Prozess gegen Rote Zora - Der Anfang
Der zweite Prozesstag gegen Adrienne ist vorbei und es sieht
nicht schlecht aus. Bisher hat die Verhandlung keine zwei Stunden
gedauert - gestern etwas mehr als 60 Minuten und heute gerade mal
30 - und das Gericht steht unmittelbar vor Abschluss der
Beweisaufnahme. Was auf den ersten Blick auffällt, ist die
Diskrepanz zwischen dem Trubel, den ein Teil der Medien
veranstaltet hat, und der relativen Gelassenheit, mit der alle
Prozessbeteiligten agieren.
Zum bisherigen Verlauf: nachdem Richter Warnatsch (1. Strafsenat
des Berliner Kammergerichts) den Prozess um 9 Uhr eröffnet und
Adrienne die Angaben zur Person bestätigt hatte, durfte
Bundesanwältin Vanoni die Anklageschrift vortragen. Als
Mitglied der Roten Zora soll Adrienne zwei Wecker gekauft haben,
die für die Anschläge auf das Gentechnische Institut in
Berlin (Okt. 1986) und das Hauptgebäude von Adler in Haibach
(Juni 87) verwendet worden sind. Nach der Verlesung erklärte
der Richter, dass es im November 2006 auf Initiative der
Bundesanwaltschaft (BAW) und der Verteidigerin von Adrienne, Edith
Lunnebach, Gespräche mit dem Senat gegeben habe. Bei dem
Gespräch hat die BAW gesagt, was sie anklagen will, und Edith
erklärt, dass Adrienne bereit ist, sich zu stellen und im
Sinne der Anklage zu bekennen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat
im November zugesagt, dass die Obergrenze der Strafe zwei Jahre
beträgt und dass diese zur Bewährung ausgesetzt werden
können.
Nun hätte Adrienne noch die Möglichkeit gehabt, die
Aussage zu verweigern bzw. zu erweitern. Stattdessen hat Edith
Adriennes Einlassung vorgelesen, die sie am 4.12.2006 beim BGH in
Karlsruhe nach der Verkündung des Haftbefehls gemacht hat.
Dann hat der Richter angeregt, dass zur Rationalisierung des
Verfahrensablaufs die Aktenberge im Selbstleseverfahren abgetragen
werden und die Vernehmung der Zeugen ebenfalls durch das Lesen von
deren Aussagen ersetzt wird. Faktisch bedeutete dies, dass die
Prozessbeteiligten sich mit der Geschichte der Zora etc. übers
Wochenende befassen können/sollen und kein einziger Zeuge den
Gerichtssaal betreten wird.
Nachdem dann der aktenkundige Lebenslauf von Adrienne
vorgetragen worden war, wurden drei Texte zum Anschlag auf das
Gentechnische Institut eingeführt: ein kurzes Protokoll des
Sprengstoffbereitschaftsdienstes, der den Sprengsatz
entschärft hat, zwei kurze Passagen aus der Erklärung der
Zora und ein ausführlicher Sachstandsbericht vom 25.7.87, in
dem alle möglichen Ermittlungsergebnisse zu dem Anschlag
zusammengefasst sind - von der technischen Konstruktion der
Zündvorrichtung bis hin zur Überfrankierung des
Briefumschlags, mit dem die Erklärung der Zora verschickt
worden war.
Damit war der erste Tag zu Ende.
2. Prozesstag
Heute ging es dann mit dem Anschlag auf die Hauptverwaltung von
Adler weiter. Und anders als gestern stand dabei der inhaltliche
Aspekt im Vordergrund. Nach dem knappen "Auswertungsbericht" zu dem
Anschlag zitierte einer der beiden beisitzenden Richter das
"Bekennerschreiben" der Zora in voller Länge, das bei einigen
Vertretern der Presse und in Teilen des Publikums durchaus auf
Interesse stieß. Zum Nachlesen verweisen wir auf:
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/id-verlag/BuchTexte/Zorn/Zorn51.html#13.
Im Anschluss daran hatten die Richter noch einige Fragen zur
Person, auf die Adrienne zunächst reserv iert, weil
überrascht, und dann ein wenig auskunftsfreudiger reagierte.
So wollten sie u.a. wissen, warum sie sich zur Funkelektronikerin
habe umschulen lassen, obwohl sie doch Lehrerin gewesen sei, was
ihre Äußerung in der TAZ bedeute, dass es ihr in den 19
Jahren der Illegalität nicht schlecht gegangen sein, womit sie
sich in der Zeit beschäftigt und wovon sie gelebt habe und wie
sie hätte reisen können, was sie zur Rückkehr bewegt
und ob dem ein spontaner Entschluss zugrunde gelegen hätte,
mit welchen Zukunftsvorstellungen sie sich trage und wovon sie nun
lebe. Aus den knapp gehaltenen Antworten konnten die
Prozessbeteiligten ableiten, dass Adrienne zur Zeit ALG 2 bezieht,
sich um eine berufliche Tätigkeit als Fotografin bemüht
und ab Mai Gelegenheit hat, in einem Fotobüro mitzuarbeiten.
Damit könne sie anknüpfen an dem, was sie in den letzten
Jahren bereits begonnen habe. Auf die Frage, was sie denn
fotografieren wolle, antwortete Adrienne kurz, aber entschlossen:
"Frauen", womit denn auch der 2. Tag - noch früher als der
erste - abgerundet war.
Für Montag (Beginn 9.30 Uhr) sind der Abschluss der
Beweisaufnahme, die Plädoyers und das Urteil vorgesehen. Im
Augenblick gibt es wohl niemanden, der daran zweifelt, dass das
Programm eingehalten werden kann.
Wie ihr diesem kurzen Bericht entnehmen könnt, ist der
Prozess also einigermaßen unspektakulär über die
Bühne gegangen und sind die Medien nicht so bedient worden,
wie sie es zumindest zum Teil gerne gesehen hätten. Gestern
Morgen standen über 20 VertreterInnen von Presse, Funk und
Fernsehen erwartungsvoll bereit und mussten einigermaßen
frustriert wieder abziehen, nachdem sie weder einen Schnappschuss
noch ein umfangreiches Geständnis noch Anekdoten aus dem
Untergrund bekommen hatten. Dass sie dennoch durchaus in der Lage
sind, aus wenig viel zu machen, könnt ihr u.a. unter den
folgenden links nachlesen:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/hintergrund/?em_cnt=1113209
http://www.morgenpost.de/content/2007/04/12/berlin/893863.html
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/tagesthema/index.php
http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A6A93D460B81174/Doc~E03D8A1E1BE524EA1A0E3B6876923E3E9~ATpl~Ecommon~Scontent.html
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,476674,00.html
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/id-verlag/BuchTexte/Zorn/Zorn51.html#13"
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/12.04.2007/3194993.asp
http://www.welt.de/politik/article802299/Die_Terror-Spur_der_Roten_Zora_.html
http://www.taz.de/pt/2007/04/12/a0071.1/text.ges,1
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