Datum:
11.04.2007
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Zeitung:
Berliner Morgenpost
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Titel:
Ende einer Terroristen-Karriere
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Ende einer Terroristen-Karriere
Frühere Angehörige der Extremistengruppe Rote Zora
vor Gericht
Am Ende hatte sie das Leben unter einer falschen Identität
wohl nicht mehr ausgehalten. Ende vergangenen Jahres stellte sich
die 58-jährige Adrienne G., einstiges Mitglied der militanten
Extremistengruppe Rote Zora, den Ermittlungsbehörden. Nach der
ehemaligen Lehrerin und Fotografin war 19 Jahre lang mehr oder
weniger intensiv gefahndet worden. Es sei ihr nicht schlecht
gegangen in dieser Zeit, hat sie verlauten lassen. Mehr wolle sie
nicht sagen.
Die Richter des Staatsschutzsenats des Berliner Kammergerichts
werden sich in dem heute beginnenden Prozess gegen Adrienne G. mit
derartig lapidaren Erklärungen vermutlich nicht abspeisen
lassen. Bei den Anlagepunkten ist in dem mit nur drei
Verhandlungstagen angesetzten Prozess kaum Dissens zu erwarten.
Adrienne G. wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung und die versuchte Herbeiführung von
Sprengstoffanschlägen vorgeworfen.
Das wird sie so auch bei der Bundesanwaltschaft eingeräumt
haben. Wurde der gegen sie erlassene Haftbefehl doch schon im
Dezember 2006 gegen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Den
Ermittlungen zufolge hatte die Terrorgruppe Rote Zora am
17. Oktober 1986 in Berlin am Gentechnischen Institut eine
Bombe mit Zeitzünder platziert. Es war jedoch nicht gelungen,
den Sprengsatz zu zünden. Adrienne G. soll für die
Sprengmechanik einen Wecker erstanden haben. Ein zweiter Anschlag -
wieder mit einem von Adrienne G. gekauften Wecker und wieder wegen
eines technischen Fehler misslungen - galt am 21. Juni 1987
dem Gebäude eines Bekleidungswerkes in Aschaffenburg.
Serie schwerer Anschläge
Zwei geplante Gewaltaktionen, die nach Meinung der
Bundesanwaltschaft zu einer ganzen Serie von schweren Brand- und
Sprengstoffanschlägen der Roten Zora gehörten. Die
Terrorgruppe hatte sich bis zum Februar 1988 zu insgesamt 45
Anschlägen bekannt. Zielgebiet waren vorrangig das Ruhrgebiet
und Norddeutschland. Den letzten Anschlag verübte die Rote
Zora im Juli 1995 auf eine Werft in Bremen.
Adrienne G. war im Dezember vergangenen Jahres nicht allein bei
den Ermittlungsbehörden erschienen. Begleitet wurde sie von
ihrem gleichaltrigen Lebensgefährten Thomas K. Gegen ihn wird
von der Bundesanwaltschaft ein gesondertes Verfahren geführt.
Wie Adrienne G. war auch Thomas K. im Dezember 1987 wegen
einer bundesweiten Fahndungsaktion des Bundeskriminalamtes und der
Bundesanwaltschaft untergetaucht. Er soll als führendes
Mitglied der terroristischen Vereinigung Revolutionäre Zellen
(RZ) angehört haben, aus der 1977 die Rote Zora hervorgegangen
war. Sie galt zunächst nur als autonome Teilorganisation, sah
sich später in ihrem Selbstverständnis als
"sozialrevolutionäre, feministische Befreiungsbewegung" jedoch
als eigenständige Gruppe.
Vorsatz der Roten Zora war es, dass Opfer möglichst nur
verletzt und nicht getötet werden sollten. Im Gegensatz zu
RAF-Mitgliedern verblieben die Frauen der Roten Zora auch weiterhin
in ihrer bürgerlichen Existenz. "In die Illegalität geht
man erst, wenn man absolut muss", hieß es in einem
Strategiepapier.
Für Adrienne G. war das im Dezember 1987 notwendig
geworden. Wo sie und ihr Lebensgefährte Thomas K. seitdem
lebten, ist nicht bekannt. Mutmaßungen, das DDR-Ministerium
für Staatssicherheit habe bei der Suche nach einem
Unterschlupf geholfen, wurden bislang nicht offiziell
bestätigt. Aber auch das könnte in dem heute beginnenden
Prozess zur Sprache kommen.
Von Michael Mielke
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