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Presse

Datum:
02.03.2001

Zeitung:
junge Welt

Titel:
Rudolf Schindler auf freiem Fuß

Rudolf Schindler auf freiem Fuß

Kein neues Verfahren gegen mutmaßlichen Aktivisten der "Revolutionären Zellen"

Am 15. Februar wurde Rudolf Schindler (58) im Frankfurter OPEC-Prozeß vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main legte umgehend Revision gegen das Urteil ein. Sein Freispruch ist somit noch nicht rechtskräftig. Fünf Tage nach der Frankfurter Entscheidung gab die Bundesanwaltschaft (BAW) bekannt, daß sie bereits am 28. Januar Anklage gegen Schindler beim Berliner Kammergericht wegen Mitgliedschaft in den "Revolutionären Zellen" (RZ), "Rädelsführerschaft" und der Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Berliner Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) im Februar 1987 erhoben habe. Schindler blieb in Haft. Der 2. Strafsenat des Berliner Kammergerichts hat nun am Mittwoch den Antrag der BAW auf Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und den Haftbefehl aufgehoben.

Das Kammergericht in Berlin argumentierte in seinem Beschluß vom Mittwoch, Schindler sei seit Anfang der siebziger Jahre bis 1987 ununterbrochen Mitglied der RZ gewesen. Insofern liege ein "Strafklageverbrauch" vor, da mit dem Urteil des Frankfurter Landgerichts schon die Straftat der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung abgeurteilt sei, die sowohl die Beteiligung am OPEC-Anschlag 1975 wie auch die Beteiligung am Berliner Sprengstoffanschlag 1987 umfasse. Die BAW prüft derzeit, ob sie gegen die Entscheidung Rechtsmittel beim Bundesgerichtshof einlegt.

Ungeachtet der Haftentlassung von Schindler befinden sich in Berlin immer noch vier angebliche RZ-Mitglieder - zum Teil seit über einem Jahr - in Untersuchungshaft. Sabine Eckle (54), Matthias Borgmann (52), Harald Glöde (52) und Axel Haug (50) wirft die BAW Mitgliedschaft in den RZ und die Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag auf die ZSA 1987 vor. Die drei Männer werden darüber hinaus noch beschuldigt, einen Sprengstoffanschlag auf die Berliner Siegessäule verübt zu haben. Der Prozeß gegen die vier beginnt am 22. März vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts.

Die Anklage beruht im wesentlichen auf den Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli, der im Dezember vergangenen Jahres zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden war. Angesichts dieses Strafmaßes ist die lange U-Haft für die vier Beschuldigten - auch unter Berücksichtigung des Kronzeugen-Bonus für Mousli - ein Skandal. Mousli, der in den ersten Pressemeldungen der BAW noch als "Rädelsführer" der RZ in Berlin verkauft wurde, stand wegen denselben Beschuldigungen wie die vier anderen vor Gericht.

Zumindest kurios erscheint nach dem Beschluß des 2. Senats des Kammergerichts im Fall Schindler auch, daß nun vor dem 1. Senat gegen Harald Glöde wegen des Anschlags auf die ZSA verhandelt wird. Glöde wurde nämlich bereits im Februar 1989 wegen eines Betrugsdeliktes verurteilt. Nach den Aussagen von Mousli soll es sich dabei um eine Aktion der RZ gehandelt haben. Insofern geht die BAW in ihrer Anklage auch bei Glöde von einem Strafklageverbrauch aus, weil mit diesem Urteil seine RZ-Mitgliedschaft schon abgeurteilt sei. Allerdings sei davon - so die BAW - seine Beteiligung am ZSA-Anschlag ausgenommen. Eine Argumentation, der sich offensichtlich der 1. Strafsenat anschloß.

MAIL
http://www.freilassung.de/presse/schindler/jw020301.htm