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RZ / Rote Zora

Auf ins wirkliche Leben

zu: "this is not a love song" von einer RZ- Gruppe aus dem Traditionszusammenhang (s. Interim Nr. 155 11)

Auch wir finden eine Diskussion um Politik und Moral, mehr aber noch über Praxis, Sinn und Zielrichtung militanter und bewaffneter Aktionen, unumgänglich.

Allerdings stellen wir uns die Diskussion und auch die, sicher oft berechtigte, Kritik an gelaufenen Aktionen doch reichlich anders vor: Für uns ist es unmöglich, die grundlegend verschiedenen Angriffe derartig zusammen zu würfeln, auf eine Ebene zu stellen und niederzumachen. Für uns bestehen zwischen den Schüssen auf die US-Botschaft, den Anschlägen der RZ's auf die Siegessäule und den Reichstag und dem Mord an Hanno Klein kaum Gemeinsamkeiten.

Wir wollen daher versuchen kurz zu skizzieren, was diese Aktionen für uns bedeutet und in uns ausgelöst haben, und was wir von Eurer Kritik halten:

Zu den Schüssen der RAF auf die US-Botschaft in Bonn, 2/91:

Wir haben uns darüber gefreut, weil wir gesehen haben, daß die GenossInnen aus der RAF auch ihren Teil am Antikriegsgeschehen bringen, daß sie, die sie wahrscheinlich von den Ereignissen genauso überrollt wurden wie wir, versucht haben schnell und mit den Mitteln, die ihnen gerade zur Verfügung standen, was zu machen.

Sicher hatten die Schüsse "nur" einen symbolischen Charakter, aber Schüsse auf eine US-Botschaft vermitteln sich selbst und stehen in einer Reihe mit anderen Angriffen, auch und gerade außerhalb der Metropolen, gegen Botschaften und andere US-Einrichtungen. Daß es in der BRD Schüsse auf die US-Botschaft gab, ist sicher auch über die Grenzen hinaus bekannt geworden. So konnte den Menschen im Trikont und besonders im arabischen Raum gezeigt werden, daß sich auch in den Metropolen Menschen mit ihnen solidarisieren. Die Aktion war somit, wenn auch nur ein schwacher, Ausdruck internationaler Solidarität und muß auch so gesehen werden. Mehr war anscheinend in dieser Zeit nicht möglich. Ob dabei Blut von den Schweinen gespritzt ist oder sie anders massiv getroffen wurden, finden wir dabei nicht so wichtig.

Wichtig war und ist uns daran, daß sie das gemacht haben und dazu, bis auf ihre Einschätzung der Anti- Kriegsbewegung, einen verdammt gute und verständliche Erklärung geschrieben haben.

Wahrscheinlich ist 'in den meisten Köpfen davon aber mittlerweile kaum mehr als die, natürlich fatale, Namensverwechslung hängengeblieben. (Wieso stürzen wir uns eigentlich so sensationsgeil auf die Fehler?!)

Und wieso stürzt Ihr Euch so auf die angeblich gefährdete Mahnwache?? Mit der Unterstellung, die GenossInnen hätten "durch den ziellosen Beschuß Menschen aus der Anti- Kriegsbewegung in Gefahr gebracht" baut Ihr mit an dem "terrorisischen Schreckgespenst". Denn so wie Ihr schreibt, hört sich das so an, als wäre die Mahnwache direkt in der Schußlinie gestanden. Fakt war aber, daß die Leuchtspurmunition nicht die "tödlichen Geschosse" entschärfen sollte, sondern deshalb beigemischt wurde, damit keine in die falsche Richtung, in die Schußlinie, läuft. Außerdem kann mensch den Frauen und Männern aus der RAF sicher nicht unterstellen, daß sie nicht wissen, wie sie 'ne Knarre halten müssen und damit ziellos durch die Gegend ballern. Ob frau/ mann die Erklärung dazu allerdings korrekt findet oder nicht ist tatsächlich eine Frage der Herangehensweise und des Hineininterpretierens .(Was wir bei uns selbst gemerkt haben.) Ein "nicht zu überbietender Zynismus" ist sie aber sicherlich nicht!

Ansonsten verstehen wir in keinster Weise, wieso der Beschuß "die endgültige Bankrotterklärung einer gesamten Fraktion der bewaffneten Linken" sein soll. Welche Maßstäbe werden da an diese Fraktion angelegt? Welche Erwartungen an die Guerilla stecken da dahinter? Dürfen sie nichts unter 100.000 DM Sachschaden oder mindestens einer Leiche machen? Oder reicht die Nähe einer Mahnwache schon für die endgültige Bankrotterklärung? Oder sollen diese überspitzten Formulierungen nur provozieren (Scheiße und wir sind drauf reingefallen)?

Wie dem auch sei, ist die Guerilla für uns kein Mythos von den wir was sehen wollen, was die meisten von uns nicht auf Reihe kriegen, sondern kämpfende Menschen, die auch Fehler machen und ihre Aktionsformen verändern können. Wobei wir's natürlich toll fänden, wenn sie auch diese Veränderungen und Entscheidungen, so weit möglich, mehr vermitteln würden.

Mehr wollen wir dazu jetzt nicht mehr schreiben, sondern auf die Diskussion, die darüber in den letzten Ausgaben der Südwind gelaufen ist, verweisen.

Zu dem versuchten Anschlag einer RZ auf die Siegessäule in Berlin, 1/91:

Sicherlich wird diese Aktion in den Top-Ten der Anschläge 1991 keinen Spitzenplatz erringen können, und der BekennerInnenbrief ist auch nicht gerade das, was wir uns unter einem mobilisierenden, aufklärenden und vermittelnden Selbstbezichtigungsschreiben vorstellen. Aber rechtfertigt das die großen Worte von "außerhalb von Zeit und Raum", "unangemessen und lächerlich"? Rechtfertigt das Eure zynische, oberlehrerInnenhafte Niedermache? Unserer Meinung nach nicht, und ganz so wir Ihr das darstellt ist es auch nicht; die Siegessäule ist nicht irgendeine, im Hofgarten eines beliebigen Jagdschlößchen zerbröselnde Statue, sondern tatsächlich ein Symbol und auch eines der Wahrzeichen Berlins. Ein Symbol nicht nur für den deutschen Militarismus, der ja bekanntlich auch nicht 1871 begraben wurde, sondern schlicht und einfach eine verHERRlichung des Krieges, besonders der imperialistischen deutschen Eroberungskriege. Die Revolutionäre Zelle weist auch auf diese Kontinuität hin, die sich in der Umsetzung und Aufstockung 1936 und der neu Vergoldung im letzten Jahr zeigt. Ihr unterschlagt diesen Bezug und begründet damit die angebliche "Lächerlichkeit". Wäre der Anschlag gelungen, hätte er sicher über die Grenzen Berlins hinaus Beachtung gefunden und evtl. auf diese Kontinuität hinweisen und Unruhe verbreiten können.

Brandanschlag einer RZ auf den Reichstag, 6/91:

Die Frage, die sich da für uns stellt ist nicht die nach dem falschen Objekts; wir sehen das Problem hauptsächlich in der falschen Begründung. Das Ziel finden wir richtig, weil der

Reichstag zur Zeit neben dem Brandenburger Tor, das Symbol für die Wiedervereinigung und die damit verbundene Entwicklung ist. Ein Anschlag gegen ihn spricht also unserer Meinung nach ebenfalls für sich.

Aber wieso intervenieren wir gegen den Regierungssitz Berlin? Und erkennen damit an, daß es überhaupt eine Stadt geben muß, in der die fetten Ärsche sitzen? Die ganze, sowieso nur in Ansätzen vorhandene Kampagne gegen den Regierungssitz, hatte den schalen Beigeschmack absoluter Selbstbezogenheit. Unser Kiez, unsere Stadt, und dann müssen wir ja bei jedem Schwein demonstrieren. Für die Menschen die hier, im vereinigten Europa, im Osten Europas und im Trikont ausgebeutet und unterdrückt werden spielt es sehr wahrscheinlich überhaupt keine Rolle, ob die Fäden dafür in Bonn oder Berlin gesponnen werden. Und die Bonzen und Spekulanten, flankiert von dem Olympiahorror, stürzen sich auch so auf die Stadt. D.h. unser Kampf gegen Umstrukturierung, Miete und Olympia muß sich auf andere Punkte und gesellschaftliche Auseinandersetzungen beziehen. Für Fragen, wie der nach dem Regierungssitz, sollten wir da keine Energie verschleudern. Also nicht der Anschlag war "blödsinnig" , sondern die gesamte Mobilisierung um die Hauptstadtfrage. Die Frage nach dem politischen Terrain usw. hätte sich ohne Hauptstadt nicht weniger existenziell gestaltet.

Zum Briefbombenanschlagauf Hanno Klein:

Der Mord an Hanno Klein ist mit derartig vielen Merkwürdigkeiten beladen, daß es absolut unmöglich ist, ihn überhaupt in einem Atemzug mit den anderen Aktionen aufzuführen. Für uns ist in keinster Weise erwiesen, daß diese Aktion aus unserem Spektrum kam. Im Gegenteil würde uns dies sogar ausgesprochen wundern; ehrlich gesagt hätten wir auch reichlich wenig Lust mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten oder in einen Topf geworfen zu werden. Nicht, weil sie dieses Schwein plattgemacht haben, sondern wegen Beliebigkeit mit der sie mit einem Menschenleben umgehen. In diesem Fall können wir uns Eurer Argumentation und den anderen bisher dazu veröffentlichten Papieren voll anschließen. Aber wie gesagt, wir glauben nicht, daß die Aktion aus linken Kreisen kommt. Hauptkriterium dafür ist für uns der BekennerInnenbrief. Er drückt nur eine völlig Härte und Kälte aus, sonst kommt da absolut überhaupt nichts rüber. Beim genaueren Lesen und Analysieren haben sich weitere ungereimtheiten ergeben. Der Anfang mit der Presse, Worte die von uns gewöhnlich in den Zusammenhängen nicht benutzt werden, keinerlei Einheit im Gesamtstil. Es hört sich so an, als wären Teile aus verschiedenen Flugblättern und Erklärungen beliebig aneinandergereiht worden. Wir haben überlegt, ob Papiere aus dem linksradikalen Widerstand tatsächlich so floskelhaft sind, und daraufhin viele andere Erklärungen u.ä. gelesen. Dabei ist uns in dieser Hinsicht zwar auch einiges aufgestoßen, aber nichts vergleichbares unter die Finger gekommen. Deshalb gehen wir davon aus, daß ein Mord, der von anderen, aus welchen Gründen auch immer begangen wurde, versucht wird KommunistInnen, und damit der ganzen Linken Szene, in die Schuhe zu schieben. Andere Gründe, die für diese These sprechen, sind einmal die Geschichte mit den Metallsplittern, die angeblich nicht austreten konnten (laut Brief), die aber trotzdem das Gesicht Kleins zerfetzt haben. Das läßt die Behauptung zu, daß die SchreiberInnen des Brief nicht die gleichen sind, die die Bombe gebaut haben, in der Presse wurden die Metallsplitter unseres Wissens nach vorher nicht erwähnt. Außerdem fehlt jegliche Unterschrift usw. und der Brief wurde erst 3 Tage später aufgegeben. Wir wollen jetzt nicht den Bullen die Arbeit abnehmen, sondern nur dazu aufrufen, genauer mit solchen Sachen umzugehen.

Zusammengefaßt wenden wir uns also massiv dagegen, die Aktionen auf den gemeinsamen Nenner: "verantwortungsloser Aktionismus, Militarismus und Verlust der politischen Moral" zu bringen.

Klein fällt da natürlich, wie aufgezeigt völlig raus, die anderen Aktionen sind jedoch in ihrer Gesamtheit, in dem Kontext, in dem sie gelaufen sind, nicht pauschal zu verwerfen. Vom Prinzip her waren sie, besonders die Schüsse auf die US-Botschaft, gut und richtig.

In einer Phase relativer Stagnation, wie wir sie zumindest gerade empfinden, ist es nicht nur wichtig genaue Kriterien zu entwickeln, sondern mindestens genauso zentral, Anschläge und bewaffnete Aktionen und Gruppen offensiv zu verteidigen und solidarisch zu kritisieren. (Scheiß ausgeleierte Floskeln, die kaum mehr ausdrücken was gemeint ist.)

Von beidem ist bei Euch teilweise wenig zu spüren. Ihr schreibt zwar prinzipiell über die Notwendigkeit und ziele militanter Aktionen, die auch richtig und bekannt sind. Trotzdem bleibt nachdem Lesen des Textes das Gefühl als hätte die militante Aktionsform völlig abgewirtschaftet. Dieses Eindruck entsteht dadurch, daß Ihr an drei Aktionen kein gutes Haar laßt und Aufgaben und Kriterien in den Raum stellt, die wahrscheinlich kaum eine Gruppe erfüllen kann. Über Anschläge, die Ihr gut und richtig fandet fällt kein Wort. So vermittelt sich das Bild einer "zynischen, lächerlichen, aktionistischen, blödsinnigen... "Militanz, und hehren Ansprüchen.

Wieso also kein, auch in Euren Augen, positives Beispiel, nichts was Mut macht, zum Handeln anstachelt, als Vorbild dienen kann, wieso erwähnt Ihr nicht die Anschläge der RZ auf die Natopipeline, wieso nicht Thomas Münzers wilden Haufen oder den Anschlag der Flammenden Herzen?

Also wieso nörgelt Ihr nur an anderen rum, blast Trübsal und bleibt auf Eurer Moral hocken?

Uns gehts in Bezug auf militante Aktionen gerade in erster Linie darum, einerseits einen Minimalkonsenz über Aktionsformen zu finden, d.h. z.B. eine Gefährdung Unbeteiligter muß ABSOLUT ausgeschlossen sein und andererseits die Legitimität und Notwendigkeit dieser Aktionsform offensiv zu vertreten und zu propagieren.

Scheiße, im wirklichen Leben sind wir jetzt doch nicht mehr gelandet!

Eigentlich wollten wir nicht nur Eure Sicht der Dinge kritisieren, sondern genauer schreiben, wo und wie wir uns derzeit effektive militante Aktionen vorstellen können. Also in groben Linien aufzeigen welche Fehler wir sehen und wies anders, besser weitergehen könnte. und zum Charakter und der Funktion des politischen Mordes wollten wir auch noch einiges sagen.

Aber jetzt ist es schon so spät und morgen wollen wir fertig sein. Deswegen schaffen wir es jetzt nicht mehr, diese Gedanken vom Kopf aufs Papier zu bringen. Wir werden aber dazu in nächster Zeit sicher noch was schreiben und hoffen, daß sich noch mehr Menschen in die Diskussion einklinken.

Ansonsten. ..nehmt' s uns nicht so übel, wenn wir teilweise etwas rotzig geworden sind. Prinzipiell finden wir es nämlich ganz toll, daß Ihr die Diskussion angeleiert habt, unbequeme Fragen stellt, und 'nen genaueren Umgang einfordert. O.K.?

DEN LINKEN (den) MARSCH BLASEN!

FÜR DEN KOMMUNISMUS

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