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Datum:
16.02.2001
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Zeitung:
taz
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Titel:
Neun Jahre für Klein-Klein
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Neun Jahre für Klein-Klein
Frankfurter Landgericht verurteilt Hans-Joachim Klein wegen Wiener
Opec-Überfalls 1975 zu neun Jahren Haft.
Kronzeugenregelung angewendet, Freispruch für Mitangeklagten
Schindler
Zu neun Jahren Gefängnis wegen dreifachen vollendeten Mordes,
Mordversuchs und Geiselnahme verurteilte die 21. Große Strafkammer
des Frankfurter Landgerichts gestern Nachmittag den Hauptangeklagten
Hans-Joachim Klein (53). Den wegen Beihilfe mit angeklagten Rudolf
Schindler (57) sprach das Gericht frei. Seine Tatbeteiligung am
Überfall auf die Ministerkonferenz Erdöl exportierender
Länder (Opec) am 21. Dezember 1975 in Wien sei nicht erwiesen.
Der Vorsitzende Heinrich Gehrke verwies auf die schwierige
Wahrheitsfindung nach "einem Vierteljahrhundert" vergangener
Zeit. Tatzeugen seien kaum noch aufzutreiben oder so unglaubwürdig
gewesen wie der in Paris vernommene damalige Kommandeur der
Attentäter, Illich Ramirez Sanchez, genannt "Carlos".
Erinnerungen hätten sich vermischt, Spuren seien schon damals
nachlässig gesichert worden. Schindler sei zwar zweifelsohne Mitglied
der am Attentat beteiligten Revolutionären Zellen (RZ) gewesen.
Für seine Mittäterschaft aber habe die Staatsanwaltschaft
außer der Aussage von Klein keinen einzigen Beweis vorgelegt.
Dennoch begründete das Gericht die bei Mord relativ milde
Zeitstrafe für Klein mit der Anwendung der Kronzeugenregelung. Die Tat
sei zwar "verachtenswert auf niedrigster Stufe". Die drei Morde
hätten der Vorbereitung der Geiselnahme der Erdölminister und
ihrer Begleiter gedient. Kleins Verhalten aber habe den
Ermittlungsbehörden - auch ohne eine Verurteilung Schindlers - schon
früher geholfen. Seinem Ausstieg und die Loslösung vom
Terrorismus habe er 1977 "mutig und nach außen sichtbar" in
die Tat umgesetzt, indem er vor weiteren geplanten Anschlägen der RZ
warnte. Dafür habe er ein Leben in Angst vor Racheakten durch die
ehemaligen Kampfgenossen der RZ, die Palästinenser oder den libyschen
Geheimdienst auf sich genommen und zudem noch die deutschen
Strafverfolgungsbehörden zu fürchten gehabt. In seinem 1979
erschienenen Buch habe er Strukturen des Terrorismus offen gelegt.
Richter Gehrke hatte zu Beginn der Urteilsbegründung ausdrücklich
kritisiert, dass seine Vorladung des Bundesaußenministers
Fischer als Zeuge für die Zeit Kleins vor dem Attentat nicht
hatte bezwecken sollen, dass dieser "erhebliche Schwierigkeiten"
bekomme. Fischer habe, ebenso wie der Europa-Abgeordnete Daniel
Cohn-Bendit und der Kabarettist Matthias Beltz, "offen und
seriös" ausgesagt. Die Frankfurter Sponti-Szene, der sich
Klein ab 1975 entfremdet habe, habe auch während des Häuserkampfes
eher zu relativer Gewaltfreiheit geneigt. Die "Putzgruppe"
von Fischer und seinen Freunden sei nur als "lächerlicher
Versuch" zu werten, sich zu wehren und "nicht immer nur
verprügelt zu werden". Da gebe es, gab Gehrke zu bedenken,
andernorts "unter der Decke der friedlichen, wiedervereinigten
Republik" offensichtlich "noch viel aufzuarbeiten".
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