Datum:
Februar 2002
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VerfasserIn:
Soli-Büro / www.freilassung.de
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Die Stille nach dem Deal
Am 53. Tag des von Anfang an dahinsiechenden Berliner RZ- Prozesses
kam relativ überraschend eine neue Entwicklung.
Das Gericht eröffnete den Verhandlungstag mit der Mitteilung,
dass es seit November 2001 Verhandlungen zwischen dem Kammergericht,
der Bundesanwaltschaft (BAW) und Rudolf Schindlers Rechtsanwalt
Euler gab. Ziel dieser Verhandlungen war eine Einlassung von Rudolf
im Gegenzug für eine erklärte Höchststrafe und sofortige
Haftverschonung.
Ergebnis der Verhandlungen: Rudolf hat mit einer maximalen Strafe
von drei Jahren und neun Monaten zu rechnen, eine etwaige Reststrafe
wird zur Bewährung ausgesetzt. Ihm und seiner mitangeklagten
Frau Sabine Eckle wird umgehend Haftverschonung gewährt.
Danach verlas Rechtsanwalt Euler Rudolfs Einlassung zu seiner persönlichen
Geschichte und zu seiner Beteiligung an Anschlägen der RZ.
Seine Darstellungen stehen in erheblichen Widerspruch zu den Aussagen
des Kronzeugen Tarek Mousli.
In der Einlassung nimmt er Bezug auf die Lügen des Kronzeugen,
die ihn dazu gebracht haben, jetzt eine Einlassung zu machen. Am
Gericht und der BAW übt er keine Kritik.
Egal, wie das Gericht die Widersprüche, die sich aus der Einlassung
und den Aussagen Mouslis ergeben, werten wird - für uns ist
das Lügenverhalten des Kronzeugen ein weiteres Mal bewiesen.
... und was halten wir davon ?
Sicher haben Angeklagte die Möglichkeit, in einen Prozess
einzugreifen. Auch in diesen.
Ein Prozess, geprägt durch eine Verhandlungsführung des
Gerichts, das dem Kronzeugen jede goldene Brücke baut, damit
er in seinem Lügengeflecht bestehen kann. Ein Prozess, wo sich
der Eindruck geradezu aufdrängt, dass die Bundesanwälte
die Herren des Verfahrens sind, wo ein vorgefertigtes Urteil bereits
fest steht. In diesem Prozess eine Erklärung abzugeben ist
für uns durchaus nachvollziehbar.
Aber wie diese Einlassung zustande kam, hinterlässt mindestens
einen faden Beigeschmack. So wurde in mehreren Runden mit Gericht
und BAW ausgehandelt, welche Belohnungen für die Einräumung
eigener Tatbeteiligungen winken. Ganz klar ein Deal.
Sowohl der unbedingte Wille zur Verlängerung der U- Haft,
als auch die unqualifizierte Verhandlungsführung durch den
1. Strafsenat des Kammergerichtes zeigen, dass es in diesem Verfahren
um die Erzwingung und Erpressung von Aussagen und Kooperation mit
der Klassenjustiz geht.
Es ist ein Unterschied etwas zu sagen, weil mensch die Faxen dicke
hat, oder nur dann etwas zu sagen, wenn mensch dafür etwas
kriegt. Dies ist für uns eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit
und der politischen Moral.
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