfresser ihre
Einflußzonen freizuhalten versucht. Glaubt ihr ernsthaft,
wir könnten Situationen wie in Nicaragua, wie im Iran, wie
in Rhodesien oder wie im Nahen Osten vermeiden und dennoch gleichzeitig
den revolutionären Weg gehen? Die Vorstellung, die Herren würde
ihre Postionen qua Mehrheitsentscheid räumen, ist verlockend;
danach zu leben, ist korrumpierend oder tödlich.
Daß wir Niederlagen einstecken müssen - Mord, und Folter
an unseren Genossen, Verrat, Verhaftungen, Illegalisierungen - kann
kein Grund sein, an der Rechtmäßigkeit unseres Vorhabens
zu zweifeln. "Sind wir eure Feinde, die wir Feinde des Unrechts
sind? Wenn die Kämpfer gegen das Unrecht besiegt sind, hat
das Unrecht doch nicht Recht! Unsere Niederlagen beweisen nichts,
als daß wir zu wenige sind, die gegen die Gemeinheit kämpfen
und von den Zuschauern erwarten wir, daß sie wenigstens beschämt
sind." (B.B.) Wenn ihr es statt dessen zu eurer Sache macht,
die ohnehin dünne Basis der Guerilla anzugreifen, kann euch
letztlich keiner daran hindern. Aber ihr solltet wissen, in wessen
Fußstapfen ihr tretet.
Ihr werdet euer Publikum finden und gefunden haben. Die Zeiten
sind günstig für euch. In der BRD sind es diejenigen,
die von der "Allmacht" des staatlichen Gewaltapparats
überrascht worden sind, denen der "Deutsche Herbst"
fürs erste jeden subversiven Gedanken ausgetrieben hat; die
sich wie wir auch Illusionen über den Gang der Revolte gemacht
haben und nun schon am Ende aller Träume angekommen sind. Sie
haben ihre Hoffnungen vertagt, wenn nicht begraben. Aber anstatt
über Konsequenzen nachzudenken, kehren sie den Spieß
um; anstatt aus ihrer Hoffnungslosigkeit keinen Hehl zu machen,
dazu zu stehen, zetern sie gegen die los, die nicht ihren Weg gehen.
Anstatt neue Lösungen zu suchen, machen sie selbst aus ihrem
Rückzug noch Strategie.
Euer Interview ist ihnen Genugtuung und Legitimation zugleich.
Es trägt dazu bei, daß die Probleme, die auf den Nägeln
brennen, erfolgreich verdrängt werden; es verhindert, daß
Fragen gestellt werden, die gestellt werden müssen, z.B.:
- Mit welcher Perspektive tretet ihr noch an? Gibt es für
euch noch eine Perspektive von Macht und Gegenmacht? Und wenn
ja, welche Möglichkeiten seht ihr, um aus der Situation der
strukturellen Unterlegenheit der Linken rauszukommen? Was habt
ihr der bewaffneten Übermacht des Staatsapparates engegenzusetzen?
- Auf welche gesellschaftlichen Auseinandersetzungen bezieht ihr
euch noch und wie begreift ihr eure eigene Identität im Verhältnis
zu den kleinen Revolten, den Unruheherden, dem Protest, der noch
nicht abgeflaut ist? Habt ihr die Arbeiterbewegung abgeschrieben?
Wenn ja, gibt es überhaupt noch eine Kraft, auf die ihr euch
stützt? Welche Rolle spielen die Befreiungsbewegungen in
euren Überlegungen?
- Was heißt es für euch, daß einer legalen Massenbewegung
die Entwicklungsbedingungen schon im Vorgriff abgeschnitten werden,
daß der Spielraum politischen Handelns auf das reduziert
wird, was ohnehin konform ist und zugleich Konformität mit
Staatstreue identifiziert wird? Wie wollt ihr den Schwierigkeiten
begegnen, die aus der Illegalität herrühren, in die
die Linke absehbar gedrängt wird? Schwierigkeiten nicht nur
des Handelns, sondern auch der Kommunikation, des Erfahrungsaustauschs,
der Entscheidung, des Miteinander- Kämpfens?
- Welche Schlußfolgerungen zieht ihr aus euren eigenen
Analysen? Daß, seitdem wir die Ruinierung des Ökosystems
bewußter wahrnehmen, der Faktor Zeit in all unseren Überlegungen
eine ganz neue Dimension bekommen hat? Welchen politischen Sinn
gibt es, von Ökofaschismus zu reden, ohne die Konsequenzen
mitzudenken? Was kommt nach Malville [19],
was nach Grohnde und Kalkar?
- Was habt ihr aus Chile, aus Portugal gelernt? Was ist eure Antwort
auf die Kämpfe in Südafrika, im Iran, im Libanon - Länder,
in denen der Imperialismus keineswegs vor seiner endgültigen
Niederlage steht, sondern an der Schwelle zur kriegerischen Intervention,
der gegenüber all die Barbarei der letzten Jahre ein Scharmützel
gewesen sein wird. Wird die französische Linke dem absehbaren
Angriff des französischen Imperialismus tatenlos zusehen,
wie seinerzeit der blutigen Intervention in Algerien? [20]
Dies ist nur ein Teil der Fragen, die wir an euch haben, die wir
uns selbst stellen. Wir behaupten nicht, die Antworten zu wissen;
aber wir beanspruchen, durch unsere Praxis auf diesen Fragen zu
beharren, um eine Lösung zu finden.
Es gibt keine Garantie auf Erfolg. Wer sich fürchtet, auf
der Seite der Verlierer zu stehen, wird auch nie gewinnen. Wir wissen
ebenso wenig wie ihr, ob historische Legitimität als Bedingung
und Subjektivität als Motor bewaffneten Widerstands der Totalität
des Staates auf Dauer gewachsen sein werden. Wir wissen nicht, ob
es gelingt, die Basis des Widerstands entscheidend zu verbreitern
oder ob die Kolonialisierung der Köpfe so weit fortgeschritten
ist, daß sich das deutsche Volk noch einmal einer faschistischen
"Lösung", wenn auch unter veränderten Vorzeichen,
anschließt. Es wäre nicht nur unehrlich, sondern selbstmörderisch
zu behaupten, wir hätten alle Probleme, die aus der Organisation
der Illegalität folgen, im Griff.
Dennoch: schon einmal - 1933 - hat die organisierte deutsche Linke
klein beigegeben. In der Hoffnung, der Nazismus ginge an sich selbst
zugrunde, haben SPD und KPD auf eine Organisation des Widerstands
verzichtet; auch weil ihnen das Risiko von 10.000 Toten im Kampf
gegen den Faschismus ein zu hohes Opfer schien, standen am Ende
die 56 Millionen Tote des 2. Weltkrieges. Noch einmal werden wir
uns nicht dem Vorwurf aussetzen, wir hätten etwas unversucht
gelassen!
Revolutionäre Zellen
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