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Presse

Datum:
11.04.2007

Zeitung:
Süddeutsche Zeitung

Titel:
Prozessauftakt in Berlin

Prozessauftakt in Berlin - Die letzte Tat der "Roten Zora"

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat an diesem Mittwoch am Berliner Kammergericht einer der letzten Prozesse gegen ein mutmaßliches Mitglied der feministischen Terrorgruppe "Rote Zora" begonnen. Die Verteidigung rechnet mit einer Bewährungsstrafe.

Angeklagt ist die Fotografin Adrienne G., die sich gestellt und ein Geständnis abgelegt hat. Sie will vor Gericht eine Erklärung abgeben.

Laut Anklage war die 58-Jährige in den achtziger Jahren an zwei Sprengstoff-Anschlagsversuchen beteiligt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und den Versuch vor, durch Explosionen erheblichen Sachschaden anzurichten. Da bei beiden Anschlägen die Zünder versagten, kam es zu keiner Explosion. Die Verteidigung rechnet nach Absprache mit der Anklage mit einer Bewährungsstrafe.

Adrienne G. stellte sich im Dezember 2006 zusammen mit ihrem Lebensgefährten Thomas K. den Ermittlern. Das Paar, das im Untergrund die Decknamen "Lea" und "Malte" getragen haben soll, war 19 Jahre lang abgetaucht.

Thomas K., gegen den gesondert Anklage erhoben wird, gehörte nach Überzeugung der Ermittler zu den Köpfen der "Revolutionären Zellen" (RZ). Die militante Gruppe verstand sich ursprünglich als linksradikaler, selbstkritischer Gegenentwurf zur RAF. Auf ihr Konto sollen mehr als 200, teilweise blutige Anschläge gegangen sein. 1981 starb der hessische Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry, nachdem ihm ein RZ-Kommando in die Beine geschossen hatte.

Die "Rote Zora" gründete sich 1977 als feministischer Arm der "RZ". Sie verstand sich als Teil einer internationalen und militanten Frauenbewegung. Mit Spreng- und Brandsätzen, deren Zeitzünder oft in Wecker eingebaut waren, griff die Gruppe Sexshops, Institute der Genforschung und der Reproduktionsmedizin sowie die philippinische Botschaft an, die angeblich Frauenhandel unterstützte.

1986 sagte sich die "Rote Zora" von den "Revolutionären Zellen" los, nach dem Ende des Kalten Krieges flüchteten etliche Aktivistinnen ins Ausland.

Die Bundesanwaltschaft wirft Adrienne G. nun vor, einen Wecker gekauft zu haben, der "entsprechend dem von ihr und weiteren Mitgliedern der Roten Zora gefassten Tatplan" am 17. Oktober 1986 am Gentechnischen Institut in Berlin abgelegt wurde. Der Zünder setzte sich jedoch nicht in Gang.

Da die "Rote Zora" immer die gleichen Wecker benutzte, hatten die Ermittler das Gerät gekennzeichnet. Sie fotografierten Adrienne G. beim Weckerkauf in Dortmund. 1987 soll sie erneut einen Wecker gekauft haben, der am 21. Juni 1987 an der Textilfabrik Adler bei Aschaffenburg deponiert wurde. Die "Rote Zora" wollte mit einem Anschlag streikende Arbeiterinnen in einer südkoreanischen Tochterfirma des Konzerns unterstützen. Auch dieser Sprengsatz ging nicht hoch.

Edith Lunnebach, die Adrienne G. verteidigt, sagte vor Prozesseröffnung, ihre Mandantin werde sich vor Gericht dazu äußern, "dass es die politischen Zusammenhänge von damals nicht mehr gibt und dass sie sie auch nicht mehr unterstützt". Ein Reuebekenntnis sei nicht zu erwarten.

Mit ihrem Geständnis habe Adrienne G. "den Zustand der Illegalität beenden wollen", der beschwerlich geworden sei. Die Bundesanwaltschaft habe ihr signalisiert, einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung zuzustimmen, wenn gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt werden, so die Anwältin. "Das halte ich für angemessen."

SZ vom 11.4.2007, 10:04 Uhr, von Constanze von Bullion

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