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Einlassung vom 22.1.2009

Thomas Kram wurde am 18.Juli 1948 in Berlin-Schöneberg geboren. Die Eltern Eva Hedwig Kram und Johann Michael Kram sind zwischenzeitlich verstorben. In Berlin besuchte er das Humanistische Gymnasium in Steglitz. Aus jener Zeit kennt er Matthias Borgmann. Gemeinsam nahmen sie am Sportunterricht und an einer Theater AG teil. Ein Produkt ihrer damaligen Zusammenarbeit war die Herausgabe der literarischen Zeitschrift Du darfst ...

Nach dem Abitur im Februar 1968 studierte er zunächst Germanistik und Theaterwissenschaften an der Freien Universität. Im Herbst 1969 wechselte er an die Pädagogische Hochschule, wo er im März 1973 die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ablegte. Da er in Berlin wegen des dort geltenden Berufsverbotsbeschlusses nicht in den Schuldienst übernommen wurde, siedelte er nach Lüdenscheid um, wo das Berufsverbot gegen ihn erst verhängt wurde, nachdem er im Juni 1974 die 2. Staatsprüfung bestanden hatte. In den darauf folgenden Jahren verdiente er sein Geld als Geschäftsführer der Politischen Buchhandlung in Bochum und als Erzieher bei der Katholischen Jugend, ehe er im August 1979 an die Università Italiana per Stranieri in Perugia ging, um die italienische Sprache zu erlernen. Nach seiner Rückkehr im April 1980 arbeitete er als Rechtsanwaltsgehilfe in einer Duisburger Kanzlei. Zwischen 1984 und 1985 nahm er an einer Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamts Essen zum Informationselektroniker teil. Zwischen April 1986 und Dezember 1987 wohnte und arbeitete er in Hamburg, danach an einem unbekannten Ort, bis er sich im Dezember 2006 den Ermittlungsbehörden in Karlsruhe stellte. Seither lebt er an einem festen Wohnsitz im Berliner Wedding.

In den 70er Jahren gehörte er zum Kreis der RZ. 1976 wurde er gemeinsam mit Gerd Albartus, einem Freund aus der Zeit der 68er Bewegung, festgenommen. In einem gesonderten Verfahren wurde Albartus später wegen Mitgliedschaft in den RZ verurteilt. Das Ermittlungsverfahren gegen Kram wurde zwar eingestellt, da aber ein Verdacht auf ihn gefallen war, galt er in Kreisen der RZ als verbrannt und musste sich in den folgenden Jahren – von 1978 bis 1984 – aus deren organisatorischen Strukturen heraus halten.

Dennoch bestanden auch in den 80er Jahren Kontaktmöglichkeiten zu ihm bekannten RZ-Angehörigen, u.a. aus Berlin. Da er die Politik der RZ inhaltlich mitgetragen hat, nutzte er diese Kontakte, um Einfluss auf die politischen Debatten der RZ zu nehmen. Weitergehende Versuche einer aktiven Mitgliedschaft widersprachen allerdings den konspirativen Regeln der RZ und wurden verworfen, weil darin eine Gefährdung für unverdächtige Mitglieder gesehen wurde. Insofern hatte er einen Sonderstatus als assoziiertes RZ-Mitglied.

Dies galt insbesondere für die Zeit ab 1985, in der er sich als Malte in die Debatten über die Flüchtlingskampagne eingemischt hat, um deren politische Orientierung mitzugestalten. Aus diesem Anlass fand ein außerordentliches Treffen mehrerer Revolutionärer Zellen unter Einbeziehung aktiver Militanter aus der Gründerzeit statt, bei dem über die Möglichkeit eines gemeinsamen Projekts diskutiert wurde. Dieses Treffen fand unter besonderen Konditionen in Österreich statt (das sog. Gipfeltreffen), um die Sicherheit der zahlreich angereisten Teilnehmer (20-22) zu gewährleisten. Dabei ging es nicht um konkrete Anschlagsziele, über die jede Gruppe nach wie vor autonom entschied. Vielmehr wurde das generelle Konzept der Kampagne besprochen und dabei auch die Möglichkeit gezielter, nicht lebensgefährdender Anschläge gegen ein oder zwei Personen ins Auge gefasst. Herr Kram hat solche Anschläge für denkbar gehalten, ohne dass er allerdings in die praktischen Vorbereitungen einbezogen wurde. Das verbot sich schon deshalb, weil es deutliche Anzeichen dafür gab, dass er als RZ-Mitglied der 70er Jahre nach wie vor unter polizeilicher Beobachtung stand.

Das politische Konzept der Flüchtlingskampagne hat er aber durchaus mit vorbereitet und vertreten. Deshalb hat er sich im Oktober 1986 an der Produktion und dem Vertrieb einer Extraausgabe des Revolutionären Zorn beteiligt, in dem die Gründe für die Flüchtlingskampagne zusammengefasst und die Erklärungen zu den ersten Anschlägen nachgedruckt wurden. Darüber hinaus hat er mit Enno Schwall, mit dem er seit April 1986 unter einem Dach wohnte, ein Interview vorbereitet, das dieser zu dem später als Projekt Arthur bekannt gewordenen fragmentarischen Dokumentarfilm der Medienwerkstatt Freiburg beigesteuert hat. Die Erläuterung der Flüchtlingskampagne nimmt darin einen breiten Raum ein.

An einem 2. außerordentlichen Treffen beteiligte er sich Ende Dezember 1987, nachdem er telefonisch vor der bevorstehenden Polizeirazzia gegen die RZ gewarnt worden war. Der spontane Beschluss zu diesem Treffen entsprang der Notwendigkeit, die Zukunft der direkt Betroffenen sowie die Bedingungen ihrer Illegalität zu organisieren. Außerdem wurde darüber gesprochen, mit welchen politischen Mitteln die RZ auf die Razzia reagieren könnte.

Nach dem 18.12.1987 bestand das beschriebene Verhältnis zur RZ bis zu deren Auflösung fort, Kontakte ließen sich nun aber nur noch auf privaten Wegen realisieren. Zu persönlichen Begegnungen mit ihm bekannten Mitgliedern der RZ kam es nach dieser Zeit seines Wissens nicht.

Das gängigste Kommunikationsmittel in den ersten Jahren der Illegalität war der Brief. Auf diese Weise hat er auch im Herbst 1990 vom gewaltsamen Tod von Gerd Albartus erfahren. Vor dem Hintergrund des persönlichen und politischen Verhältnisses zu ihm hat er daraufhin einen Entwurf zu dem Text Gerd Albartus ist tot verfasst, den er in einem verschlossenen Umschlag über private Kanäle Mitgliedern der RZ zukommen ließ. Der Text wurde in den Strukturen der RZ diskutiert und löste dort verschiedene Kontroversen aus: kritisiert wurde der Mangel an konkreter Information, der sentimentale Tonfall und der Rückzug auf das sichere Terrain des Eurozentrismus. In überarbeiteter Form wurde er nach vielen Monaten der Auseinandersetzung schließlich im Dezember 1991 von den RZ publiziert.

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