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Wenn die Sache irre wird -
werden die Irren zu Profis Infos und Texte zur Aussageverweigerung
und Beugehaft aus dem Jahr 1988.
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Interview mit Gabi und Gaby
Knast erinnert an Fabrik - nur daß du bei Regelverstößen
nicht rausfliegst!
F:
Gabi, du hast bei der dritten Vorladung deine Aussageverweigerung
zum ersten Mal begründet, indem du dich wegen des gegen dich
laufenden Ermittlungsverfahrens auf ein generelles Aussageverweigerungsrecht
nach §55StPO berufen hast. Hast du damit gerechnet, trotzdem
vom Fleck weg verhaftet zu werden?
A:
Ich habe es schon für möglich gehalten, in Beugehaft
zu kommen. Jedoch nicht auf der Stelle. Ich dachte vielmehr, vor
dem Haftantritt nochmal nach Hause zu können, um ein paar Sachen
zu regeln. Dementsprechend ging es mir in den ersten Tagen auch
nicht so besonders. Doch wenn du dich erstmal darauf eingestellt
hast, drin zu sein, holt dich der Knastalltag schnell ein. Du fängst
an, dir dein Knastleben zu organisieren.
F:
Wie läuft so ein Knastieben denn ab?
A:
Wir saßen ja im sogenannten" Normalvollzug". Das
hieß in Bühl: Um 7 Uhr Wecken und Frühstück.
Von 8 bis 9 Uhr Hofgang für alle zusammen. Von 9 bis 14 Uhr
Einschluß. Unterbrochen durch's Mittagessen und an bestimmten
Tagen durch Duschen, Besuch der Bibliothek, Gang zur Wäscherei.
Von 2 bis 5 Uhr gab's Umschluß. D. h. du konntest Mitgefangene
"besuchen", indem du dich in deren Zelle hast einschließen
lassen. Und von 18 bis 22 Uhr war dann Aufschluß, d. h. alle
Zellen wurden aufgemacht. Du kannst dann auf deinem Flur rumlaufen,
Fernseh gucken usw. Danach hattest du dann nur noch eine Stunde,
bis um 11 Uhr das Licht ausgemacht wurde.
A:
In Heidelberg war es vergleichbar. Mit einem entscheidenden Unterschied.
Während in Bühl rund zwei Dutzend Frauen auf einem Flur
saßen, du also verschiedene Kontaktmöglichkeiten hattest,
sich unterschiedliche Gruppen von Frauen bilden konnten, es kein
großes Problem war, wenn die eine mit der anderen nicht konnte,
da es stets Ausweichmöglichkeiten gab, war ich in Heidelberg
mit nur fünf Frauen zusammen. Zum Teil saßen sie schon
länger zusammen und hatten sich ein soziales Leben organisiert,
bestimmte Verhaltensweisen und ein Regelsystem für den Umgang
miteinander entwickelt, dem du dich als Neue erstmal unterwerfen
mußt, willst du nicht isoliert werden bzw. für Konflikte
sorgen. Es war ein bißchen wie in der klassischen Kleinfamilie.
Eng, eintönig und sozial kontrolliert. Jedenfalls habe ich,
obwohl jeweils nur eine Woche in Bühl und Heidelberg gewesen,
sehr schnell begriffen, warum sich Gefangene gegen den Wohngruppenvollzug
wehren, bzw. umgekehrt, welche Vorteile die Einrichtung von Kleingruppen
für die Vollzugsverwaltung hat.
F:
Und ihr selber? Wie habt ihr euch da eingefügt?
A:
Also bei mir war es so, daß sich nach einiger Zeit eine Zweiteilung
des Tages ergeben hat. Der Vormittag gehörte mir bzw. den Kontakten
nach draußen. Ich habe im Knast so viele Briefe geschrieben
wie noch nie. Der Nachmittag und Abend war dann dem Leben drinnen
vorbehalten. Ich habe viel mit den anderen geredet, mir ihre Geschichten
angehört, geholfen, Briefe zu schreiben. Manchmal war es mir
fast zu viel. Jede ist nur mit sich selbst beschäftigt, den
Problemen mit Freund, Ehemann und Kindern, der Sehnsucht nach Drogen,
der Ungewißheit, was wird nach dem Knast, ohne Geld, ohne
Arbeit, ohne Wohnung. Naja, daneben haben wir oft Karten gespielt,
in die Glotze geguckt und auch viel gelacht. Es gibt eine besondere
Sorte von Knasthumor. Du hast oft einfach auch deinen Spaß
gehabt.
A:
Ich war ja nur zwei Wochen drin und habe auch wenige mit den anderen
Frauen zu tun gehabt. Die meiste Zeit habe ich schon mit mir selber
zugebracht. Aber es war kein Problem. Ich habe mich nicht einen
Moment gelangweilt oder wirklich mies gefühlt. Also insgesamt
glaube ich schon, daß du es für ein halbes Jahr ganz
gut aushalten kannst. Das entmündigt, eingeschlossen, alleine
sein, ist halb so schlimm. Mehr Probleme hatte ich damit, erfahren
zu müssen, daß ein Wehren gegen die vielen kleinen alltäglichen
Unsinnigkeiten, Ge- und Verbote, manchmal auch Schikanen nicht möglich
ist. Oder besser: Mir nicht möglich war. Es ist mir immer wieder
passiert, daß ich mich von der allgemeinen Knastatmosphäre
habe einlullen lassen, die eben nicht von Konfrontation und Widerstand
geprägt ist, sondern bestimmt wird vom reibungslosen Mechanismus
des immer gleichen Tagesablaufs, einem eingeschliffenen Verhalten
von Gefangenen und Schließerinnen, das nur selten und für
kurze Zeit mal durchbrochen wird. Mit dem Ergebnis, daß ich
es sehr schwer fand und ständige Konzentration gebraucht hätte,
mich da zu wehren, wo es angesagt gewesen wäre. Oft ist es
mir einfach nicht gelungen, habe ich automatisch funktioniert und
dann hinterher gedacht: Warum hast du das eigentlich mitgemacht?
F:
Und wenn du noch mal zurückblickst? Ist es dir wie deiner
Freundin ergangen?
A:
Also ich habe die Zeit im Knast auch nicht als besonders schlimm
empfunden. Ich denke, ich hätte schon noch einige Monate länger
sitzen können, ohne besonderen Schaden zu nehmen. Natürlich
hat's mich genervt, eingesperrt zu sein, nicht tun zu können,
was ich wollte, liebe Leute zu vermissen. Und dann der Zwang, sich
unsinnigen Vorschriften unterwerfen zu müssen. Ich habe 10
Jahre in der Fabrik gearbeitet, da war es auch so. Nur in der Fabrik
bist du rausgeflogen, wenn du dir Regelverstöße geleistet
hast. Im Knast leider nicht. Doch die Mitgefangenen, ihre Art, mit
Konflikten umzugehen, war mir von früheren Arbeitskolleginnen
her vertraut. Und die Schließerinnen sind wie Vorarbeiterinnen.
Sie spielen ihr Fitzelchen Macht bei jeder Gelegenheit aus. Was
mir geholfen hat, mit dem Ganzen zurechtzukommen, waren die vielen
Blumen und Briefe, die ich bekommen habe. Zu merken, daß die
Leute draußen an dich denken. Trotzdem ist es mir so gegangen,
und andere Frauen haben das für sich auch so beschrieben, daß
ich mir verboten habe, zu intensiv an Leute draußen zu denken,
die ich vermisse. Mir vorstellen, was Freunde und Freundinnen draußen
gerade machen, mich an schöne Situationen zurückerinnern...
Alles das ging nur bis zu einem gewissen Grad. Läßt du
dich darüberhinaus auf solche Gedanken ein, macht es dich fertig.
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