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RZ / Rote Zora

Krisen und Brüche

Wilfried BöseUnmittelbar nach dem Tod ihrer beiden GenossInnen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann in Entebbe machten die RZ in der BRD zunächst weiter, als wäre nichts geschehen. In Köln attackierte man die Privatwohnung des Spekulanten Kaußen, in Frankfurt ging die Schwarzfahrerkartei des örtlichen Verkehrverbundes in Flammen auf und das US- Offizierskasino der Rhein- Main- Airbase wurde durch eine Bombe zerstört. Wer nach einen Hinweis sucht, welche Spuren der Einbruch hinterlassen hatte, muss schon mit der Lupe danach suchen. In der öffentlichen Auseinandersetzung mit OPEC und Entebbe reagierten die RZ wie ein Schuljunge, der bei einem üblen Streich ertappt wird und hofft, dass die Sache nicht an die große Glocke gehängt wird. Da die Aktionen in der westdeutschen Linken nicht weiter reflektiert wurden, hüllte man sich selbst ebenfalls in Schweigen, um zu vermeiden, dass die Debatte mit Verzögerung doch noch losgetreten wurde. Natürlich hat es dafür Gründe gegeben, die mit der eigenen Sicherheit sowie mit Zusagen gegenüber den anderen zu tun hatten. Sicher ist aber auch, dass das Stillschweigen den RZ nicht ganz ungelegen kam. Eine politische Auseinandersetzung über die beiden Aktionen sowie über die nunmehr offenkundige Einbindung der RZ in von Palästinensern dominierte Strukturen hätte dem Projekt einer "populären" Guerilla wohl auch eher geschadet als genützt.

Um so heftiger entbrannte der interne Streit. Das Gemisch aus Trauer um die getöteten Freunde und Enttäuschung über den realen Ablauf der Aktionen, der den eigentlichen Planungen ja nur zum Teil entsprochen hatte, erwies sich als explosiv. Das Ziel der Aktion, die Befreiung von Gefangenen, war gescheitert. Es hatte sich herausgestellt, dass dies zwar die eigene Priorität, nicht aber die der beteiligten Palästinenser gewesen war. Für diese galt der Schlag gegen Israel an sich bereits als Erfolg. Nun rächte sich, dass die politische Kontroverse, die sich hinter derartig unterschiedlichen Prioritäten verbarg, nicht ausgetragen worden war. Statt dessen musste man sich eingestehen, dass die Vorstellung, man könnte aus unterschiedlichen Positionen heraus solidarisch und gleichberechtigt zusammenarbeiten, reichlich naiv gewesen war. Die RZ waren letztlich zum Anhängsel anderer Interessen geworden und verfügten in dieser Konstellation nicht über die Mittel, um die Initiative selbst in die Hand zu nehmen. Wie im wirklichen Leben bestimmte auch hier der Stärkere, wo's lang ging.

Und wie im wirklichen Leben auch entlud sich der innere Druck in einem heftigen Krach, der zu jenem Zerwürfnis führte, das derzeit fälschlicherweise oft als Spaltung der RZ in einen Inlandsflügel und einen internationalistischen Flügel dargestellt wird und das richtiger als vorübergehende Trennung zu bezeichnen ist. Für eine echte Spaltung war 1976 auch gar keine Zeit. Denn noch ehe die inhaltlichen Probleme benannt waren, und ehe die katastrophalen Folgen der Aktionen offen zutage getreten waren, hatte man sich über die Frage zerstritten, ob und wie man den Tod der Genossen vergelten könnte. Während der eine Teil zunächst an dem eingeschlagenen Weg festhalten wollte und sich für eine schnelle und harte Reaktion stark machte, auch um die Option für zukünftige Befreiungsaktionen offen zuhalten, plädierte die andere Fraktion für einen sofortigen Abbruch dieses Kontaktes und für eine deutliche Orientierung an den Bedingungen in der BRD unter den hier gegebenen Umständen.

Wadi HaddadMan sollte sich aber davor hüten, eine dieser Fraktionen als die Guten und die andere als die Bösen zu etikettieren. "Die andere Fraktion" hatte zweifellos das Verdienst, die Hardliner außer Gefecht zu setzen, indem sie ihnen das Material mopste. So wurde eine weitere sinnlose Eskalation, und vielleicht ein weiterer Schlag, dessen man sich heute schämen würde, verhindert. Andererseits waren es die Hardliner, denen als erste der Schreck über ihre antiisraelitische Verstrickung in die Glieder fuhr, und die diesen Schreck in ein Projekt zur Überstellung einer Majdanek- Angeklagten nach Polen umsetzten - auch eines der Vorhaben, die nie durchgeführt wurden, und gerade dieses hat in der Tafel der Anschläge so sehr gefehlt!

Die eigentliche Spaltungslinie verlief woanders und sollte erst 1982 durch den Bruch mit der "Gruppe Internationaler Revolutionäre", die nach dem Tode Wadi Haddads entstanden war und zu der es vor allem persönlich motivierte Verbindungen gab, endgültig gezogen werden - zu einem Zeitpunkt übrigens, als die beiden Fraktionen, von denen eben die Rede war, nach einer Phase der Neuorientierung und Reorganisation bereits wieder zusammenarbeiteten.

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