Datum:
10.04.2007
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Zeitung:
Tagesspiegel
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Titel:
Späte Sühne
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Späte Sühne
Vor 20 Jahren soll sie bei Anschlägen geholfen haben Jetzt
beginnt der Prozess gegen eine 58-Jährige
Fast zwanzig Jahre lang war sie auf der Flucht. Am morgigen
Mittwoch nun beginnt vor dem Berliner Kammergericht der Prozess
gegen ein mutmaßliches Mitglied der Terrorgruppe „Rote
Zora“. Die Bundesanwaltschaft wirft der 58-jährigen
Adrienne G. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und
zwei fehlgeschlagene Sprengstoffanschläge vor. Die Angeklagte
soll für Attentate auf das Gentechnische Institut in Berlin
1986 sowie auf eine Textilfabrik bei Aschaffenburg 1987 jeweils
einen Wecker für den Zeitzünder besorgt haben. In beiden
Fällen versagte jedoch der Mechanismus.
Die Beschuldigte hatte sich schon im Dezember vergangenen Jahres
zusammen mit ihrem ehemaligen Mitstreiter und offenbar derzeitigen
Lebensgefährten Thomas G. freiwillig den Behörden
gestellt. Der Haftbefehl wurde deshalb außer Vollzug gesetzt.
Beide waren im Dezember 1987 nach einer bundesweiten Fahndung des
Bundeskriminalamtes gemeinsam mit anderen mutmaßlichen
Terroristen untergetaucht – angeblich sollen sie mithilfe der
Staatssicherheit der DDR entkommen sein.
Die „Rote Zora“ hatte sich 1977 als
feministische Teilorganisation innerhalb der
„Revolutionären Zellen“ gegründet. Bis Anfang
der 1990er sollen die „Revolutionären Zellen“ (RZ)
für insgesamt fast 200 Anschläge verantwortlich sein, die
sich vorrangig gegen die Asyl- und Sozialpolitik der Bundesrepublik
richteten. Die „Rote Zora“ griff dabei vor allem
Sexshops und Konzerne an.
Schon in den vergangenen Jahren mussten sich sieben ehemalige
Aktivisten der „Revolutionären Zellen“ wegen
Brand- und Sprengstoffanschlägen in den 1980er Jahren
verantworten. Teilweise lebten die Verdächtigen schon seit
mehr als zehn Jahren gesetzestreu im Ausland. Ein erstes Urteil
wurde im Dezember 2000 gegen den Kronzeugen der Anklage, den
Berliner Tarek Mousli, gesprochen. Der frühere
Kampfsportlehrer kam mit einer Bewährungsstrafe davon –
seine umfangreichen Aussagen führten im März 2004 zur
Verhängung von Haftstrafen gegen fünf seiner ehemaligen
Mitstreiter. Das letzte Verfahren gegen ein Mitglied der
Terrorgruppe endete im Juli 2004 mit einer Bewährungsstrafe
für den damals geständigen Angeklagten.
Im Gegensatz zur Roten Armee Fraktion (RAF) galten die
„Revolutionären Zellen“ unter Linken als
„selbstkritische Aktivisten“. Zwar hatten einzelne
Mitglieder Kontakte zu palästinensischen Hardlinern und dem
berüchtigten Terroristen Carlos. Bei Attentaten der
„Revolutionären Zellen“ sollten die Opfer jedoch
nur verletzt, nicht getötet werden. Dennoch: Der hessische
Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry (FDP) verblutete 1981,
nachdem ihm ein RZ-Kommando in die Beine geschossen hatte.
In einem 1991 veröffentlichten Papier distanzierten sich die
„Revolutionären Zellen“ von Aktionen, die zu einer
Isolierung „revolutionärer Politik“ in der
Bevölkerung beigetragen hätten. Anders als bei der RAF
lebten die Mitglieder der „Revolutionären Zellen“
auch nicht im Untergrund: Anschläge verübten die
unabhängig voneinander agierenden Kleingruppen unerkannt neben
Berufsausübung und legalem Engagement. Diese
„Feierabend-Terrorismus“ genannte Vorgehensweise
schützte sie lange Zeit vor den Ermittlern.
Erst durch die Verhaftung des international aktiven RZ-Mitglieds
und Carlos-Freundes Hans-Joachim Klein in Frankreich 1999 erfuhren
die Behörden etwas über die internen Strukturen der
„Revolutionären Zellen“. Für das Verfahren
gegen Adrienne G. sind zwei weitere Verhandlungstermine – am
12. und 16. April – geplant.
Hannes Heine
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