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Prozess gegen Rote Zora - Das Urteil

Den Glückwünschen zufolge, die hier zurzeit eingehen, waren die Journalisten deutlich schneller als wir - um 11:18 Uhr berichteten die ersten Agenturen bereits, dass Adrienne zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist. Da saßen wir mit ein paar BesucherInnen gerade erst beim Latte Macchiato, um den Verlauf des Prozesses Revue passieren zu lassen.

Der dritte Tag verlief genauso unspektakulär wie die beiden vorangegangenen Prozesstage. Dass nichts Neues zu erwarten war, hatten inzwischen wohl auch die Medienvertreter begriffen und deshalb nur noch eine kleine Abordnung geschickt. Die Besucherreihen hatten sich ebenfalls ein wenig gelichtet. Allein gelassen brauchte sich Adrienne allerdings dennoch nicht zu fühlen. Während der Plädoyers drehte eine dicke Hummel brummend ihre Runden durch den Saal 145a, ohne dass sie vom vorsitzenden Richter zur Ordnung gerufen wurde - was wohl auch ein sinnloses Unterfangen gewesen wäre.

Zum Verlauf ist wenig zu sagen. Der Tag begann um 9:30 mit der Schließung der Beweisaufnahme, da keine der beteiligten Parteien nach der Sichtung der Akten im Selbstleseverfahren noch etwas vorzutragen hatte. Das anschließende Plädoyer der Bundesanwaltschaft brachte keinerlei Überraschungen. Die Anklagebehörde fühlte sich durch die Beweisaufnahme voll und ganz bestätigt und forderte eine zweijährige Gesamtfreiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Der Haftbefehl sowie der Haftverschonungsbeschluss könnten aus der Sicht der BAW aufgehoben werden. Edith Lunnebach hatte dem wenig hinzuzufügen, wies aber noch mal darauf hin, dass die Vorgespräche zwischen den Beteiligten fair und sachlich verlaufen seien. Verwundert zeigte sie sich über die Rolle der Medien, deren Fragen bohrender gewesen sein als die der Ermittlungsbehörden. Es wäre schon frühzeitig klargestellt worden, dass der Prozess wenig Spektakel bieten würde, und selbst sie als Anwältin müsse respektieren, dass Adrienne sich nicht zu den letzten zwanzig Jahren äußern wolle. Dies sei eine private Entscheidung. Das Ergebnis des Prozesses - so Edith - sei angemessen und nicht etwa das Ergebnis einer Dealerei. Dann hätte Adrienne ein Schlusswort halten können, sie hat diese Möglichkeit aber nicht wahrgenommen. Um 10 Uhr hat der Vorsitzende die Verhandlung dann unterbrochen, um sich mit dem Senat zur Beratung zurückzuziehen.

Um 10:45 Uhr erging dann das Urteil: Adrienne wird zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, diese wird zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit beträgt drei Jahre, der Haftbefehl wird aufgehoben und damit entfallen sämtliche bisher geltenden Auflagen. In der Begründung des Urteils folgte der Senat im Wesentlichen der BAW, wobei er sich ein paar Bemerkungen über die Wortkargheit der Angeklagten nicht verkneifen konnte. So bedauerten die Richter, dass sie sich aus dem - sehr schlanken Geständnis - von Adrienne kein Bild über deren Entscheidung machen konnten, den Lehrerberuf aufzugeben. Und auch die Motive, sich selbst zu stellen, seien im Dunkeln geblieben. Dann wurde noch aufgezählt, was bei der Be- bzw. Entlastung von Adrienne zu berücksichtigen sei. Der hohen kriminellen Energie stünde gegenüber, dass die Anschläge faktisch keinen Schaden angerichtet haben, schon zwanzig Jahre zurückliegen und nicht auf eigennützigen Motiven basieren. Anerkennenswert sei vielmehr das Anliegen, die Betriebspolitik von Adler anzuprangern und den Streik der südkoranischen Arbeiterinnen zu unterstützen. Das Vorgehen sei allerdings nicht mit sozialromantischen Verirrungen einer Jugendlichen zu entschuldigen, da Adrienne zum Zeitpunkt der Anschläge bereits Mitte 30 gewesen wäre. Ihre Entscheidung, sich der Zora anzuschließen, wäre ein überlegter Schritt gewesen. Hoch anzurechnen ist Adrienne wiederum, dass sie sich freiwillig und ohne Not gestellt hätte, da es ohne diese Bereitschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie zu einem Prozess gekommen wäre. Der Einlassung entnimmt der Senat "allerdings mit Mühe" auch, dass sie die Taten aus heutiger Sicht anders beurteilt. Günstig wirkt sich auch aus, dass Adrienne nicht vorbestraft ist und nach 1987 auch nicht wieder straffällig geworden ist. Dies rechtfertigt auch, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, zumal sie zu verstehen gegeben hat, dass sie bemüht ist, eine legale Existenz als Fotografin aufzubauen.

Und damit war auch der dritte Tag schnell und reibungslos über die Bühne gegangen. Die Journalisten verließen eilig den Saal, um ihren Redaktionen den Ausgang zu melden, die Prozessbeteiligten scherzten noch ein wenig rum und wir gingen nicht unzufrieden zum Latte Macchiato.

Zum Weiterlesen sei noch auf ein paar links verwiesen, ohne dass wir damit auch nur annähernd den Anspruch auf Vollständigkeit erheben:

http://www.tagesspiegel.de/dritte-seite/archiv/16.04.2007/3201940.asp

http://www.guardian.co.uk/germany/article/0,,2054852,00.html

http://www.theaustralian.news.com.au/story/0,20867,21548438-2703,00.html

http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/europe/article1642717.ece

http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/11/109901/

http://www.focus.de/politik/deutschland/rote-zora_aid_53669.html

http://www.morgenpost.de/desk/812773.html

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1116002

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,477498,00.html

Und zum Hören drei Sendungen von Radio Z aus Nürnberg:

http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=16355

http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=16405

http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=16406

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http://www.freilassung.de/prozess/ticker/berichte/bericht_z2.htm