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Mit dem Taxi ins Gefängnis

Einleitung

Die harte Linie im Vorgehen gegen Taxifahrer/innen wegen sog. "Schleusertätigkeit" hat sich durchgesetzt und zu zahlreichen Verurteilungen geführt. Stolz präsentiert der BGS die Erfolgsstory seiner Leistungen bei der Abwehr des "illegalen Grenzübertritts", und die Öffentlichkeit registriert mit Genugtuung die rückläufigen Anträge auf Asyl im deutschen "Wirtschaftswunderland"

Weniger zur Kenntnis genommen werden diejenigen die von den Maßnahmen in erste Linie betroffen sind. Die Flüchtlinge, die an der Grenze zu Tode kommen oder hier in Deutschland täglich schikaniert, bedroht oder gar ermordet werden, und die Taxifahrer/innen, die Haftstrafen erhielten und deren Existenz zerstört wurde.

Das Thema dieser Broschüre könnte den Stoff für einen Roman liefern. Aus der Sicht eines Taxifahrers aus Zittau, Görlitz oder irgendeinem anderen Ort im Grenzgebiet wäre diese Geschichte nicht einmal sonderlich fiktiv. Zusammenbruch der DDR, das Verschwinden alter gesellschaftlicher Bezugspunkte, Neuorientierung, bis zu den bekannten Ereignissen. Denn "blühende Landschaften" und "freies Unternehmertum" standen auf der Tagesordnung. Warum also nicht Taxiunternehmer oder Fahrer werden, wenn die meisten Betriebe abgewickelt werden und die Arbeitslosigkeit steigt. Leistung wurde schließlich als Synonym für Freiheit verkauft. Das Taxigeschäft läuft zunächst nicht schlecht, zumal auch lukrative Überlandfahrten von Flüchtlingen anfallen. Alles vollkommen legal. Nicht selten werden die Flüchtlinge sogar vom Zoll und vom BGS zur Taxe gebracht, mit der Aufforderung sie zur nächsten Aufnahmeeinrichtung zu fahren. Dann folgt 1993 die Änderung des Asylrechts. Richtig verboten ist die Beförderung aber noch nicht. Erst weitere Gesetzesverschärfungen im darauffolgendem Jahr stellen das was vorher gang und gebe war unter Strafe. Aber wer hat schon diese langwierigen Debatten im fernen Bonn verfolgt und ist stets auf dem neusten Stand informiert. Das Taxigeschäft ist inzwischen stark rückläufig und der BGS, einst Vermittler von Aufträgen, verursacht nur noch Fehlfahrten. Ein Grund mehr ein bißchen Katz und Maus zu spielen und sich nicht als verlängerter Arm des BGS und seiner Jägermentalität zu begreifen. Welche Konsequenzen daraus erwachsen würden und mit welchen Methoden und mit welcher Härte hier zur Sache gegangen wird, daß konnte damals wohl kaum jemand vorhersehen.

Diese Broschüre möchte die Vorkommnisse um die Taxiprozesse festhalten und Hintergrundinformationen zum Thema liefern. Denn an der auf den folgenden Seiten dargestellten Situation hat sich nichts geändert. Das reiche Westeuropa errichtet unvermindert einen zunehmend unpassierbaren Zaun um sein Territorium. Die Kriminalisierung eines ganzen Berufsstandes, in diesem Falle die der Taxifahrer/innen, ist nur ein Aspekt dieser umfassenden Abschottungs- und Ausgrenzungspolitik. Auch die geleistete Solidaritätsarbeit soll in diesem Heft einer kritischen Betrachtung unterzogen werden um ihre Spielräume und Grenzen aufzuzeigen.

Erstellt wurde diese Broschüre von der Gruppe TAXISTAS, ein Zusammenschluß von Taxifahrer/innen aus Berlin, der seit Mitte der 80er Jahre zu unterschiedlichsten politischen Themen Stellung bezogen hat. Wie z.B. Solidaritätsschichten zugunsten der Befreiungsbewegungen in Mittelamerika oder Taxikorsos im Rahmen der Anti-IWF oder Anti-Olympia-Kampagne in Berlin. In den letzten Jahren standen die Taxiprozesse im Vordergrund. Der vorläufig letzte Taxikorso, der von den TAXISTAS organisiert wurde, fand am 1.7. 2000 statt und führte zum Berliner Flughafen Schönefeld, aus Protest gegen die Abschiebepraxis der Bundesregierung.

Als im Spätsommer 1999 die Idee gefaßt wurde diese Broschüre zusammenzustellen, war Harald von der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) noch bei den TAXISTAS aktiv. Am 19. 12. 99 wurde Harald im Rahmen einer bundesweiten Durchsuchungsaktion verhaftet, unter dem Vorwand einer "terroristischen Vereinigung" angehört zu haben. Seine Verschleppung hat unsere Arbeit erschwert aber wir konnten auf viele seiner Anregungen zurückgreifen. Wir sehen in seiner Inhaftierung den Versuch einen engagierten Kritiker staatlicher "Flüchtlingspolitik" einzuschüchtern und seine Arbeit einzuschränken.

Deshalb fordern wir mit vielen anderen Menschen und Initiativen die Freilassung von Harald und allen anderen, die in diesem Zusammenhang inhaftiert worden sind !

TAXISTAS Berlin Juli 2000

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