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Presse

Datum:
21.03.2001

Zeitung:
jungle world

Titel:
Revolutionäre Zeiten

Revolutionäre Zeiten

This Is Not A Love Song

Eine kleine Geschichte der Revolutionären Zellen/ Roten Zora (RZ). Von der Dia-Gruppe, Berlin

RZ-Prozess: Ab dem 22. März stehen in Berlin drei Männer und eine Frau vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, in den achtziger Jahren an Aktionen der Revolutionären Zellen/ Roten Zora (RZ) beteiligt gewesen zu sein. Wer war diese, neben der Roten Armee Fraktion (RAF) und der Bewegung 2. Juni, dritte deutsche Stadtguerilla?

"Was wir wollen, ist die Gegenmacht in kleinen Kernen organisieren, die autonom in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen arbeiten, kämpfen, intervenieren, schützen, die Teil der politischen Massenarbeit sind. Wenn wir ganz viele Kerne sind, ist die Stoßrichtung für die Stadtguerilla als Massenperspektive geschaffen."

So formulieren die Revolutionären Zellen in der ersten Ausgabe ihrer Zeitung Revolutionärer Zorn 1975 ihr Konzept einer sozialrevolutionären Guerilla in der BRD. Begründet wird die Aufnahme des bewaffneten Kampfes mit der Erfahrung, bei legalen Aktionen wie Hausbesetzungen, revolutionärer Betriebsarbeit, Teach-Ins etc. immer wieder an Grenzen zu stoßen, die von der staatlichen Repression gesetzt werden. Ziel ist, durch klandestin operierende, autonom und dezentral organisierte Gruppen Basisinitiativen zu stärken - als erster Schritt eines langwierigen Angriffs auf die Macht.

Eingebettet in die damaligen Diskussion ist dies die militante Variante des Gedankens, durch den Aufbau einer als Vorbild wirkenden sozialrevolutionären Gegengesellschaft die kapitalistische Gesellschaft langsam "rhizomartig" (1) zu überwuchern. "Die Kämpfenden Kollektive als die Keimzellen einer neuen Gesellschaft aufbauen und vermassen", lautet eine der Parolen der RZ. Gleichzeitig ist dieses Konzept auch immer als praktische Kritik und Alternative zu den Angriffen der RAF "auf das Herz des Staates" gedacht.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft übernehmen die Revolutionären Zellen/ Rote Zora von 1973 bis 1995 für 186 zum größten Teil unaufgeklärte Brand- und Sprengstoffanschläge auf Behörden, Firmen und Militäreinrichtungen die Verantwortung. Auch bekennen sie sich zu Knieschüssen bei einem Zwangsverteidiger 1978 in Berlin sowie bei zwei Verantwortlichen der Asylgesetzgebung 1986 und 1987, ebenfalls in Berlin. Außer bei einem weiteren, von ihnen selbst als Unfall bezeichneten Attentat auf den hessischen Wirtschaftsminister Heinz Karry 1981 kommt bei den Aktionen der RZ niemand ums Leben. Allerdings beteiligen sich Mitte der siebziger Jahre Mitglieder der RZ an internationalen Aktionen, bei denen es mehrfach Tote gibt.

Im November 1973 zeichnet erstmals eine Revolutionäre Zelle für zwei bewaffnete Aktionen in Berlin und Nürnberg verantwortlich, die sich gegen den am Militärputsch in Chile mitverantwortlichen US-amerikanischen Konzern ITT richten. In der ersten Ausgabe des Revolutionären Zorns im Mai 1975 unterteilen sie ihre Anschläge in drei Bereiche:

  1. "antiimperialistische Aktionen", z.B. die Aktionen gegen den US-Konzern ITT oder das chilenische Generalkonsulat.
  2. Aktionen zur Unterstützung der Kämpfe von Arbeitern, Jugendlichen und Frauen, z.B. gegen das Auto des für den Abriss eines Jugendzentrums in Berlin Verantwortlichen, gegen den Wohnungsspekulanten Kaußen in Köln, gegen Fahrkartenautomaten und durch das Fälschen von Hunderttausenden Fahrscheinen, die anschließend in "proletarischen Vierteln" verteilt werden. Auch Gutscheine für Obdachlose werden gefälscht.
  3. "antizionistische Aktionen", z.B. auf das Büro der israelischen Fluggesellschaft El-Al oder auf bundesdeutsche Firmen, die israelisches Obst importieren.

Dass ihr Engagement für den internationalen Kampf für die Bevölkerung in der BRD nicht immer nachvollziehbar ist, formulieren die RZ selbst. "Es gibt aber auch einen Teil unserer Politik, den, soweit wir die Diskussionen geführt haben, viele Genossen nicht verstehen und nicht akzeptieren und den auch die Massen nicht verstehen und der sie vorläufig auch nicht interessieren wird. Wir halten ihn dennoch für richtig. Dieser Teil des Kampfes bezieht sich auf den Internationalismus, wo es primär um die Solidarität mit den Genossen ausländischer Guerillabewegungen geht und die Solidarität mit den kämpfenden Völkern anderer Länder." (2) Die RZ sehen in diesen Problemen eine Frage der richtigen Vermittlung.

Antizionistische Solidarität

Nach der Aussage des ehemaligen RZ-Mitglieds Gerd Schnepel im Frankfurter Opec-Prozess sind die Revolutionären Zellen als loser Verbund weitgehend autonomer Zellen organisiert, die sich allerdings über ein bundesweites Delegiertentreffen koordinieren. Es entstehen verschiedene Gruppen in Nordrhein-Westfalen, West-Berlin, Norddeutschland und im Rhein-Main-Gebiet.

Im Jahr 1975 treten "die Frauen der Revolutionären Zellen" das erste Mal mit einer Bombe gegen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in Erscheinung. Ihren Anschlag sehen sie als Beitrag zum Kampf gegen den Paragrafen 218. Ab 1977 tritt die Rote Zora als eigenständige feministische Gruppierung auf, die sich allerdings in der Nähe der RZ verortet. Einige Grundsatzpapiere sind auch Jahre später noch gemeinsam von den RZ und der Roten Zora unterzeichnet. Erst Mitte der achtziger Jahre gibt es einen tief gehenden inhaltlichen Bruch zwischen RZ und Roter Zora.

Innerhalb der RZ formiert sich eine Gruppe, die für die internationalen Kontakte zuständig ist. Zu ihr gehören neben Gerd Schnepel zumindest noch Wilfried Böse, Brigitte Kuhlmann und Johannes Weinrich.

Zwei spektakuläre Ereignisse, an denen RZ-Mitglieder beteiligt sind, lösen heftige interne Diskussionen über die Beteiligung an internationalen Aktionen aus. Eine davon ist der Überfall auf die Opec-Konferenz im Dezember 1975 in Wien. Mit der Geiselnahme von elf arabischen Ölministern soll eine materielle und ideologische Unterstützung für die palästinensischen Befreiungsbewegungen erreicht werden. Bei der Aktion kommen zwei Sicherheitsbeamte und ein libyscher Delegierter ums Leben. Ungeklärt ist die Rolle der libyschen Regierung unter Muammar al-Gaddafi als Auftraggeberin dieser Aktion. Je nach Sichtweise meint "Auftragsarbeit" oder "internationale Solidaritätsaktion" dieselbe Handlung.

Von Seiten der RZ ist an dieser Aktion zumindest Hans-Joachim Klein beteiligt. Klein hält sich nach seinem Ausstieg aus den RZ 1977 über 20 Jahre lang im Ausland mit der Unterstützung des grünen Politikers Daniel Cohn-Bendit versteckt. 1998 wird er kurz vor der Bundestagswahl in Frankreich verhaftet und entschließt sich, vor der Staatsanwaltschaft auszusagen. Zum Kronzeugen gewandelt, beschuldigt Klein im Herbst 1999 Rudolf Schindler und die im Januar 2000 in Frankreich verhaftete Sonja Suder der logistischen Beihilfe bei dieser Aktion.

Die zweite Aktion ist die Entführung einer Air-France-Maschine im Juni 1976 von Tel Aviv nach Entebbe/Uganda, mit der die Freilassung von 53 politischen Gefangenen, darunter 40 Palästinenser in israelischer Haft und sechs politische Gefangene in der BRD, erreicht werden soll. Zwei Gründungsmitglieder der RZ, Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, sind an der Aktion beteiligt und werden bei der Erstürmung des Flugzeuges durch israelische Spezialeinheiten getötet.

Als gesichert kann gelten, dass die entführten Passagiere von dem in Entebbe zeitweilig anwesenden Palästinenserkader Waddi Hadad und den EntführerInnen nach ihrer Nationalität getrennt werden. Alle israelischen Passagiere müssen bei den Entführern bleiben, der größte Teil der anderen wird freigelassen. Ob dabei tatsächlich auch nach jüdisch/nicht-jüdisch, unabhängig von der Nationalität, getrennt wurde, wie die AutorInnen des RZ-Papiers "Gerd Albartus ist tot" nahe legen, ist umstritten.

In den nachfolgenden Diskussionen um diese Aktionen scheinen sich alle RZ-Mitglieder einig zu sein, dass die internationalen Kontakte in dieser Form nicht weiterzuführen sind, und die Verbindungen, insbesondere zur Waddi-Haddad-Gruppe, werden abgebrochen. Doch einige Mitglieder ziehen daraus noch andere Konsequenzen und trennen sich von der Gruppe.

Die Reste des internationalen Flügels schließen sich später der so genannten Carlos-Gruppe an. Den Namen RZ verwendet sie nicht weiter. Sie nennt sich Gruppe internationaler Revolutionäre. Dieser Bruch, faktisch eine Spaltung der Organisation, wird erst 15 Jahre später öffentlich diskutiert.

Doch gibt es anscheinend in den folgenden Jahren von einzelnen Mitgliedern immer noch Querverbindungen zur Carlos-Gruppe. Wobei diese Kontakte auch auf alten persönlichen Loyalitäten beruhen könnten und kein inhaltliches und praktisches Einverständnis mit den Aktionen der Carlos-Gruppe bedeuten müssen. Insbesondere Gerd Albartus soll weiter Kontakte unterhalten haben, die ihm im Dezember 1987 zum Verhängnis werden. Nach Angaben von Magdalena Kopp (3) wird er bei einer Reise in den Libanon von Mitgliedern der Carlos-Gruppe wegen "Verrats" verurteilt und sofort von Carlos hingerichtet. Worin die Vorwürfe bestanden haben sollen, ist nicht geklärt.

Für die AutorInnen des Papiers "Gerd Albartus ist tot" hingegen gibt es keine Zweifel an seiner Integrität. Dem 1995 im Eichborn-Verlag erschienenen Buch "Carlos' Komplize Weinrich" zufolge, das auf Stasi-Akten beruht, soll sein zu naiver Umgang mit der Ostberliner Staatssicherheit ein Konfliktpunkt zwischen ihm und seinen Bekannten in der Carlos-Gruppe gewesen sein. Dies wird von den Autoren mit Abhörprotokollen des ungarischen Geheimdienstes belegt, die bei der Stasi gefunden wurden. Dagegen verweist der Kronzeuge Tarek Mousli bei seiner Zeugenaussage im Frankfurter Opec-Prozess auf eine weitere linksradikale Splittergruppe am Rande der PFLP als mögliche Mörder von Gerd Albartus: die Abu-Nidal-Gruppe.

Bewaffneter Arm der sozialen Bewegungen

In den späten siebziger Jahren machen die RZ immer wieder mit Anschlägen von sich reden. Insbesondere ist ihnen daran gelegen, über den Deutschen Herbst 1977 hinweg die Möglichkeit des bewaffneten Kampfes aufrechtzuerhalten. Im Spiegel werden sie vom Bundeskriminalamt (BKA) zeitweilig als größere Gefahr als die RAF eingeschätzt. Im Sommer 1978 explodiert eine für das Generalkonsulat des argentinischen Militärregimes bestimmte Bombe auf dem Schoß des Heidelbergers Hermann Feiling. Ihm müssen beide Beine amputiert und beide Augen entfernt werden. Obwohl Feiling unter starken schmerzlindernden Drogen steht und nicht vernehmungsfähig ist, protokollieren Beamte des BKA und des Landeskriminalamts von Baden-Württemberg über 1 000 Seiten mit Äußerungen, die er in den Wochen nach dem Unfall macht.

Das BKA und die Bundesanwaltschaft (BAW) glauben daraus genügend Indizien herauszulesen, um insgesamt sieben weitere Haftbefehle erlassen zu können. Fünf der Beschuldigten gelingt es zu verschwinden, bevor die Polizei zuschlagen kann: Rudolf Raabe und die 1999 von Tarek Mousli als angeblich Tatbeteiligte an den Berliner RZ-Aktionen erwähnten Rudolf Schindler und Sabine Eckle. Auch die beiden im Januar 2000 in Frankreich verhafteten Sonja Suder und Christian Gauger werden seitdem von der deutschen Polizei als angebliche Mitglieder der RZ gesucht.

Auf dem Höhepunkt der Jugendrevolte Anfang der achtziger Jahre erscheint im Januar 1981, für viele AkteurInnen der HausbesetzerInnenbewegung zum richtigen Zeitpunkt, der Revolutionäre Zorn Nummer 6. In vielen Städten in Westdeutschland und Berlin sind damals Häuser besetzt. Den größten Teil der Zeitung nimmt ein Text ein, der sich mit den Erfahrungen im bewaffneten Kampf beschäftigt und in einem radikal selbstkritischen Ton gehalten ist. Wohl kaum jemand hat die Probleme und das Konzept der RZ so genau und scharf reflektiert wie sie selbst. Diese Selbstreflexion und das Reden über eigene Probleme und Widersprüche ist für bewaffnet kämpfende Gruppen in der damaligen Zeit einmalig.

In ihrem Text betonen sie: "Angriffe gegen zentrale staatliche Institutionen halten wir für zur Zeit politisch unmöglich: Wir können die Machtfrage nicht stellen! Wir führen keinen Krieg! Wir stehen vielmehr immer noch am Anfang eines langwierigen, mühseligen Kampfes um die Köpfe der Menschen - nicht in irgendeiner Etappe um einen militärischen Sieg! Wir bezeichnen dies als Defensivstrategie - wenngleich der Kampf für uns durchaus offensiv sein kann." Zudem werden ausführlich die Positionen von AussteigerInnen aus der RZ dargestellt.

Die AkteurInnen der Revolte von 1980/81 greifen das Konzept der Revolutionären Zellen, die vielfältigen und zahlreichen klandestinen Aktionen, auf. "Euch gehört die Macht, uns gehört die Nacht", lautet eine der beliebtesten Parolen. Trotzdem beklagen die RZ wiederholt die fehlende organisatorische Kontinuität dieser Bewegungen. Auch bleibt immer eine gewisse kulturelle und emotionale Distanz. Zu deutlich ist die Herkunft des Denkens der RZ aus den Jahren nach 1968 zu spüren. "Das Konzept 'Schafft viele Revolutionäre Zellen' ging nur insofern auf, als eine Parallelität der Kampfmethoden entstand. Es war uns jedoch nicht gelungen, in den Teilbereichsbewegungen Fuß zu fassen oder die Militanten aus ihren Zusammenhängen heraus für eine revolutionäre Perspektive und Organisation zu gewinnen." (4)

Neben dem Häuserkampf und der Anti-AKW-Bewegung ist in diesen Jahren die Auseinandersetzungen um die Startbahn-West in Frankfurt/Main ein zentrales Thema. Wie niemals zuvor und danach gelingt es einigen Gruppen der RZ, sich in diese Bewegungen zu integrieren. Und dies, obwohl ihre Beteiligung an der Anti-Startbahn-Bewegung am Anfang von einem schweren Fehler überschattet ist. Im Mai 1981 wird ein Anschlag auf den hessischen Wirtschaftsminister und Hauptverantwortlichen für den geplanten Ausbau der Startbahn/West, Heinz-Herbert Karry, verübt. Doch dieser wird nicht am Knie, wie ursprünglich geplant, sondern an der Beckenschlagader getroffen und verblutet.

In den folgenden Monaten propagieren die RZ den Angriff auf die am Bau der Startbahn beteiligten Firmen als erfolgversprechende Strategie und praktizieren diese auch wiederholt. Doch kann auch damit der Bau der Startbahn / West nicht verhindert werden. Nach dem Ende der meisten sozialen Bewegungen stellt sich für die RZ wie für viele der Beteiligten die Frage nach dem "Wie weiter?" Wie kann man die Kontinuität aufrechterhalten, ohne einfach nur auf die nächste Bewegung zu hoffen?

Abfackeln und abhauen

In einem langem Papier arbeiten die RZ die Bewegung gegen die Startbahn / West auf. An diesem Text gibt es allerdings auch viel Kritik. So schreiben Bewegungsautonome in einem längeren Artikel über "Gratwanderungen und Gletscherspalten" in der radikal Nr. 114 vom März 1983: "In ihrem Verhältnis zur Massenbewegung sind die RZ immer mehr dazu übergegangen, den Anspruch, an Massenbewegungen anknüpfen zu wollen, dadurch zu erfüllen, die Massen mittels ihrer Aktionen zur Militanz und Offensive erziehen zu wollen, wobei Brand- und Sprengstoffanschläge als pädagogischer Rohrstock dienen. Ein solches erzieherisches Verhältnis kann nicht akzeptiert werden ..."

Der Artikel endet mit der umstrittenen Aufforderung: "Zellen - ab in die Bewegung". Gemeint ist damit, militante Kontinuität und Erfahrung nicht als Organisation, sondern als Menschen in realen Bewegungen herzustellen. "Anschläge können eigentlich nur die Würze in der Suppe sein, niemals die Suppe selbst."

Genauer wird dieser Konflikt noch einmal in der radikal Nr. 121 vom Oktober 1983 formuliert: "Indem sich eine organisierte militante Gruppe für kontinuierlichen Widerstand entschieden hat, verändert sich auch ihre Strategie; Bewegungen sind demgegenüber etwas Fremdes, Eigendynamisches und Unkontrollierbares." Und weiter: "Die von den Massen verschmähten Führer (RZ) werfen ihren Kontrahenten (BI-Spitze) vor, die Massen getäuscht und betrogen zu haben. Zwei Führer streiten sich um die Massen."

Gegen diese Vorwürfe wehrt sich im Dezember 1983 eine RZ "mit der Option auf ein zukünftiges Ministerium zur Abschaffung von Lust und Leidenschaft" in der radikal Nr. 123: "Militanz und Aktionen werden zwar noch für gut befunden, aber nur solange sie keine politischen Zusammenhänge herstellen bzw. Kontinuität beweisen. 'Hingehen, abfackeln, abhauen'. Alles, was darüber hinausgeht, wird als potenzielle Kaderpartei beschimpft und gipfelt in der Unterstellung vom Aufbau eines neuen Staates. Politik als schmutziges Geschäft - deshalb nie wieder Politik. Was zählt ist die 'neue Subjektivität'. Wie fühl' ich mich hier am wohlsten? Ausdruck ist das krampfhafte Suchen nach Nischen (Neue Kultur), in denen auf die nächste Bewegung gewartet werden kann, ohne daß eine Aufarbeitung der letzten Bewegungen überhaupt stattfand." Gleichzeitig bleiben die RZ das große Vorbild für die Autonomen, zum Beispiel beim Polit-Festival "radikal & zornig" 1983 in Berlin.

Ebenfalls spielt zu Beginn der achtziger Jahre in der BRD der Konflikt um die Nachrüstung eine große Rolle. Dagegen opponiert einerseits die Friedensbewegung, andererseits die autonome Bewegung mit einem antimilitaristischen Ansatz. Dazu kommt der eher der RAF nahe stehende antiimperialistische Widerstand, der sich ausschließlich gegen die Nato und die USA richtet.

Bei Besuchen von Repräsentanten der US-Regierung kommt es immer wieder zu militanten Großdemonstrationen mit Zehntausenden von TeilnehmerInnen. Den Besuch von Ronald Reagan am 11. Juni 1982 in West-Berlin begleiten die RZ mit insgesamt neun Anschlägen auf Infrastruktureinrichtungen der US-Armee. Die RZ versuchen, die Hochrüstung als nicht nur aus den USA kommend zu thematisieren, sondern auch die deutsche Rüstungsindustrie anzugreifen. Der materiell wohl bedeutendste Anschlag ist dabei die Sprengung eines Firmencomputers von MAN mit zirka 20 Millionen Mark Sachschaden.

In diesem Zusammenhang gibt es zwei bedeutende inhaltliche Interventionen der RZ. Einerseits das Papier "Frieden, Krieg und Krise" sowie der Text zum "Unterschied zwischen Beethoven und McDonald", in dem sie nach neonazistischen Anschlägen auf Wohngebiete von US-amerikanischen Soldaten auf den Unterschied zwischen antiimperialistischen (gegen die Politik der US-Regierung gerichteten) und antiamerikanischen Anschlägen hinweisen.

Zwischen 1979 und 1982 zeichnet auch eine "RZ in der IG Metall" für mehrere Aktionen verantwortlich, z.B. gegen das Bundesarbeitsgericht in Kassel. Im März 1984 veröffentlichen die RZ zur bevorstehenden Auseinandersetzung um die 35-Stunden-Woche das Papier "Wolf im Schafspelz - 35-Std.-Woche, Sozialpartnerschaft, Linke, Klassenantagonismus", in dem sie die schleichende Entwicklung zur vollflexibilisierten ArbeiterInnenklasse vorhersehen. Allerdings fällt ihnen zur Frage, "wie autonome sozialrevolutionäre Positionen zu entwickeln" seien, nicht viel ein. Zudem intervenieren die RZ mit Anschlägen zur Unterstützung des britischen Bergarbeiterstreiks 1985.

Gleichzeitig thematisieren seit Anfang der achtziger Jahre RZ und Rote Zora die Gentechnik und die möglichen sozialen Folgen von Reproduktionstechniken als neue Herrschaftstechniken. Ihre generelle Ablehnung des Computers als neues Herrschaftsinstrument liest sich heute sehr maschinenstürmerisch und war auch damals umstritten. "Die Logik der Computer ist die Logik des Kapitals: Er dient der Ausbeutung und Unterwerfung, der Zersplitterung und Selektion, der Erfassung und Repression. Die sinnlosen Debatten über die alternative Nutzbarmachung von Computern dokumentiert nicht Phantasie, sondern vielmehr Ohnmacht angesichts des monströsen Ausmaßes der technologischen Gewalt." (6) Allerdings kostete damals ein Computer ca. 50 000 Mark, und den PC für den privaten Gebrauch gibt es erst seit 1990.

Wie das Konzept der RZ im Bedarfsfall aufgegriffen wird, zeigt sich im April 1986 in den Monaten nach dem atomaren GAU im Atomkraftwerk von Tschernobyl. In nächtlichen Sägeaktionen werden über 150 Strommasten in der BRD gefällt.

Die Flüchtlingskampagne "Für freies Fluten"

Spätestens ab Mitte der achtziger Jahre wird in der BRD die Frage der Einwanderung zu einem weiteren Konfliktpunkt. Der gesellschaftliche Rassismus verstärkt sich, es beginnt eine schleichende "Ethnisierung von sozialen Konflikten". Als der Zustrom von etwa zwölf Millionen deutschsprachigen Flüchtlingen aus dem Osten versiegt, beginnt seit Ende der fünfziger Jahre die bundesdeutsche Industrie wegen fehlenden Arbeitskräften mit der Anwerbung von meist jungen männlichen Arbeitern. Mit dem Ende des fordistischen Wirtschaftsbooms 1973 wird ein "Anwerbestopp" erlassen und die so genannten Gastarbeiter werden aufgefordert, wieder in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Diese beginnen im Gegenteil, ihre Familien nachzuholen und innerhalb weniger Jahre ist der gleiche Beschäftigungsgrad (Lohnarbeitsverhältnisse pro tausend EinwohnerInnen) erreicht wie bei den Menschen mit deutschem Pass. Ende der siebziger Jahre leben etwa vier Millionen so genannter AusländerInnen im Land.

Seit Beginn der achtziger Jahre gelingt es immer mehr Flüchtlingen aus dem Trikont, in die BRD und - insbesondere über die einseitig offene Grenze mit Ostberlin - nach Westberlin einzureisen. Sie flüchten vor Bürgerkriegen und wirtschaftlicher Misere, wie nach dem Militärputsch von 1980 in der Türkei oder nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran. Mit abschreckenden Gerichtsurteilen und Verwaltungserlassen wird versucht, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen.

So urteilt das Berliner Verwaltungsgericht, dass Folter kein Asylgrund sei. Beispielhaft macht sich diese Entwicklung 1983 am Selbstmord des türkischen Asylbewerbers Cemal Altun fest, der sich seiner drohenden Abschiebung durch einen Sprung aus dem Fenster im vierten Stock des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin entzieht. Sein Tod mobilisiert noch am selben Abend über 10 000 Menschen zu einer spontanen Demonstration.

Zudem scheitert 1985 der erste Versuch, Lebensmittelgutscheine für Flüchtlinge einzuführen. Für von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge wird unter anderem von der Alternativen Liste (AL, später Bündnis 90/Grüne) in Westberlin die Aktion "Fluchtburg" initiiert. Gleichzeitig verschiebt sich im alltagskulturellen Bereich deutlich der Blick von einer Wahrnehmung der AusländerInnen als nützliche bzw. ausgebeutete ArbeiterInnen hin zu einer ethnischen Wahrnehmung und der Betonung der "fremden Kultur".

Mit der Herausgabe des Zorn-Extra, ihrer neunten Zeitung, starten die RZ im Oktober 1986 ihre Flüchtlingskampagne. "Wir wollen zur Rückgewinnung eines konkreten Antiimperialismus in der BRD beitragen - in diesem Zusammenhang steht unsere Orientierung an der Flüchtlingsfrage." Mit ihrem Auftauchen in der Metropole würden die BewohnerInnen des Trikont ihren Anspruch auf Leben und Entschädigung geltend machen, schreiben sie weiter. Es gehe um offene Grenzen und freie Flüchtlingsstädte, diese seien aber nur durchzusetzen, "indem wir den Flüchtlingen einen Raum verschaffen, der nicht mehr staatlich kontrolliert und reglementiert werden kann".

Ihren Vorschlag richten sie an die autonome und sozialrevolutionäre Linke, "die Flüchtlingsfrage zum Prüfstein des politischen Handelns auf verschiedenen Ebenen zu machen". In diesem Zusammenhang werden die Knieschüsse auf den Leiter der Westberliner Ausländerpolizei Harald Hollenberg 1986 und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher 1987 verübt. Im selben Jahr findet der Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber statt.

Die RZ argumentieren, dass die sozialen Auseinandersetzungen vom Staatsapparat in einen ethnischen Konflikt gegen die Flüchtlinge umgedeutet werden. Doch auch die RZ können nicht benennen, wie der Kampf der Flüchtlinge mit den Interessen der deutschsprachigen Unterklassen zusammengehen soll. "Wir hatten nie die Illusion, daß Teile der proletarischen Jugend, der Frauen, der Arbeitslosen oder andere Teile der Gesellschaft rasch gemeinsame Interessen mit Flüchtlingen und ImmigrantInnen entwickeln würden, dafür greift der Sexismus und Rassismus zu gut. Antiimperialismus muß aber genau dort angesiedelt sein und diesen Knoten durchschlagen." (7)

Später wird diese Kampagne von einigen RZ-Gruppen sehr selbstkritisch gesehen. Entgegen ihrer im Revolutionären Zorn Nr. 6 von 1981 formulierten Erkenntnis, dass sich Bewegungen nicht durch bewaffnete Politik anschieben lassen, versuchen sie genau dies. Eine Gruppe aus dem Traditionszusammenhang der RZ kritisiert den Ansatz, die Flüchtlinge zum "revolutionären Subjekt" zu stilisieren, mit dessen Hilfe sich die Verhältnisse in der Metropole aushebeln lassen, als schlicht "falsch".

Und im Text "Das Ende unserer Politik" aus dem Januar 1992 heißt es zur Flüchtlingskampagne: "Wir phantasierten den Willen der Flüchtlinge, in den Metropolen ihren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum und an existenzieller Sicherheit einzuklagen, als direkten antiimperialistischen Kampf, verbunden mit trikontinentaler Widerstandserfahrung - und damit als mögliches Terrain unserer eigenen Politik. Als die Kämpfe in dieser Form ausblieben, auf die wir hätten Bezug nehmen wollen (wobei wir die vielen 'reformistischen' Forderungen von Asylsuchenden leicht übersahen), kompensierten wir dies mit der Analyse der staatlichen Flüchtlingspolitik und mit Angriffen auf deren zugängliche Agenturen. Wir machten die Sache der Flüchtlinge zu der unsrigen, ohne auf ihre Subjektivität und Erwartungen Rücksicht zu nehmen, ja ohne sie zu kennen." (8)

Trotz aller Kritik reagiert die autonome Szene Anfang der neunziger Jahre verstört, als die RZ die Kampagne beenden, gerade als diese aus Sicht der Autonomen besonders notwendig wird. Über die kurzfristig offenen Grenzen im Osten erreichen Hunderttausende von Flüchtlingen die Metropole. Die Situation eskaliert erneut: Im Sommer 1991 wüten in Hoyerswerda Teile der Bevölkerung gegen ehemalige Vertragsarbeiter der DDR aus Angola und Mozambique. Im Jahr darauf kommt es, geschürt durch eine massive Kampagne der CDU, zu einem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen gegen Roma und Sinti sowie VertragsarbeiterInnen aus Vietnam. Das Ziel der CDU, das individuelle Recht auf Asyl aus dem Grundgesetz zu streichen, erreicht sie mit dem so genannten Asylkompromiss auch ansatzweise. Die Position der "Offenen Grenzen für Alle" ist zu minoritär.

De facto finden sich viele Autonome in einer Position der Verteidigung des Grundgesetzes und der bürgerlichen Rechte der Flüchtlinge wieder. Die individuellen Rechte der Flüchtlinge werden weiter beschnitten, insbesondere wird das Arbeitsverbot ausgeweitet, eine Residenzpflicht für je einen Landkreis eingeführt und die Unterbringung immer mehr von Privatwohnungen in Heime verlagert. An den Ostgrenzen zu Polen und Tschechien wird der Bundesgrenzschutz aufgerüstet. Dagegen richtet sich der letzte Anschlag der RZ auf die Stromversorgung des BGS in Frankfurt/Oder. Die Anzahl der Flüchtlinge, die es in die BRD schaffen und hier einen Asylantrag stellen können, verringert sich deutlich.

Rote Zora gegen Adler

Die Frauen der Roten Zora verfolgen in den achtziger Jahren ihre eigene Politik und wollen nicht einfach der feministische Flügel der RZ sein: "Wir wollen keine 'linke' Arbeitsteilung nach dem Motto: die Frauen für die Frauenfragen, die Männer für die allgemeinen politischen Themen." Sie richten ihre Anschläge einerseits gegen Frauenhändler und Sex-Shops, andererseits gegen die Siemens-Elektronik, die Computerfirma Nixdorf und ein Datenzentrum als Widerstand gegen Rüstungsproduktion, Überwachung und wirtschaftliche Umstrukturierung. Etwa ab 1985 greifen sie den Widerstand von Frauen gegen Gen- und Reproduktionstechnologien auf und konzentrieren ihre Anschläge fast ausschließlich auf diesen Bereich.

Am bekanntesten werden sie 1987 mit ihren Aktionen gegen die Bekleidungskette Adler zur Unterstützung eines Streiks von Näherinnen in Südkorea. Nachdem ein Brandsatz in der Zentrale ohne Reaktion der Geschäftsleitung auf die Forderungen der streikenden Frauen bleibt, gehen in der Nacht des 15. August 1987 gleichzeitig in neun Adler-Filialen Brandsätze hoch. Als kurz darauf nochmals ein weiterer Brandsatz - von "Amazonen" gelegt - in Berlin die Sprinkleranlage auslöst und so eine ganze Filiale unter Wasser setzt, gibt die Geschäftsleitung den Forderungen der streikenden Frauen in Südkorea nach. Solche konkreten Erfolge, die auf militante Aktionen in der BRD zururückzuführen sind, gibt es selten.

Gerade deshalb intensiviert das BKA seine Fahndungsanstrengungen. Am 18. Dezember 1987 schlägt das BKA mit einer Razzia gegen 33 Personen zu, die entweder der Mitgliedschaft oder der Unterstützung der RZ/ Rote Zora bezichtigt werden. Mehreren Beschuldigten gelingt es, sich rechtzeitig dem Zugriff des BKA zu entziehen. Zum Teil leben sie noch heute in der Illegalität.

Unter den Festgenommenen befindet sich Ingrid Strobl, die einen bei einem Anschlag benutzten Wecker gekauft haben soll. Dafür sitzt sie zweieinhalb Jahre im Gefängnis. Nachdem diese Repression verarbeitet ist, setzen die RZ Ende 1989 ihre Angriffe auf die staatliche Flüchtlingspolitik fort.

Das Ende der RZ

Seit 1990/91 nehmen die unter dem Zeichen RZ begangenen Anschläge rapide ab. De facto scheinen sich die RZ in den kommenden Jahren mehr oder weniger aufzulösen. Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung des BGS in Frankfurt/Oder Ende 1993 werden keine militanten Aktionen mehr unter dem Namen RZ begangen. Der letzte Anschlag der Roten Zora erfolgt 1995 auf eine Werft bei Bremen, in der Kriegsschiffe für die Türkei hergestellt werden.

Über die Gründe für das Abflauen ist oft spekuliert worden. Der äußerliche Anlass scheint vor allem der mit der deutschen Vereinigung einhergehende Zusammenbruch der Linken zu sein. Die weltweiten Koordinaten (Ost-West-Konfrontation, etc.), in denen gedacht und gehandelt wurde, lösen sich auf. Manche Anschläge erscheinen eher aktionistisch.

Dieses Problem beschreibt das im Frühjahr 1991 erscheinende Papier einer "Gruppe aus dem Traditionszusammenhang der RZ" mit dem Titel "This is not a love song" so: "Mit dem Anschlag auf das mittlerweile politisch völlig unbedeutende Denkmal des deutschen Militarismus von 1871, die Siegessäule in Berlin, beweisen Revolutionäre Zellen, dass sie sich mittlerweile völlig außerhalb von Raum und Zeit befinden. (...) Abgesehen davon, dass die Aktion zeitlich deplaziert war, haben die Genossen gezeigt, dass sie keine Antworten haben auf die von ihnen aufgegriffenen, objektiv richtigen Fragen - nämlich nach dem Verhältnis von Nationalismus, Rassismus und Sexismus und der eigenen politischen Praxis. In der Erklärung fehlt jegliche politische Orientierung - das bringt den Etikettenschwindel der Genossen auf den Punkt. Sie täuschen Klarheiten vor, wo keine erkennbar sind - beispielsweise nach dem Verhältnis von Militanz und antipatriarchalem Widerstand von Männern." (9)

Ein weiteres Problem ist der Widerspruch zwischen der von den RZ gewollten politischen Organisation und der gleichzeitigen Existenz als "militärische" Organisation. Dazu heißt es, ebenfalls im Text "Das Ende unserer Politik": "In der Fixierung auf unsere Kampfmethoden verzichteten wir darauf, eine theoretische politische Orientierung zu entwickeln, die mehr beinhaltete als einzelne Versatzstücke zu bestimmten Konflikten. Unser sozialrevolutionäres Theorieverständnis setzte sich bestenfalls mosaikartig aus der Summe der Kommentare und Analysen zu den einzelnen Widerstandsfeldern zusammen, eine festere Anbindung war so nicht möglich. (...) Die Dialektik von bewaffnetem Widerstand und Massenkämpfen blieb rein äußerlich. Die eigene, subjektive Entscheidung für grenzüberschreitendes politisches Verhalten, für bewaffnete Anschläge, und die Zustimmung der Linken zu unseren Anschlägen legten wir - fälschlicherweise - als systemsprengende revolutionäre Kraft, als ersten Schritt eines revolutionären Prozesses aus. Hatten wir wirklich geglaubt, mit einem derart reduzierten Programm die Komplexität der gesellschaftlichen Veränderungen in ihren politischen und kulturellen, sozialen und organisatorischen Ausmaßen beeinflussen zu können? Offensichtlich!" (10)

Intern scheint ein entscheidender Punkt die Ermordung von Gerd Albartus im Libanon zu sein, die eine Dynamik von Entfremdung und Ausstieg in Gang setzt. Mit dem Erscheinen des Papiers "Gerd Albartus ist tot" wird seit Dezember 1991 die Debatte darum öffentlich geführt.

Im Januar 1992 erklärt eine Gruppe aus Nordrhein-Westfalen "das Ende unserer Politik". Dieses Papier wird zum Zeitpunkt seines Erscheinens heftig kritisiert. Insbesondere fragen sich die Autoren, ob Anschläge die richtige politische Antwort auf die augenblicklichen Verhältnisse sind. Eines der Hauptmotive für die Gründung der RZ, militante und bewaffnete Aktionen in einem Land wie der BRD überhaupt als Handlungsoption denkbar zu machen, ist ihnen, von heute aus betrachtet, gelungen. Dies löst aber nicht die Frage, welche Aktionsformen aktuell in welcher Situation angebracht und berechtigt sind. "Die Form und das Mittel des bewaffneten Kampfs, das wissen wir selbst ziemlich genau, wird leicht zum Selbstzweck, zum Ersatz für politische Strategien." (11)

In dem Text "This is not a love song" von Frühjahr 1991 finden sich noch einmal die wichtigsten Grundgedanken für die militante Politik der RZ zusammengefasst: "Militante Aktionen haben zum Ziel, die gesellschaftlichen Widersprüche zu verschärfen, soziale Kämpfe voranzubringen und erkämpfte Freiräume abzusichern oder zu erweitern. Sie sollen die Gewalt des Systems sichtbar machen, dem Unrecht einen Namen geben, Projekte der Herrschenden sabotieren und das System der sozialen und repressiven Kontrolle zerstören. Sie sollen entgegen dem weitverbreiteten Gefühl der Ohnmacht Widerstand immer wieder möglich machen und den Mythos der Macht zerstören. Sie sollen die Herrschenden politisch treffen, sie verunsichern oder der Lächerlichkeit preisgeben." (12)

Die Autoren sind erreichbar unter: Dia-Gruppe, c/o Buchladen Schwarze Risse, Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin.

Anmerkungen

  1. Siehe Gilles Deleuze/Félix Guatarri: "Rhizom", Berlin 1976
  2. Zit. aus einem Interview mit der Revolutionären Zelle vom Mai 1975, abgedruckt in "Früchte des Zorns" (FdZ), Berlin 1993, S.113
  3. Zit. nach Focus, 4/00
  4. Zit. aus "Das Ende unserer Politik", in: FdZ, S.43
  5. FdZ, S.22
  6. Zit. aus einer Erklärung zum Angriff auf zwei Softwarefirmen im September 1985; FdZ, S.326
  7. Zit. aus einer Erklärung zum Anschlag auf Asylgerichte in NRW 1989 in FdZ, S.563
  8. FdZ, S.41
  9. FdZ, S.659/660
  10. FdZ, S.45
  11. FdZ, S.40
  12. FdZ, S.662
MAIL
http://www.freilassung.de/presse/berlin/juw210301b.htm