Datum:
20.10.2000
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Zeitung:
taz
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Titel:
Auftrag kam aus Libyen
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Auftrag kam aus Libyen
Vor dem Frankfurter Landgericht nannte der Beschuldigte Hans-Joachim
Klein Libyen als Organisator des Opec-Überfalls. Geiselnahme
sollte Solidarität der Erdölstaaten mit Palästinensern
erzwingen
Im Prozess vor dem Frankfurter Landgericht hat Hans-Joachim Klein
gestern erstmals zum Überfall auf die Opec-Ministerkonferenz vom
Dezember 1975 in Wien ausgesagt. Das Attentat sei zwar eine
deutsch-arabische Gemeinschaftsaktion der palästinensischen
Befreiungsbewegung PFLP und der deutschen Revolutionären Zellen (RZ)
gewesen. Idee, Waffen und Informationen seien aber aus dem
Opec-Mitgliedsland Libyen gekommen. Durch die Entführung ihrer
Minister habe man die Petro-Länder, so Klein, "zu mehr
Solidarität mit den Palästinensern" zwingen wollen.
Die Tat, bei der drei Menschen ermordet, drei weitere schwer verletzt
und 70 Geiseln genommen wurden, sei in Wien drei Wochen lang von Hotels und
angemieteten Wohnungen aus vorbereitet worden. Eine Woche vor dem
Überfall auf das Haus der Konferenz der Erdöl exportierenden
Länder hätten er, Klein, und rund zehn Kommandomitglieder in der
Wohnung einer Wiener Kammersängerin auf Waffen und Informationen
über das Opec-Gebäude gewartet.
Mehrere Treffen mit den libyschen Kurieren seien geplatzt. Die Aktion
wäre daher beinahe abgesagt worden, so Klein gestern. Insgesamt seien
sie rund zehn Personen gewesen, darunter auch Illich Ramirez Sanchez alias
"Carlos" und vier deutsche RZ-Mitglieder. Die Anmietung der
benötigten Wohnungen und Autos hätten die Revolutionären
Zellen erledigt.
Klein war in den 60er- und 70er-Jahren eine der wichtigsten Figuren der
linksextremen Szene in Frankfurt.Nach jahrelanger Fahndung war er 1998 in
Westfrankreich festgenommen worden.
Unklar blieb auch gestern die Rolle des Mitangeklagten Rudolf Schindler,
der Klein zu dem Anschlag angestiftet haben soll. An diesen Vorbereitungen
sei auch der 57-jährige Rudolf Schindler beteiligt gewesen, der
ebenfalls in Frankfurt vor Gericht steht. Das hatte Klein schon bei seinen
ersten Vernehmungen nach seiner Auslieferung aus Frankreich 1998 bei der
Polizei ausgesagt.
Gestern räumte er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Heinrich
Gehrke ein, dass er selber Schindler in Wien nicht gesehen habe. Er habe
nur gehört, dass dieser bei den Vorbereitungen dabei sei.
Zuvor hatte Klein ausführlich über seine Anwerbung für
das Attentat berichtet. Dazu habe er sich im Herbst 1975 mit den damals
schon untergetauchten Mitgliedern der Revolutionären Zellen, Wilfried
Böse und Brigitte Kuhlmann, im Frankfurter Stadtwald getroffen.
Schindler sei auch dabeigewesen. Er habe ihnen erst gesagt: "Das ist
unmöglich. Das sind so mächtige Leute." Er habe sich
Bedenkzeit ausgebeten und nach "reiflicher Überlegung"
zugesagt.
Er sei dann zur Schweizer Grenze gebracht worden, habe diese illegal
überquert. Auf der anderen Seite sei er abgeholt und nach Zürich
gefahren worden. Dort habe er sich mit dem damaligen "RZ-Chef"
Wilfried Böse getroffen und sei mit diesem im Zug nach Wien
gereist.
Gerade bei seinen den Mitangeklagten Schindler belastenden Aussagen
wirkte Klein gestern weniger sicher als noch am ersten Prozesstag. Zum
Auftakt der Verhandlung am Montag hatte er geschildert, dass er ein Jahr
nach dem Attentat aus dem Terrorismus aussteigen wollte und deshalb um sein
Leben gefürchtet hatte. Er sei sich damals sicher gewesen, dass
Schindler alias "Max" oder "Scharif" ihn in einem
Versteck der Revolutionären Zellen, einem einsamen Bauernhaus im
italienischen Aosta-Tal, "entweder entführen oder umbringen"
wollte. Auch hier hatte er, sagte Klein gestern, Schindler nicht selbst
gesehen, sondern nur gesagt bekommen, der sitze vor dem Haus im Auto.
Schindler selbst schwieg während des Prozesses, seine Anwälte
bestritten die Vorwürfe.
Zur Rekonstruktion des Hergangs diente ein vom Landeskrininalamt eigens
dafür gebautes maßstabgetreues Pappmodell des Wiener
Opec-Gebäudes.
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