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Presse

Datum:
08.06.2001

Zeitung:
Süddeutsche Zeitung

Titel:
Zimmer mit trüber Aussicht

Zimmer mit trüber Aussicht

Walter Lothar Ebke, mutmaßliches RZ-Mitglied, betreibt in Kanada eine Frühstückspension - nun droht ihm die Auslieferung

Walter Lothar Ebkes ruhiges Leben in Kanadas wildem Norden könnte bald zu Ende sein. Die deutschen Behörden verlangen seine Auslieferung, da sie Ebke verdächtigen, in den Jahren 1985 bis 1993 Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) gewesen zu sein: Sie beschuldigen ihn der mutmaßlichen Beihilfe zu terroristischen Akten. Derzeit läuft gegen den 47 Jahre alten Deutschen in der Stadt Yellowknife in den Northwest Territories eine Anhörung zum Auslieferungsbegehren, die Ende dieser Woche abgeschlossen sein soll.

Ebke, der 1996 nach Kanada ausgewandert war, bietet in seinem Haus in der Nähe von Yellowknife, das er mit seiner Lebenspartnerin Regina Pfeifer bewohnt, Zimmer mit Frühstück für Touristen an. Kanadische Zeitungen veröffentlichten erstmals die Vorwürfe der deutschen Regierung gegen Ebke, wonach der Deutsche bei Sprengstoffanschlägen und Attentaten auf zwei Berliner Beamte mitgeholfen habe. Es handelt sich dabei um den Bombenanschlag gegen die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin-Wedding und um einen Anschlag auf die Siegessäule in Berlin im Januar 1991. Den RZ wird auch ein Attentat gegen den Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, der 1986 durch zwei gezielte Pistolenschüsse in die Beine schwer verletzt wurde, zur Last gelegt. Im September 1987 war zudem der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher, durch Beinschüsse niedergestreckt worden. Diese Verbrechen stehen im Zentrum des Prozesses gegen die RZ in Berlin, der Mitte Mai dieses Jahres begonnen hat.

Nach einem Bericht der kanadischen Zeitung The Globe and Mail hat die deutsche Regierung für die Auslieferung Ebkes 76 Seiten Dokumente nach Kanada geschickt. Darin werden Aussagen eines Zeugen, des ehemaligen RZ- Mitglieds Tarek Mousli, zitiert, wonach er und Ebke nur indirekt an den Anschlägen beteiligt waren. Sie hätten jeweils den Tatort ausspioniert, Flucht routen geplant, das Fluchtauto gestohlen und den Polizeifunk während der Aktionen abgehört. Laut Mousli waren er und Ebke auch zugegen, als die Bomben zusammengebaut wurden. Der beschuldigte Ebke äußert sich nicht zu diesen Vorwürfen. Ruft man seine Nummer in Yellowknife an, verweist ein Mann mit deutschem Akzent auf "meinen Anwalt", streitet aber auf Fragen in deutscher Sprache ab, Ebke zu sein. Sein Anwalt in Toronto ist jedoch nicht zu erreichen.

Der Verdächtigte war bereits im Mai 2000 aufgrund eines internationalen Haftbefehls der deutschen Behörden in seinem Haus in Yellowknife festgenommen worden. Im Juni wurde er aber gegen eine Kaution von 100000 kanadischen Dollar freigelassen, die Freunde in Yellowknife gesammelt hatten. Siebzehn Bürger dieser kleinen Stadt versicherten auch in einem Schreiben an das Gericht, dass sie Ebke nur als freundlichen, ruhigen, aber keinesfalls gewalttätigen Mann kennen.

Ebkes Kleinunternehmen, das "Back Bay Boat Bed & Breakfast" mit drei Gästezimmern für rund 120 DM, lockt Touristen mit "Frühstück nach europäischer Art" und französischen, deutschen und spanischen Sprachkenntnissen. Ebke hat laut Zeitungsberichten in Kanada bei null angefangen und zunächst als Handwerker arbeitet. Er habe sich auch an Yellowknifes öffentlichem Leben beteiligt und in einem Ausschuss für örtliche Müllverwertung mitgewirkt.

MAIL
http://www.freilassung.de/presse/verhaft/verhaftsd080601.htm