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Presse

Datum: 21.12.1999

Zeitung:
Berliner Morgenpost

Titel:
Reisende Terroristen-Kader

Reisende Terroristen-Kader

Frankfurterin soll in Berlin Anschläge verübt haben, die teils schon verjährt sind

Die seit Jahren angestellten Vermutungen der Berliner Staatsschützer, die Anschläge auf Harald Hollenberg, den Leiter der Ausländerbehörde, und den Bundesverwaltungsrichter Günter Korbmacher könnten von "reisenden Kadern" verübt worden sein, haben sich mit der Festnahme der heute 53jährigen Sabine Eckle am Sonntag bestätigt. Die Frau wohnte mit ihrem Lebensgefährten Rudolf Schindler in Frankfurt. Dieser muss sich dort wegen des Anschlags auf die Opec-Konferenz 1975 in Wien vor einem Gericht verantworten. Die Pistolen-Attentate auf Hollenberg und Korbmachern, an denen noch ein heute 51-jähriger Berliner beteiligt gewesen sein soll, sind jedoch seit 1996/97 verjährt.

Wie Eva Schübel, Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, gestern sagte, werden Frau Eckle aber der Brandanschlag auf die Sozialhilfestelle für Asylbewerber in der Torfstraße in Wedding im Jahr 1987 und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Der Brandanschlag wäre erst 2007 verjährt gewesen. Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verjährt, wie die gefährliche Körperverletzung, schon nach zehn Jahren. Da die Revolutionären Zellen ("RZ") bis weit in die neunziger Jahre bestanden, werde Sabine Eckle weiterhin die Mitgliedschaft unterstellt. Wie die Sprecherin weiter sagte, wird gegen die Frau aber nicht wegen des Anschlags auf die Siegessäule 1991 ermittelt, wenngleich die Tat auf das Konto noch unbekannter "RZ"-Terroristen geht.

Alle diese Erkenntnisse müssen sehr neu sein. Denn: Sabine Eckle bewegte sich frei in Frankfurt und fühlte sich vor staatsanwaltschaftlicher Verfolgung offenbar sicher. Sie profitierte vom Rechtsstaat, den sie bekämpfte. Bereits im Herbst 1978 hatte der Bundesgerichtshof Haftbefehl gegen sie, ihren Lebensgefährten Schindler und noch zwei andere Frankfurter wegen Zugehörigkeit zu den "Revolutionären Zellen" in der Main-Metropole erlassen. Das Paar soll damals Waffen- und Sprengstofflager angelegt haben, so in einer Wiesbadener Wohnung. Dort entdeckte die Polizei zwei Maschinenpistolen, 20 Pistolen, mehrere tausend Schuss Munition, Handgranaten und 30 Kilogramm Sprengstoff. Eckle, Schindler und die anderen gingen in den Untergrund, wurden nicht gefasst.

Als nach zehn Jahren die Verjährung eingetreten war, tauchte das Paar Ende 1988 wie aus dem Nichts wieder auf. Die Behörden waren machtlos. Die Ermittler hatten offensichtlich nicht die geringste Ahnung, dass die Frau in den beiden Jahren zuvor die Schüsse auf Hollenberg und Korbmacher abgefeuert und den Brandanschlag auf die Sozialhilfestelle in Wedding verübt haben soll.

Die Frankfurter Gruppierung um Eckle/Schindler soll auch über enge Kontakte zur nordirischen IRA verfügt haben. Deren "Spezialität" bestand darin, Opfern, die man (noch) nicht töten wollte, "Denkzettel" mit Schüssen in die Beine zu verpassen.

Die Durchsuchung des Mehringhofes am Sonntag nach Sprengstoff blieb, wie berichtet, ergebnislos. Indes: Der 49jährige Hausmeister des Mehringhofs, Axel H., soll vor Jahren ein Depot angelegt haben. Er ist einer der beiden am Sonntag festgenommenen Berliner.

Walter Scharfenecker

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