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Datum:
12.04.2001
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Zeitung:
Süddeutsche Zeitung
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Titel:
Gutachten des hessischen Landeskriminalamts Minister Karry
offenbar nicht von den RZ getötet
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Gutachten des hessischen Landeskriminalamts Minister Karry offenbar
nicht von den RZ getötet
Spuren auf der Mordwaffe passen nicht zu Roland Schindler oder
Sabine Eckle, die der Tat verdächtigt werden
Das mutmaßliche Mitglied der "Revolutionären
Zellen" (RZ), Roland Schindler, ist höchstwahrscheinlich nicht
der Mann, der 1981 den damaligen hessischen Wirtschaftsminister Heinz
Herbert Karry erschossen hat. Auch die mutmaßliche frühere
RZ-Angehörige Sabine Eckle kommt ebenfalls nicht als Täterin in
Frage. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des hessischen
Landeskriminalamts, das dem Hessischen Rundfunk (HR) und der
Süddeutschen Zeitung vorliegt. Dazu wurde die Pistole auf DNS-Spuren
untersucht. Schindler und Eckle waren vor vier Monaten im Frankfurter Opec-
Prozess vom früheren RZ-Mitglied Tarek Mousli, einem Zeugen der
Anklage, der Tat beschuldigt worden. Darüber hinaus wirft das
Gutachten der eigenen Behörde verklausuliert schwere Pannen vor.
Die Gutachter fanden an "menschlichen Anhaftungen" am
Abzugshahn der Pistole DNS-Merkmale, "die eindeutig einer Person
zuzuordnen sind". Sie verglichen diese Merkmale mit der DNS von
Schindler und Eckle und konnten so die beiden als
"Spurenverursacher" ausschließen. Die Gutachter halten die
Chance für gering, mit Hilfe dieser DNS-Probe doch noch Karrys
Mörder zu ermitteln. Sie weisen darauf hin, wie sorglos das LKA mit
der Pistole und der Leiter umging, die von den Mördern damals am
Tatort zurückgelassen wurde.
Über die DNS-Spur an der Pistole schreiben sie, zunächst
einmal müsste geklärt werden, ob diese Spur überhaupt vom
Mörder stamme. Dazu sei ein Abgleich mit der DNS von "legalen
Spurenlegern" sinnvoll. Damit sind Polizisten gemeint. Pistole,
Patronenhülsen und Leiter hätten seit der Sicherstellung 1981
"eine Reihe von Stationen durchlaufen" und nur "zum Teil
sind diese belegbar". Die Gutachter halten es für gut
möglich, dass neue Spuren auf den Gegenständen die Originalspuren
gelöscht haben. Die Leiter sei sauber abgewischt worden, und zwar an
den "äußeren Oberflächen", also den Stufen. Die
Gutachter untersuchten auch den Brief, in dem sich die RZ 1981 der Tat
bezichtigten. Aufschlussreich wäre vor allem die Rückseite der
Briefmarke gewesen, aber "die Briefmarke war bereits herausgetrennt
worden und lag zur Untersuchung nicht mehr vor".
Das Gutachten wurde auf Veranlassung des Generalbundesanwalts erstellt.
Die Karlsruher Behörde gab den Auftrag im April 2000, das LKA
übersandte es am 13. März. Im Mordfall Karry hat es über
lange Jahre einen Kompetenzstreit gegeben, weil das hessische LKA
stets darauf bedacht war, das Bundeskriminalamt (BKA) aus dem Fall
herauszuhalten. Der frühere Chef der BKA- Kriminaltechnik,
Wolfgang Steinke, sagte am Mittwochabend im HR, seine Behörde
habe dem Generalbundesanwalt bereits 1989 angeboten, DNS-Analysen
von Leiter und Pistole zu machen. Der Sohn des Ermordeten, Ronald
E. Karry, sagte, als er damals an den Tatort gekommen sei, habe
große Verwirrung über die Kompetenz geherrscht. Er sei
überzeugt, dass dies die Ermittlungen "erheblich beeinträchtigt"
habe. Der FDP-Politiker Heinz Herbert Karry war am 11. Mai 1981
durchs offene Schlafzimmerfenster erschossen worden.
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