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Presse

Datum:
17.04.2007

Zeitung:
Berliner Zeitung

Titel:
Ein Urteil - ganz so, wie versprochen

Ein Urteil - ganz so, wie versprochen

Ex-Terroristin erhielt zwei Jahre auf Bewährung

Es kam, wie es kommen sollte. Adrienne G., 58 Jahre alt, wurde gestern vom 1. Strafsenat des Berliner Kammergerichts zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt - wegen versuchter Herbeiführung von zwei Sprengstoffanschlägen und Mitgliedschaft in der terroristischen Frauen-Vereinigung Rote Zora. Es geht um die Anschläge auf das Gentechnische Institut in Berlin im Oktober 1986 sowie auf das Bekleidungswerk Adler in der Nähe von Aschaffenburg im Juni 1987. Beide Bomben, gebastelt aus Pappe, Toilettenpapier und Fruchtsaftpackungen, zündeten nicht. Adrienne G., die sich von 1982 bis 1984 von der Lehrerin zur Funkelektronikerin umschulen ließ, hatte zur Zündung der Sprengsätze jeweils einen Wecker gekauft und war bei einem Kauf gefilmt worden.

Strafmildernd wertete das Gericht, dass es bei den Anschlägen weder Personen- noch Sachschaden gab und die Taten zudem lange zurückliegen. Zudem hätte es mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" keinen Prozess gegeben, wenn sich die Frau nicht im Dezember 2006 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten gestellt hätte. Dieser soll Mitglied bei der terroristischen Vereinigung Revolutionäre Zellen gewesen sein. Gegen ihn wird gesondert verhandelt, die Anklage ist noch nicht fertig.

Wissentlich und willentlich

Bereits zu Prozessbeginn am vergangenen Mittwoch hatte der Vorsitzende des Senats erklärt, dass diese Strafe im Raum steht, sofern Adrienne G. ein Geständnis ablegt. Das hatte sie getan, wenn auch ohne Details. Die Taten hätten ihrer damaligen politischen Überzeugung entsprochen, ließ sie über ihre Anwältin erklären. Sei sei in der Frauenbewegung aktiv gewesen und habe sich aus politischer Überzeugung "wissentlich und willentlich" der Roten Zora angeschlossen und an der Planung beider Anschläge teilgenommen.

Fast 20 Jahre lang hatte Adrienne G. in der Illegalität gelebt, irgendwo im Ausland, wie sie sagte. Wo sie lebte, sagte sie nicht. Auch nicht, warum sie sich plötzlich gestellt hat. "Mit Mühe", sagte der Richter in der Urteilsbegründung, habe er bei ihr eine gewisse Reue erkennen können. Auch sprach er von einer "gewissen Änderung ihrer politischen Einstellung", wenngleich Adrienne G. in dem dreitägigen Prozess weder von Reue gesprochen noch etwas zu ihrer heutigen politischen Einstellung gesagt hatte.

Vielleicht hatte sie ja einfach nur ganz praktische Erwägungen für ihre Rückkehr nach Berlin. Vielleicht war sie es leid, mit falschen Papieren zu leben. Zudem rückt wohl auch die Frage der Altersrente und Gesundheitsversorgung näher, wenn man 58 Jahre alt ist.

Von Sabine Deckwerth

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