Datum:
03.07.2000
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AutorIn: United for Intercultural Action
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Anschrift:
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UNITED for Intercultural Action
Offener Brief an den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in
Lissabon
Zur Zeit findet in Lissabon die Konferenz Resisting Violence Against
Minorities von UNITED for Intercultural Action statt (siehe Público
3. Juli 2000). 71 engagierte Personen aus 26 europäischen Ländern
sind als VertreterInnen von 68 Organisationen zusammengekommen, um zu
diskutieren, wie den zahlreichen rassistischen und faschistischen
Übergriffen und der staatlichen Diskriminierung am besten zu begegnen
ist. Ein Drittel der KonferenzteilnehmerInnen sind Flüchtlinge und
MigrantInnen. Einer unserer Kollegen und Mitarbeiter Harald Glöde
wurde am 19. Dezember 1999 auf Betreiben der deutschen Bundesanwaltschaft
verhaftet. Wir sind hier in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland,
um kundzutun, dass die Solidarität mit Flüchtlingen und
MigrantInnen kein Verbrechen ist. Die antirassistischen und
flüchtlingssolidarischen Aktivitäten und Aktionen, die Harald
Glöde und anderen Mitverhafteten vorgeworfen werden, sind keine Sache
der Gerichte. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Ziehung
neuer Grenzen und der Aufbau der Festung Europa haben zu zahlreichen,
mannigfaltigen Protesten, Aktionen und Widerstandsformen geführt. Die
derzeitigen Kriminalisierungen in der Bundesrepublik Deutschland werden
weder uns noch niemanden sonst einschüchtern. Wir haben die
Verhaftungen zum Thema innerhalb des UNITED-Network mit über 500
Verbänden gemacht.
Eines der Diskussionsthema der jetzigen Konferenz ist die
Schengen-Politik. Personen aus Ost- und Südosteuropa, die an unseren
Konferenzen teilnehmen wollen, haben stets große und häufig
absurde Schwierigkeiten, ein Visum zu erlangen. Vor allem aber sind es die
tödlichen Folgen der Festung Europa, die in ihren menschlichen und
politischen Dimensionen Konferenzthema sind. UNITED hat seit 1993
namentlich dokumentiert, dass 2.063 Personen den Tod gefunden haben, als
sie versuchten, nach Westeuropa zu gelangen, oder als Polizisten sie
jagten, einsperrten oder abzuschieben versuchten. Die jüngste
Tragödie, die wir beklagen, ist der Tod von 58 Personen, die sich am
19. Juni 2000 bei der Einreise über Dover nach Großbritannien
befanden.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat mit der
französischen Regierung - nicht nur in der Entstehungsgeschichte des
Schengener Abkommens eine Vorreiterrolle gespielt, sondern ist auch heute
einer der wichtigsten Motoren der Abschottungs- und
Kriminalisierungsmaschinerie. UNITED hat seit Jahren zusammen mit der
Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM), seinem
Mitarbeiter Harald Glöde und anderen Nichtregierungsorganisationen auf
diese Politik der staatlichen Entrechtung und der systematischen
Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen und
MigrantInnen aufmerksam gemacht und dagegen protestiert.
Auf Betreiben der Bundesanwaltschaft wurden Harald Glöde (FFM) und
mehrere weitere Personen am 19. Dezember 1999 und in der Folgezeit
verhaftet. Seitdem befinden sich die Verhafteten ohne Anklage und unter
besonders schikanösen Bedingungen in verschiedenen Haftanstalten. Der
Anlass der Verhaftung sind die Anschuldigungen eines so genannten
Kronzeugen. Ihnen wird die Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen
beziehungsweise der Roten Zora und die Teilnahme an antirassistischen und
flüchtlingssolidarischen Aktionen in den Jahren 1986/87 vorgeworfen,
die größtenteils verjährt sind.
Die Verantwortlichen für den Tod der weit mehr als 2.063 Personen,
die auf der Flucht nach Europa aufgrund der Abschottungspolitik umgekommen
sind, wurden bisher nicht belangt.
Wir befinden uns hier in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland,
deren Außenminister selbst einst ein militanter Gegner des
repressiven Modells Deutschland war. Weder setzen wir darauf, dass sich der
ehemalige Frankfurter Militante Josef Fischer an seine Vergangenheit
erinnert, noch fürchten wir den Hass des Aufsteigers.
Wir werden Ihre Antwort an die TeilnehmerInnen unserer Konferenz und an
die Presse weiterleiten.
Wir fordern die Freilassung von Harald Glöde und den anderen, die
in diesem Kontext verhaftet wurden. Solidarity is not a crime!
Geert Ates
Director UNITED
Im Namen des Kongresses
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