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Presse

Datum:
22.12.1999

Zeitung:
Jungle World

Titel:
Herolds Traum

Herolds Traum

Verhaftung wegen RZ

Es klang wie eine finstere Ankündigung. "Wir kriegen sie alle", drohte Horst Herold, damals Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), als RAF, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen (RZ) und Rote Zora in den siebziger Jahre von sich hören machten.

Mittlerweile haben sich die militanten Gruppen verabschiedet, und der Terrorfahnder fristet sein einsames Rentnerleben in einem weiterhin hoch gesicherten Bungalow.

Dass Herolds Nachfolger weiterhin in Sachen Antiterrorfahndung auf Erfolg setzen können, ist jedoch nicht dem aufgeblähten BKA- Apparat geschuldet. Im Gegenteil: Während sich die von den Fahndern zu "Top-Terroristen" Stilisierten als kleine Fische offenbarten, die mit der RAF quasi nichts zu schaffen hatten, sind es andernorts die Genossen selbst, die den Kriminalisten späte Genugtuung bescheren. So ließ die Bundesanwaltschaft (BAW) letzten Sonntag drei Personen verhaften, die sich der "Mitgliedschaft in der 'terroristischen Vereinigung RZ'" schuldig gemacht haben sollen.

Auf den Verdacht gegen die Frankfurterin Barbara E. und die Berliner Axel H. und Harald G. kamen die Ermittler durch Aussagen von Tarek M., der im November wegen desselben Vorwurfs verhaftet worden war. Barbara E. und Harald G. sollen an RZ-Aktionen gegen deutsche Asylpolitik in den Jahren 1986 und 1987 beteiligt gewesen sein.

So etwa an einem Anschlag auf den damaligen Vorsitzenden des Asylsenats im Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher. Die Taten seien zwar verjährt, informierte die BAW, "zeigen aber die Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung 'RZ'". Wirklich gefährlich zeigten sich zunächst die Karlsruher Strafverfolger selbst. Mit einem polizeilichen Großaufgebot ließen sie am Sonntag das Berliner Alternativzentrum Mehringhof durchsuchen.

Der Grund: Nach Angaben von Tarek M. soll sich auf dem Gelände ein Depot der RZ befunden haben, in dem die Gruppe eine Maschinenpistole sowie einfache Pistolen und Sprengstoff gelagert hatte. Wo genau, konnte der 40jährige den Beamten nicht erklären - im Treppenhaus, im Keller, vielleicht auch im Fahrstuhl. Tarek M. hatte zudem nach BAW-Angaben Axel H., den Hausmeister des Komplexes, beschuldigt, in die Strukturen der RZ eingebunden zu sein. Gründe genug also, gleich das gesamte Zentrum, in dem vom linken Buchladen über Netzwerk e.V. bis zum Fahrradladen verschiedenste Projekte beheimatet sind, auf den Kopf zu stellen.

Und noch mehr erzählte Tarek M. den Behörden:

Im Mehringhof sollen sich die Räume eines "Koordinationsausschusses" befunden haben, "der für die Verteilung der Gelder zuständig war, die den im Untergrund lebenden 'RZ'-Mitgliedern zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung gestellt wurden". Entsprechend erhofften sich die Ermittler Informationen über untergetauchte Militante.

Sollte Tarek M. nicht nur Stuss erzählt haben, kann er sich dank der Kronzeugenregelung auf ein niedriges Strafmaß freuen. Und mit ihm Hans-Joachim Klein, dessen Aussagen nun mehr Gewicht verliehen wird.

Das ehemalige RZ-Mitglied, das zur Zeit wegen seiner Beteiligung am Wiener Opec-Anschlag 1975 auf seinen Prozess wartet, hatte bereits den Frankfurter Rudolf S.angeschwärzt. Der 57jährige S. soll demnach an den Vorbereitungen der Aktion beteiligt gewesen sein - und, so will die BAW jetzt wissen, an den Berliner RZ-Angriffen. Wie die Bundesanwälte auf diesen Zusammenhang kommen, wollten BAW-Sprecher der Jungle World nicht erzählen. Jedenfalls war Rudolf S. von 1976 bis 1991 untergetaucht, um sich einer drohenden Strafverfolgung zu entziehen. Die BAW könnte ihre Schlussfolgerung aus dem Verdacht gegen die jetzt verhaftete Sabine E. gezogen haben - der Lebensgefährtin des Frankfurter Werkzeugmachers.

Vielleicht. Doch was die Angaben Tarek M.s mit dem wahren Geschehen zu tun haben, steht auf einem anderen Blatt. Schließlich wird die Kronzeugenregelung - von der Klein und M. trotz ihrer Aufhebung zum Jahresende profitieren werden - kritisiert, weil sie zu Falschaussagen provoziert. Und Waffen oder Sprengstoff, so bestätige BAW- Sprecherin Schübel, wurden im Mehringhof nicht gefunden.

Wolf- Dieter Vogel

MAIL
http://www.freilassung.de/presse/soli/juw221299.htm