www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  
Solidarität

Datum:
03.07.2000

AutorIn:
United for Intercultural Action

Anschrift:
UNITED Tel.: 0031/20/6834778 Fax: 0031/20/6834582
e-mail: united@united.non-profit.nl
Postanschrift : Postbus 4131000 AK Amsterdam Netherlands

UNITED for Intercultural Action

Offener Brief an den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Lissabon

Zur Zeit findet in Lissabon die Konferenz Resisting Violence Against Minorities von UNITED for Intercultural Action statt (siehe Público 3. Juli 2000). 71 engagierte Personen aus 26 europäischen Ländern sind als VertreterInnen von 68 Organisationen zusammengekommen, um zu diskutieren, wie den zahlreichen rassistischen und faschistischen Übergriffen und der staatlichen Diskriminierung am besten zu begegnen ist. Ein Drittel der KonferenzteilnehmerInnen sind Flüchtlinge und MigrantInnen. Einer unserer Kollegen und Mitarbeiter Harald Glöde wurde am 19. Dezember 1999 auf Betreiben der deutschen Bundesanwaltschaft verhaftet. Wir sind hier in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, um kundzutun, dass die Solidarität mit Flüchtlingen und MigrantInnen kein Verbrechen ist. Die antirassistischen und flüchtlingssolidarischen Aktivitäten und Aktionen, die Harald Glöde und anderen Mitverhafteten vorgeworfen werden, sind keine Sache der Gerichte. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Ziehung neuer Grenzen und der Aufbau der Festung Europa haben zu zahlreichen, mannigfaltigen Protesten, Aktionen und Widerstandsformen geführt. Die derzeitigen Kriminalisierungen in der Bundesrepublik Deutschland werden weder uns noch niemanden sonst einschüchtern. Wir haben die Verhaftungen zum Thema innerhalb des UNITED-Network mit über 500 Verbänden gemacht.

Eines der Diskussionsthema der jetzigen Konferenz ist die Schengen-Politik. Personen aus Ost- und Südosteuropa, die an unseren Konferenzen teilnehmen wollen, haben stets große und häufig absurde Schwierigkeiten, ein Visum zu erlangen. Vor allem aber sind es die tödlichen Folgen der Festung Europa, die in ihren menschlichen und politischen Dimensionen Konferenzthema sind. UNITED hat seit 1993 namentlich dokumentiert, dass 2.063 Personen den Tod gefunden haben, als sie versuchten, nach Westeuropa zu gelangen, oder als Polizisten sie jagten, einsperrten oder abzuschieben versuchten. Die jüngste Tragödie, die wir beklagen, ist der Tod von 58 Personen, die sich am 19. Juni 2000 bei der Einreise über Dover nach Großbritannien befanden.

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat mit der französischen Regierung - nicht nur in der Entstehungsgeschichte des Schengener Abkommens eine Vorreiterrolle gespielt, sondern ist auch heute einer der wichtigsten Motoren der Abschottungs- und Kriminalisierungsmaschinerie. UNITED hat seit Jahren zusammen mit der Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM), seinem Mitarbeiter Harald Glöde und anderen Nichtregierungsorganisationen auf diese Politik der staatlichen Entrechtung und der systematischen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen aufmerksam gemacht und dagegen protestiert.

Auf Betreiben der Bundesanwaltschaft wurden Harald Glöde (FFM) und mehrere weitere Personen am 19. Dezember 1999 und in der Folgezeit verhaftet. Seitdem befinden sich die Verhafteten ohne Anklage und unter besonders schikanösen Bedingungen in verschiedenen Haftanstalten. Der Anlass der Verhaftung sind die Anschuldigungen eines so genannten Kronzeugen. Ihnen wird die Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen beziehungsweise der Roten Zora und die Teilnahme an antirassistischen und flüchtlingssolidarischen Aktionen in den Jahren 1986/87 vorgeworfen, die größtenteils verjährt sind.

Die Verantwortlichen für den Tod der weit mehr als 2.063 Personen, die auf der Flucht nach Europa aufgrund der Abschottungspolitik umgekommen sind, wurden bisher nicht belangt.

Wir befinden uns hier in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, deren Außenminister selbst einst ein militanter Gegner des repressiven Modells Deutschland war. Weder setzen wir darauf, dass sich der ehemalige Frankfurter Militante Josef Fischer an seine Vergangenheit erinnert, noch fürchten wir den Hass des Aufsteigers.

Wir werden Ihre Antwort an die TeilnehmerInnen unserer Konferenz und an die Presse weiterleiten.

Wir fordern die Freilassung von Harald Glöde und den anderen, die in diesem Kontext verhaftet wurden. Solidarity is not a crime!

Geert Ates
Director UNITED
Im Namen des Kongresses

MAIL
http://www.freilassung.de/soli/unitd3700.htm