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Die deutsch- polnische Grenzregion - heikles Pflaster für
Taxifahrer
Immer mehr Strafen für den Transport illegaler Einwanderer nach dem
Grenzübertritt
Von Marion Mück-Raab NZZ vom 29.1.1999
Entlang der deutsch- polnisch- tschechischen Grenze häufen sich die
Fälle, in denen Taxifahrer für den Transport von illegalen
Einwanderern vor Gericht gebracht werden. Der Tatvorwurf der Justiz lautet
auf Einschleusen von Ausländern. Diese Beschuldigung weisen die
betroffenen Fahrer mit dem Argument zurück, sie kämen nur ihrer
Beförderungspflicht nach und könnten nicht erkennen, ob ihre
Fahrgäste illegale Einwanderer seien oder nicht.
Der Druck der illegalen Einwanderung nach Deutschland hat viele
Facetten. Seit vor vier Jahren der Paragraph 92a des Ausländergesetzes
eingeführt wurde, ist in Deutschland nicht nur die "Beihilfe zur
illegalen Einreise" strafbar. Auch die "Beihilfe zum illegalen
Aufenthalt" wird verfolgt. Diese Neuregelung löste eine Lawine
von Prozessen aus, von der nicht zuletzt die Taxifahrer in den deutsch-
polnisch- tschechischen Grenzgebieten besonders betroffen sind. Wegen
dieses Tatbestandes wurden gegen mehr als hundert Taxifahrer an der
deutschen Ostgrenze Strafverfahren eingeleitet, allein in der Kleinstadt
Zittau im südöstlichsten Zipfel Sachsens ist jeder dritte
Taxifahrer betroffen.
Kaum ernsthafte Hindernisse
Der Tatvorwurf lautet auf Einschleusen von Ausländern. Die Fahrer
sollen illegal eingereiste Ausländer ins Landesinnere befördert
haben. Alle bestreiten, davon gewusst zu haben, dass ihre Fahrgäste
keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Doch die Richter glaubten
ihnen nicht: Haftstrafen bis zu zwei Jahren und zwei Monaten
verhängten die Gerichte, vier Taxifahrer Sitzen bereits im
Gefängnis. Durch alle Instanzen haben sie prozessiert, doch die
Urteile sind rechtskräftig. 150 Personen, so schätzt der
Bundesgrenzschutz, kommen täglich illegal über die dicht bewachte
Oder- Neisse- Grenze. Vor allem die Neisse ist leicht zu überqueren
und stellt kein grosses Hindernis für Grenzgänger dar. Der
Bundesgrenzschutz ist daher auf die Mithilfe der Bevölkerung
angewiesen. Über ein "Bürgertelefon" können die
Grenzbewohner verdächtige Beobachtungen melden.
Verhindern wollen die Beamten die Flucht ins Landesinnere, denn wer erst
einmal in Berlin oder anderen deutschen Grossstädten ist, taucht unter
oder versucht ins Asylverfahren zu kommen. Nur wer im Zollgrenzbezirk
aufgegriffen wird, kann sofort zurück nach Polen oder Tschechien
abgeschoben werden. Während die Bevölkerung im Grenzgebiet mit
dem Grenzschutz gut zusammenarbeitet - gut die Hälfte aller Festnahmen
sollen auf Hinweise von Bürgern zurückgehen -, sind die
Taxifahrer der Region offenbar nicht so interessiert an einer Kooperation.
Sie berufen sich auf ihre Personenbeförderungspflicht.
Die Beamten warnten die Taxifahrer davor, sich von Schleusern
missbrauchen zu lassen. "Nehmen Sie keine offensichtlich illegal
eingereisten Personen in Ihrem Taxi mit", heisst es in einem
Flugblatt, das im vergangenen Jahr an die Taxifahrer verteilt wurde. Doch
darüber, wer "offensichtlich illegal" aussieht, gibt es
Streit. Für den Bundeszentralverband Personenverkehr- Taxi und
Mietwagen ist die Unterscheidung zwischen einem "legalen" und
einem "illegalen" Ausländer nur selten machbar. Es sei ja
nicht so, argumentierte der Verband in einer Stellungnahme gegenüber
dem Bundesinnenministerium, dass man es mit von der Flussdurchquerung
durchnässten Flüchtlingen zu tun habe. Die Industrie- und
Handelskammer Dresden gab den Fahrern dennoch folgende Ratschläge: Es
empfehle sich, auf das äussere Erscheinungsbild, Kleidungszustand und
andere Auffälligkeiten zu achten. Auch die Gerichte geben Hinweise,
wie Illegale zu erkennen sind, nämlich an "auffälliger
Verschmutzung der Bekleidung, ärmlichen Kleidern, auffällig viel
Reisegepäck". Andere Möglichkeiten, so liest man in den
Urteilen, bestünden nicht. Denn die Papiere kontrollieren, eine
hoheitliche Aufgabe, dürfen Taxifahrer nicht. Wer vor Strafverfolgung
sicher sein will, hat nur zwei Möglichkeiten. Entweder lehnt er die
Fahrt von Ausländern grundsätzlich ab, oder er informiert bei
jedem fremden Fahrgast den Grenzschutz. Die Zittauer Taxifahrer haben sich
für die erste Lösung entschieden, denn sie haben keine Lust,
"Hilfspolizisten" zu sein, sich dem Zwang zur "inoffiziellen
Mitarbeit" zu beugen. Wer fremd ist, kriegt kein Taxi. Selbst. ein
einheimischer türkischer Ladenbesitzer, der vor wenigen Wochen auf der
Strasse überfallen worden war und schwer verletzt ein Taxi
heranwinkte, wurde nicht befördert.
Kein Mensch ist illegal
In die Offensive gegangen sind nun Taxifahrer aus Berlin und Hamburg.
Mit einem Konvoi zur Grenze solidarisierten sie sich mit ihren Kollegen.
Kein Mensch sei illegal, heisst es in einer landesweiten Erklärung.
"Wir wollen Menschen ausländischen Aussehens, mit schlechten
Deutschkenntnissen, viel Gepäck und nasser Kleidung zu ihrem Fahrziel
bringen." Alles andere, meinen die Fahrer, wäre unterlassene
Hilfeleistung. Ob sich die Taxifahrer an den Europäischen Gerichtshof
wenden können, wird derzeit noch geprüft. Der grüne
Europapolitiker Wolfgang Ullmann, der sich für sie engagiert hat, will
erst einmal mit dem sächsischen Justizminister reden. Den Taxifahrern
müsse geholfen werden, so wie die Rechtsunsicherheit beendet werden
müsse. Es sei ein Irrtum zu glauben, das weltweite
Flüchtlingsproblem sei auf dem Rücken der Taxifahrer zu
lösen.
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