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RZ / Rote Zora

Versuch über die Solidaritätsarbeit im Zusammenhang mit den RZ-Verfahren und Versuch einer Antwort auf Kritik, Verunglimpfung und Diffamierung derselben bzw. der Gefangenen

Leute, die uns kennen, werden wissen, dass wir uns für Spezialisten halten, bei der Behandlung unangenehmer Themen die wenigsten Fettnäpfe auszulassen und/ oder die meisten anderen GesprächsteilnehmerInnen entweder mit unserer Sicht der Dinge oder mit unserer Form diese Sicht vorzutragen (manchmal auch mit beidem...) zu verprellen. Wir haben uns nun vorgenommen, dies mal angesichts des Trauerspiels "RZ-Verfahren" und Solidaritäts"bewegung" ganz bewusst zu tun. Das Fass wurde durch den Diskussionsbeitrag "In Gefahr und höchster Not scheint der Mittelweg Gebot..." (Interim 520) zum Überlaufen gebracht und an dieser Stelle ist also nachzulesen, was dabei herausgelaufen ist...

Als erstes werden wir gleich ein Prinzip dieser Publikation verletzen oder brechen, nämlich jede noch so fundierte oder hingeschissene Meinungsäußerung anonym abzuliefern. Wir sind der Meinung, gerade das Dilemma mit der hier zur Debatte stehenden Soli-Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass das Dogma der anonymen Pamphlete in keinster Weise eine Diskussion fördert, sondern höchstens den Klatsch und Tratsch an Kneipen- und den noch verbliebenen WG-Tischen. Für uns gehört jedenfalls zu einer emanzipierten (den berühmt-berüchtigten Zusatz mit "r..." möchten wir an dieser Stelle ganz bewusst nicht in den Mund nehmen!) Gesellschaft, die wir uns ja alle hoch und heilig immer wieder auf die Fahnen schreiben (oder?), dass wir unsere Meinung öffentlich vertreten, die Verantwortung dafür übernehmen und damit einer Auseinandersetzung zur Verfügung stehen.

In diesem Sinne: Wir arbeiten seit dem ersten Treffen nach den Verhaftungen am 19.12.99 in dem später so benannten "Bündnis für Freilassung" mit und bringen für diese Arbeit einen beträchtlichen Teil unserer wertvollen sogenannten "Freizeit" auf. Unsere Motivation dazu würden wir in zwei Aspekte fassen, die jedoch kaum voneinander zu trennen sind und gleichstark wirken: erstens die persönliche Betroffenheit durch die Tatsache, dass mit Axel und Harald zwei Menschen in die Fänge der Repression geraten sind, mit denen wir lange Jahre freundschaftlich verbunden waren/sind und mit denen wir uns weiterhin politisch verbunden fühlen; zweitens die politische Betroffenheit, dass mit dem RZ-Verfahren ein Widerstandsprojekt abgeurteilt werden soll, das auf jeden Fall in den hier zur Verhandlung stehenden Komplexen ein Teil unserer linken Geschichte ist, und dass gleichzeitig die besondere Konstellation aufgrund des politischen Verrats durch die Figur Tarek Mousli im Prinzip die gesamte linksradikale Geschichte auf dem Müllhaufen der Herrschenden entsorgt werden soll.

Beides zusammen ergibt für uns eine Motivation, die unabhängig ist von den Anschuldigungen oder dem Ausgang des Verfahrens, und die genauso wenig vom "Wohlverhalten" der Gefangenen abhängig ist (das lassen wir jetzt mal so pauschal, denn den Grundkonsens setzen wir voraus und für uns gibt es keinen Anlass zu denken, sie könnten ihn aufkündigen).

Das Gefühl der Betroffenheit löst zwar die Motivation aus, aber leider gibt es keinen Automatismus, der mit der Motivation auch gleichzeitig die überzeugenden Analysen und konkreten Handlungsanweisungen liefert. Es gibt also keine Patentrezepte, wie wir zum einen dazu beitragen können, die Leute aus dem Knast zu holen, und zum anderen den Angriff auf den gegenwärtig existierenden Widerstand von links und seine Geschichte abzuwehren. Darin genau besteht die mühevolle Kleinarbeit der Solidarität, die ganz banal nur so stark sein kann wie die einzelnen daran beteiligten Menschen und der Zusammenhang, in dem sie steht.

Nach diesen persönlichen Erklärungen möchten wir nun versuchen, den Unmut (sanft ausgedrückt...) zu benennen, der beim Lesen des genannten Papiers seinen Höhepunkt erreichte.

Einleitend muss gesagt werden, dass auch hier wie leider schon oft in den zurückliegenden Monaten sehr vereinheitlichend von der Soli-Arbeit und den dahinter stehenden Personen gesprochen wird. Tatsache ist aber, dass es auf jeden Fall zwei Strömungen gibt, die seit geraumer Zeit immer wieder um ihre friedliche Kooperation ringen. Und selbst die verschiedenen Individuen in diesen beiden Strömungen finden oft nur unter Anstrengung einen gemeinsamen Nenner. Eine konstruktive Kritik an einzelnen Aspekten der Soli-Arbeit sollte deshalb auch direkt an diejenigen gerichtet werden, die dafür einstehen.

Es geht uns um die Sprache, das, was wir zwischen den Zeilen zu entziffern meinen, um pauschale Beurteilungen, die irgendwem um die Ohren gehauen werden, und um einzelne inhaltliche Aussagen. Formulierungen wie "Verteidigerriege", "die eigenen Reihen säubern", "Solidarität ist keine Einbahnstraße", "wer Solidarität will, muss was dafür tun" etc. halten wir nicht für geeignet, um irgendein gemeinsames Anliegen voranzubringen. Es ginge um die Frage, "ob die Gefangenen aus diesem Prozess herausgehen und immer noch in den Spiegel sehen können (...)", klingt im Kontext des Artikels eher wie die Unterstellung, es könnte nicht so sein. Dafür gibt es aber bis heute überhaupt keine Anzeichen, jedenfalls nicht in dem, was z.B. Axel, Harald und Matthias durchaus öffentlich (etwa an das Soli-Büro) verlauten lassen. Mag sein, dass tatsächlich keinerlei Unterstellung oder Anspielung beabsichtigt war, aber das zeigt umso mehr die Notwendigkeit, bei solch delikaten Themen auf äußerst präzise Formulierung zu achten. Desweiteren: was bringen Rundumschläge wie die, dass "der größere Teil der AnwältInnen nicht als links bezeichnet werden kann"? Selbst wenn die AutorInnen so gut recherchiert haben, dass sie sich solch ein Urteil erlauben können, vergiften sie damit nur das Diskussionsklima, und stellen höchstens noch den Folgeschluß in den Raum, bei der Auswahl könnten womöglich die Gefangenen auch nicht mehr links sein... ja, und dann??

Vielleicht ist das ja Euer Problem: Ihr tappt in die Falle der BAW und macht, absichtlich oder nicht, egal, aus den Gefangenen eine Gruppe, die sich nun auch so verhalten muss: die pc-Anwälte berufen, "in der Debatte um die Legitimität von militanten Widerstand eine Schlüsselrolle einnehmen" (was für eine katastrophale Aussage, seid Ihr Euch tatsächlich bewusst, was Ihr da verlangt???), usw. Wieso verlangt Ihr von den Gefangenen "das Bekenntnis zu einem sozialen Milieu" aus dem sie (für uns jedenfalls die, die wir persönlich kennen) selber kommen und von dem sie sich nicht distanziert haben (warum sollten sie auch...?)??? Warum drückt Ihr ihnen eine Funktion auf, die sie vor ihrer Verhaftung uns gegenüber nie hatten??? Harald z.B. versucht aus dem Knast raus sich weiter an den Diskussionen im FFM zu beteiligen.

Sinnvoller wäre es sicherlich, zur Kenntnis zu nehmen, dass vier Leute eingefahren sind, die bisher allein durch die Anklage zu einer Gruppe gemacht werden. Die Solidarität kann sich dann allgemein auf den Angriff gegen das politische Projekt "Linksradikaler Widerstand" beziehen und konkret auf einzelne Menschen, die wir kennen, mit denen wir befreundet waren/sind, mit denen wir zusammen gearbeitet und/ oder gekämpft haben.

Euer Problem scheint uns weiterhin auch zu sein, dass ihr wortreich Ansprüche aufstellt, Forderungen erhebt, aber keineswegs über Konzepte noch den Willen verfügt, all das auch umzusetzen. Es geht Euch nämlich so wie uns allen: dass unser Projekt schon eine geraume Weile ziemlich ätzend in der Defensive hängt, dass wir uns schwach fühlen; objektiv was Qualität und Quantität angeht, schwach sind- und nun auch noch so einen Schlag abwehren sollen. Wo ist denn das "große politische Potential, die Verhaftungen zum Anlass zu nehmen, sich zu der eigenen und der RZ-Geschichte öffentlich in Beziehung zu setzen"??? Wie kann jetzt "die politische Öffentlichkeit verstummen", wenn es sie doch schon seit Jahren nicht mehr gibt (jedenfalls nicht in dem hier notwendigen Sinne)???

Damit wollen wir überhaupt nicht sagen, dass wir gar nichts mehr machen können (wäre dann ja auch unsinnig, hier zu sitzen...!). Aber wir finden es fatal in einer Situation der Schwäche den Eindruck zu erwecken, dass durch Unfähigkeit und Böswilligkeit oder wie auch immer Möglichkeiten zerstört werden, die es sowieso gar nicht gibt. Und dass die Vorwürfe auch noch anonym erhoben werden, sich niemand herablässt, ganz brutal gesagt, die Drecksarbeit zu machen, sondern in seitenlangen Pamphleten mit vielen Worten, die letztlich ohne konkrete Aussage versanden (so z.B. auch im "Diskussionspapier von einigen Autonomen aus Frankfurt und Berlin"), aber so tun, als seien sie die Gralswächter der Solidarität, die den Gefangenen dieselbe entziehen, weil sie nichts dafür tun, die AnwältInnen abstrafen, weil sie sowieso nicht links seien, und das Häuflein derer, die auf dem Zahnfleisch die letzten Reste öffentlicher und praktischer Solidarität gewährleisten, in den politischen Abgrund stoßen, weil diese nicht auf Linie funktionieren...

Aber genug gekotzt: Wir fordern Euch auf, kommt doch mal am Montag ins Soli-Büro, am Mittwoch zum Plenum, kümmert Euch um Persönlichkeiten der politischen Öffentlichkeit als Prozessbeobachter, schickt E-mails an info@freilassung.de mit praktischen und konkreten Vorschlägen, unterschrieben mit Euren Namen; oder macht wie auch immer öffentlich, worin Eure Solidarität tatsächlich besteht!!!

Nehmt Euch endlich selber ernst und richtet die Diskussion über linksradikale Geschichte ein, die ihr dauernd fordert, fangt an mit der politischen Kampagne zum Prozessbeginn!!! Wir tun das, was wir können, sicherlich nicht fehlerfrei, wie sollten wir auch; wenn Euch das zu wenig ist, dann greift uns unter die Arme, wenn Ihr meint, dieses und jenes könnte besser gemacht werden, dann helft uns auf die Sprünge!!! IHR SEID HERZLICH WILLKOMMEN!!!!!!!!!!!!!!

Marion, Roland & Stefan vom Soli-Büro

MAIL
http://www.freilassung.de/div/texte/rz/bp/solib1b.htm