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TaxifahrerInnen sind keine Hilfssheriffs
Das Vorgehen gegen Taxifahrer/innen wegen angeblicher
Schleusertätigkeit wird im Sommer 1997 durch die Arbeit der
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) einer breiteren
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aufgegriffen wird das Thema
auch in kleinen parlamentarischen Anfragen von Abgeordneten der PDS in
Brandenburg und Sachsen. Zur gleichen Zeit startet der Bundesgrenzschutz
(BGS) im August 97 im sächsichen Grenzgebiet eine breit angelegte
Kampagne "Nein zu Schleppern und Schleusern", in die auch
verschiedene Landesämter sowie der sächsische Taxiverband
eingebunden werden. Auf den Flugblättern des BGS, die "an alle
Taxifahrerinnen und Taxifahrer" gerichtet sind, wird unter Androhung
von Freiheitsstrafen vor der Mitnahme sog. illegal eingereister Personen
gewarnt. Die betroffenen Taxifahrer/innen sind stark verunsichert, denn sie
sind weder in der Lage noch berechtigt den Aufenthaltsstatus ihrer
Fahrgäste festzustellen. Um sich selbst oder gar Dritte nicht zu
gefährden erhalten nur noch Personen, die eindeutig als Deutsche
identifiziert werden, eine Beförderung. Ausländisch aussehende
Menschen haben keine Chance mehr ein Taxi zu bekommen, wie zwei
Beiträge des ORB Fernsehmagazin "Klartext" vom September 97
belegen. Gegen einen derartigen Auswuchs staatlich erzwungener
Diskriminierung und gegen die Kriminalisierung eines ganzen Berufsstandes,
wollen Kollegen und Kolleginnen aus Berliner und Hamburger
Kollektivbetrieben energisch Stellung beziehen und nehmen Kontakt zu den
betroffenen Kollegen vor Ort auf.
Als erstes wird die "Görlitzer Erklärung"
verfaßt, die in kürzester Zeit von fast 200 Taxifahrer/innen
unterschrieben wird. Darin kommt eine klare Absage gegenüber dem
Ansinnen des BGS zum Ausdruck Taxifahrer/innen als Hilfssheriffs
einzuspannen. Vielmehr wird mit dem Verweis auf die vielen an der deutschen
Grenze ums Leben gekommenen Flüchtlinge ausdrücklich eine
Beförderung von Menschen "ausländischen Aussehens"
befürwortet, da alles andere unterlassene Hilfeleistung wäre.
Der Erste Taxikorso
Am 16.12.1997 findet am Amtsgericht Görlitz die
Berufungsverhandlung gegen einen Taxifahrer aus Zittau statt, der zu einer
Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden ist. Dieses Verfahren wird
zum Anlaß genommen in der sächsischen Grenzstadt einen Taxikorso
zu organisieren und mit der "Görlitzer Erklärung" an
die Öffentlichkeit zu treten. Über zwanzig Taxen, vorwiegend mit
Berliner und Hamburger Kennzeichen, und einige der betroffenen Kollegen vor
Ort beteiligen sich an dem Umzug. Bei klirrender Kälte und vereisten
Straßen bewegt sich der Konvoi nur langsam durch die Stadt. Trotz
Verkehrsbeeinträchtigungen begegnet den Teilnehmer/innen des
Taxikorsos auch Zustimmung durch Passant/innen. Eine Zwischenkundgebung auf
dem zentralen Marktplatz, sowie der große Andrang bei der laufenden
Gerichtsverhandlung, sorgen für weitere Aufmerksamkeit. Die Presse ist
an diesem Tag zahlreich erschienen. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung
haben die FFM, der Republikanische Anwaltsverein, die Kreuzberger
Taxigenossenschaft (KTG) und die taxi e.g. aus Hamburg gemeinsam eine
Presseerklärung herausgegeben. In Görlitz wird im Anschluß
an die Gerichtsverhandlung eine improvisierte aber gut besuchte
Informationsveranstaltung in einem Cafe abgehalten. Entsprechend breit
fällt das Presseecho aus. Viele Artikel in lokalen aber auch
überregionalen Zeitungen berichten über den Taxikorso.
"Grenzschutz sucht Amtshilfe am Taxistand" titelt z.B. die
Süddeutsche Zeitung am Tag danach. Die harten Urteile gegen die
Taxifahrer/innen und das staatliche Vorgehen, welches ein Klima der
Denunziation und rassistischen Ausgrenzung befördert, werden in den
Medien zum Teil kritisch kommentiert.
Im Februar 98 findet in Berlin eine Podiumsdiskussion zur
Kriminalisierung von Taxifahrer/innen statt. Akteure aus den
unterschiedlichsten Bereichen ( kritische Polizist/innen, Humanistische
Union, Antidiskriminierungsbüro, FFM u.a.) diskutieren über das
weitere Vorgehen. Berliner Taxifahrer/innen haben die Idee mit einem
zweisprachigen Flugblatt (deutsch/englisch), das bei der Arbeit in der Taxe
verteilt werden soll, das Publikum der internationalen Tourismusbörse
(ITB) über die Problematik zu informieren.
Die konkrete Solidaritätsarbeit beschränkt sich aber nicht nur
auf Aktionen. Vieles was geleistet wird spielt sich auf unspektakuläre
Weise ab. Recherche, Prozeßbeobachtung, Artikel schreiben,
Informationsmaterial bereitstellen, Anfragen beantworten, Kontakte
knüpfen u.s.w. Hierbei muß insbesonders auf die kontinuierlich
geleistete Arbeit der FFM hingewiesen werden. Eine weitere Ebene der Arbeit
besteht in der Vermittlung juristischer Beratung/Unterstützung
für die Betroffenen und deren Anwälte und Anwältinnen.
Außerdem wird versucht direkt auf politische Funktionsträger
einzuwirken, z.B. durch einen "offenen Brief". Desweiteren wird
ein Spendenkonto eingerichtet, denn die verurteilten Taxifahrer sehen sich
enormen Prozeßkosten gegenüber und als Folge des Entzugs der
Taxikonzession unterliegen sie praktisch einem Berufsverbot.
Gegen die Grenzjustiz - zweiter Taxi- und Autokonvoi
Im Sommer 98 findet im Rahmen des ersten Sommercamps der Kampagne
"kein mensch ist illegal" ein weiterer Taxi- und Autokorso unter
dem Motto "Gegen die Grenzjustiz" statt. Thematisch passen die
repressiven Maßnahmen gegen die Taxifahrer/innen sehr gut auf ein
antirassistisches Camp, das sich kritisch mit der Errichtung der
"Festung Europa" auseinandersetzt. Mehr Autos, mehr
Teilnehmer/innen, beträchtliches Verkehrschaos, gute Stimmung und
optimale Witterungsbedingungen sorgen dafür, daß auch dieser
zweite Korso auf den ersten Blick als Erfolg gewertet werden kann. Offensiv
werden aus dem Konvoi heraus die sog. Bürgertelefone verurteilt, eine
Einrichtung des BGS, die mit Erfolg die Bevölkerung zur Denunziation
auffordert. Leider beteiligen sich diesmal noch weniger Kollegen aus der
Region. Zum Teil aufgrund konkreter politischer Differenzen mit den
Veranstalter/innen, zum anderen aber auch, weil die Betroffenen vor Ort dem
Druck ausgesetzt sind, sich loyal und konform nicht mit den
großstädtischen Politexoten zu verbünden. Eine
Änderung im Vorgehen gegen die Taxifahrer/innen kann die Aktion nicht
bewirken. In der breiten Öffentlichkeit wird den repressiven
Maßnahmen zunehmend Verständnis entgegengebracht, gilt es doch
das selbst kolportierte Bild "skrupelloser Schleuserbanden",
denen das Handwerk gelegt werden muß, zu bestätigen. Der Kern
des Problems, die restriktive Schengener Politik und die daraus
resultierende Illegalisierung von Flüchtlingen und ihren Helfern und
Helferinnen, wird nicht thematisiert. Die Taxifahrer/innen spielen im
besten Falle noch die Rolle der "mißbrauchten Helfer" und
das Interesse an ihnen reduziert sich auf die Frage: haben sie nun
"geschleust" oder nicht? Auch gegenüber der rassistischen
Ausgrenzung, dem "Taxi nur für Deutsche", scheint
Gewöhnung eingetreten zu sein, sofern diese überhaupt bemerkt
worden war.
Das es richtig war, in Görlitz zu demonstrieren, steht außer
Frage, aber leider konnte mit dem zweiten Taxikorso in der
Öffentlichkeit nicht dieselbe Wirkung erzielt werden wie noch im
Dezember des Vorjahres. Das Thema war von der Presse bereits aufgegriffen
worden und es fehlten die zündenden Ideen die Taxiprozesse wieder
stärker in die Medien zu tragen. Die zuständigen Gerichte
schienen von dem Protest ohnehin kaum beeindruckt zu sein und fuhren mit
ihrer harten Verurteilungspraxis fort. Auch gelang es nicht den teils
latenten teils offenen rassistischen Konsens, der in breiten Teilen der
Bevölkerung zu finden ist, zu durchkreuzen. Vielmehr hatte die Aktion
eine noch stärkere Polarisierung zum Ergebnis.
Mit dem Taxi ins Gefängnis
So lautet der Titel einer Veranstaltung, die am 10. Dezember 98, dem
internationalen Tag der Menschenrechte, in Berlin stattfindet, und von der
FFM und der Antirassistischen Initiative (ARI) organisiert wird. Der Titel
ist bittere Realität geworden.
Drei der betroffenen Kollegen sind seit Oktober bzw. November in Haft,
nachdem ihre Urteil bestätigt worden sind. Aus anderen
Bundesländern sind eine Fülle ähnlich gelagerter Fälle
bekannt geworden. Wie erwartet bleiben die Einschüchterungsversuche
des BGS nicht allein auf das Grenzgebiet beschränkt. Auch in Berlin
sind vier Ermittlungsverfahren gegen Taxifahrer/innen eingeleitet worden.
Und der BGS hat noch eine weitere Berufsgruppe ins Visier genommen. Diesmal
bekommen die Mietwagenunternehmer freundlich ein Flugblatt zugesteckt. Die
Veranstaltung ist sehr gut besucht. Zu Beginn werden die
"Klartext" Beiträge von 97 gezeigt, die so entlarvend das
xenophobe Denken deutscher BGS-Uniformierter zum Ausdruck bringen,
daß sich Betroffenheit im Saal breit macht. Ein international
besetztes Podium sorgt für ganz unterschiedliche und anregende
Beiträge. Deutlich wird an diesem Abend, daß die Problematik
eine europäische Dimension besitzt, wie das Beispiel Südspanien
belegt, wo Taxifahrer/innen mit den gleichen Repressalien konfrontiert sind wie die Kollegen in
Sachsen oder Brandenburg. Die Anwesenheit und die Berichte von zwei der
Betroffenen aus Zittau runden das Bild ab. Mögliche Strategien gegen
das Vorgehen von Polizei und Justiz können nicht oder nur ansatzweise
weiterentwickelt werden. Die Veranstaltung schließt mit dem Aufruf
auf den verschiedensten Ebenen zu informieren und zu intervenieren.
Trotzdem muß diese Veranstaltung in bezug auf ihre Größe,
Bedeutung und Resonanz hervorgehoben werden.
Am gleichen Tag findet auch im Bundestag auf Antrag der PDS eine
aktuelle Stunde zum Thema statt (siehe Dokumentation). Dem
Parlamentarischen Staatssekretär aus dem Hause Schily sind
Taxifahrer/innen aber nur als "Schleuser" bekannt und die
Nichtbeförderung von Personen "ausländischem Aussehens"
entzieht sich seinem Erkenntnisstand. Er hätte es besser wissen
können, denn in Zittau war nur Tage zuvor der Betreiber eines
Dönerstandes von Nazis überfallen und schwer verletzt worden. Als
das Opfer einen Taxifahrer um Hilfe bittet, wird er mit den Worten
"mir kommt kein Schwarzkopf in den Wagen", abgewiesen.
Taxifahrer/ innen sind keine Hilfssheriffs
Drei Monate später, im März 99, findet in Berlin eine
Kundgebung unter dem Motto "Taxifahrer/innen sind keine
Hilfssheriffs" statt. Vorschläge zu öffentlichkeitswirksamen
Aktionen sind vielfach diskutiert worden. Aber mehr noch als an Ideen
mangelt es an Kapazitäten, wie sich bei der Vorbereitung der
Kundgebung zeigt. Am Ende finden sich gerade mal fünf Taxen am
Breitscheidplatz ein und sollen auf Anweisung der Polizei vor allem den
fließenden Verkehr nicht behindern. Ein pflichtgemäßer
Auftritt mit wenig Aufsehen erzeugendem Ablauf. Entsprechend gering
fällt die Medienberichterstattung aus.
Die Zahl der Aktiven aus dem Kreis der Unterstützer/innen
(Taxistas) ist inzwischen auf wenige Personen gesunken. Weitere Kreise
unter den Kollegen und Kolleginnen in Berlin konnten ohnehin zu keiner Zeit
erreicht werden. Die Anstrengungen und Erwartungen in diese Richtung sind
aber auch nie besonders intensiv und groß. Das abnehmende Interesse
dürfte, neben dem Fehlen konkreter sichtbarer Erfolge und der daraus
resultierenden Ratlosigkeit, auch an der Thematik selbst gelegen haben.
Denn von Anfang an ist die Diskussion um die sog.
"Taxifahrerprozesse" auch von Widerspruch und Klärungsbedarf
begleitet. Fragen wie die nach der Höhe des Fahrpreises tauchen auf.
Darf Flüchtlingen überhaupt Geld abverlangt werden und gilt
Solidarität für Taxifahrer/innen nur in den Fällen in denen
sich alles im Rahmen der gesetzlich festgelegten Tarifbestimmungen
abgespielt hat? Und was ist von denjenigen Kollegen/innen zu halten, die
sich in die Denunziationspflicht einbinden lassen oder ausländische
Menschen von der Beförderung ausschließen? Eine Debatte zu
diesen Fragen und über Verständnis und Bewertung von Fluchthilfe
allgemein wurde nur ansatzweise geführt. Zudem lagen Ort, Handlung und
Akteure weit weg vom Mikrokosmos Kreuzberger Taxikollektive. Trotz geringer
Beteiligung ist für das zum zweiten Male stattfindende Grenzcamp der
Kampagne "kein mensch ist illegal" im Sommer 99 wieder eine
Aktion zur Thematik geplant. Doch die Ereignisse bei den laufenden
Taxiprozessen in Görlitz überschlagen sich. Einzelne Angeklagte
legen im Frühjahr 99 umfassende Geständnisse ab. Damit erhalten
alle bisher erfolgten Urteile in der Öffentlichkeit neue Legitimation,
obwohl die abgelegten Geständnisse nur einen Teil der angeklagten bzw.
verurteilten Taxifahrer betrifft. Die harte Linie hat sich durchgesetzt. In
der Berichterstattung vieler Zeitungen zu dieser neuen Entwicklung ist fast
Erleichterung herauszulesen. Hier waren einzelne kriminelle Taxilenker am
Werk gewesen, die eine ganze Region in Mißkredit gebracht haben.
Die Möglichkeiten auf der juristischen Ebene waren damit
weitestgehend erschöpft. Gegen die Abstrafungsmentalität der
Gerichte, im Sinne einer Generalprävention, können juristische
Einwände oder fortschrittlich emanzipatorische Argumente kaum
bestehen. Das Feindbild des "illegal" eingewanderten und deshalb
"kriminellen" Ausländers und das des "Schlepper- und
Schleuserunwesens", hat bereits so sehr in die Rechtsprechung Einzug
erhalten, daß eine Abweichung von dieser Norm bereits als
Verdachtsmoment ausreicht und Nichtkooperation als gesetzwidrig verfolgt
wird.
Für freies Fluten
Auf dem Grenzcamp 99. soll deshalb verstärkt die
Fluchthilfethematik aufgegriffen werden. "Ohne Schleuser kein Asyl -
leider" wie eine Parole auf dem Taxikorso des Vorjahres gelautet hat.
Und auch wenn mit der "Görlitzer Erklärung" zu diesem
Zeitpunkt kaum mehr gearbeitet wird, so knüpft der Vorschlag
inhaltlich daran an. Denn Fluchthilfe zugunsten verfolgter Menschen ist
kein Verbrechen sondern legitim, und ihre Modalitäten abhängig
von den politischen Verhältnissen unter denen sie geleistet wird.Auf
dem Marktplatz von Zittau findet u.a. eine Denkmalenthüllung für
den unbekannten Flüchtling und Fluchthelfer/in statt. Eine
imaginäre "Gesellschaft für freies Fluten" hält
dazu einen ironisch provokativen Beitrag zu den
"Taxifahrerprozessen". Es ist dies die vorläufig letzte
Aktion zum Vorgehen gegen Taxifahrer/innen, die von den
"Taxistas" organisiert oder mitgetragen wird.
Für eine abschließende Bewertung
... der Solidaritätsarbeit, sofern dies möglich ist, soll hier
noch auf einzelne Punkte eingegangen werden. Zum einen auf das
Verhältnis gegenüber den Taxiverbänden. Was wurde in
Hinsicht auf die Gewerbevertreter unternommen um eine Diskussion zur
Problematik in Gang zu setzen? Es gab Versuche, doch Resonanz und
Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. So signalisierte z.B. der
Görlitzer Innungschef gegenüber dem ersten Taxikorso
zunächst Zustimmung und stellte eine Beteiligung in Aussicht. Nach
Rücksprache mit Dritten schwenkte er jedoch um und distanzierte sich
ein Jahr später deutlich von der zweiten Taxidemo. Eine direkte
inhaltliche Auseinandersetzung mit entsprechender Diskussionsbereitschaft
fand nicht statt. Eine umgekehrte Entwicklung durchlief der Herausgeber
eines Taximagazins aus Bremen. Zuerst schlug er sich mit
Präsentkörbchen für den BGS zum Weihnachtsfest auf die
vermeintlich sichere Seite, um später nach einem Besuch in Zittau
einen betroffenen Kollegen quasi zu rehabilitieren, den er zuvor in seinem
Blatt diffamiert hatte. Die Versuche den Berliner Innungschef zu einer
öffentlichen Stellungnahme zu bewegen endeten damit, daß dieser
erklärte keinerlei politische Äußerungen abgeben zu wollen
und sich auch nicht bereit fand an der Veranstaltung des
Anti-Diskriminierungsbüros teilzunehmen. ( Feb. 98 ) Während der
Chef des bayerischen Taxiunternehmerverbandes, auf einer von den
bayerischen Grünen veranstalteten Pressekonferenz, drastische Worte zum Vorgehen gegen die
Taxifahrer/innen fand. Die nicht sonderlich gesuchte und geführte
Auseinandersetzung, der Versuch diese wenn nötig mit Nachdruck
einzufordern, kann als Versäumnis angesehen werden. Andererseits haben
die Taxiverbände als Interessenvertretung überwiegend versagt. In
ihren jeweiligen Magazinen wurden die betroffenen Kollegen in
vorauseilendem Gehorsam mehrheitlich zu schwarzen Schafen deklariert. In
den meisten Fällen reproduzierten diese Artikel nur das ohnehin schon
weit verbreitete rassistische Gedankengut. Da war von einer "Schwemme
illegal eingereister Flüchtlinge, die über Deutschland
hereingebrochen ist" die Rede und von einem "Abgrund des
Sumpfes", gemeint waren die ins Fadenkreuz der
Ermittlungsbehörden geratenen Kollegen. Daß niemand große
Lust verspürte sich mit solchen Ansichten auseinanderzusetzen ist
klar. Nur bleibt die Frage ob gezielt und punktuell mehr in diese Richtung
hätte unternommen werden müssen.
Zu erwähnen wäre außerdem noch der Versuch auf
Mandatsträger Einfluß auszuüben, der aber auch nicht
besonders intensiv praktiziert worden ist. Als Beispiel soll hier der
offene Brief an den Europaabgeordneten der Grünen Ullmann dienen. Auf
Betreiben der Zittauer Kollegen/innen hatte er die Möglichkeit ins
Spiel gebracht, daß sich die betroffenen Taxifahrer an den
Europäischen Gerichtshof wenden könnten. Er selbst wolle sich
aber noch zuvor mit dem sächsichen Justizminister besprechen. Der
offene Brief blieb nicht unbeantwortet, doch außer einer in der Tat
bestehenden "Rechtsunsicherheit" die geregelt werden müsse,
kann der Abgeordnete keine Zusicherungen geben. In die gleiche Richtung
weist ein Brief, den die bayerischen Grünen an Innenminister Schily im
März 99 richten. Zwar stellen die Verfasser/innen
"grundsätzlich die Frage ob eine Beihilfe zur Wahrnehmung eines
Grundrechts bzw. Völkerrechts überhaupt strafbar sein kann",
ihr Schreiben endet aber mit dem Vorschlag für Taxifahrer/innen
"praktikable Handlungsleitfäden" zu erarbeiten. Diese
Beispiele zeigen auf welch geringer Spielraum sich für
grundsätzliche Kritik eröffnet, wenn sie sich im legalistischen
Argumentationsrahmen bewegt. Der Vollständigkeit halber sei noch
erwähnt, daß einzig die PDS auf Bundes- und Landesebene die
Änderung des § 92a und b des Ausländergesetzes bzw. eine
Aussetzung, bis eindeutigere gesetzliche Regelungen gefunden werden,
beantragt hat. Und, daß der Paragraph keine Anwendung auf Personen
des Transportwesens und Taxifahrer findet.
Die größte Bedeutung nahm aber der Kontakt zu den betroffenen
Kollegen vor Ort ein. Zu Anfang war das Verhältnis zwar noch von
deutlicher Zurückhaltung geprägt, doch entwickelte sich mit der
Zeit vereinzelt ein fast schon kontinuierlicher Kontakt. Kollegen aus
Zittau beteiligten sich am Taxikorso und nahmen an der Veranstaltung
"Mit dem Taxi ins Gefängnis" in Berlin teil. Auch wandten
sich die Betroffenen zunehmend selbst an die Öffentlichkeit, und
dieses Engagement verschaffte dem Thema Publizität und Resonanz bei
Politikern. Dabei bedeutete ihr öffentliches Auftreten eine besondere
Exponierung, denn die Stigmatisierung als "Schlepper" und
"Schleuser" ist in Zittau und der Region besonders
ausgeprägt.
Abschließend
bleibt festzustellen, daß es nicht gelungen ist den herrschenden
Konsens in der Flüchtlingspolitik zu durchbrechen. Auch konkret,
was das Vorgehen gegen die Taxifahrer/innen betrifft, ist keine
Änderung in der Praxis erreicht worden, noch konnten die Verurteilungen
abgewendet werden. Besonders alarmierend bleibt, daß im allgemeinen
Bewußtsein der Bevölkerung das Bedrohungsszenario der
"illegalen Einwanderung" weit verbreitet ist und politische
Kampfbegriffe, wie die der "Schlepper-" und "Schleuserbanden",
in der öffentlichen Diskussion fest verankert sind. Diese Feindbildkonstruktionen
und der Kriminalisierungsdiskurs haben auch die konkrete Solidaritätsarbeit
mit beeinflußt und erschwert. Gänzlich ohne Wirkung blieben
sie auch bei den Unterstützern/innen nicht. Aber diese negative
Bilanz soll nicht bedeuten, daß nichts erreicht worden ist.
Die Solidaritätsarbeit hat dazu beigetragen dem Thema größere
Publizität zu verschaffen, bis weit über die linken Medien
hinaus. Durch die gemeinsame Arbeit von verschiedensten Gruppen,
Einzelpersonen und den Betroffenen ist es gelungen die Taxifahrerprozesse
auch überregional zum Thema zu machen und über die begrenzte
Bedeutsamkeit der Lokalmedien hinaus zu informieren. Zudem wurde
erreicht, daß eine grundsätzliche Kritik zumindest formuliert
und präsent blieb, und im Rahmen der Zusammenarbeit haben die
betroffenen Kollegen/innen konkrete Solidarität erfahren.
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