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Datum:
03.01.2001
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Zeitung:
Netzzeitung
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Titel:
Fischer: "Ja, ich war militant"
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Fischer: "Ja, ich war militant"
Union fordert Rücktritt
Frankfurt/Main, 1973: Der Polizist liegt schon am Boden, doch
die Männer treten weiter auf ihn ein. Jetzt beweisen Fotos:
Einer davon ist Joschka Fischer, heute Außenminister.
BERLIN. Kurz vor seiner mit Spannung erwarteten Zeugenaussage im
Frankfurter OPEC-Prozess Mitte Januar hat sich Außenminister
Joschka Fischer (Grüne) zu seiner gewalttätigen Rolle
bei den Frankfurter Hausbesetzerkrawallen Anfang der 70er Jahre
bekannt. Ja, ich war militant , sagte er dem Magazin Stern in einem
am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview. Wir haben Häuser
besetzt, und wenn die geräumt werden sollten, haben wir uns
gewehrt. Wir wurden verdroschen, aber wir haben auch kräftig
hingelangt.
Fischer nicht länger tragbar
Die Union forderte umgehend den Rücktritt des Grünen-Politikers
wegen seiner militanten Vergangenheit . Nach jüngsten Berichten
sei Fischer in seinem Amt nicht länger tragbar , sagte der
stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach der Berliner
Morgenpost (Donnerstag). Wer sich so verhalten hat, ist kein Repräsentant
einer gewaltfreien Zivilgesellschaft. Mit so einer Haltung kann
man nicht Außenminister von Deutschland sein.
Grüne erwarten Imageschaden
Die bislang unbekannten Fotos des Magazin Stern , die Fischer im
April 1973 bei einer Schlägerei mit einem Polizisten zeigen,
sollen möglicherweise auch ein parlamentarisches Nachspiel
haben. Ich kann nicht ausschließen, dass wir die Sache im
Bundestag zur Sprache bringen , sagte Bosbach. Bei den Grünen
werden ebenfalls negative Folgen durch die Veröffentlichung
erwartet. Es ist nicht auszuschließen, dass es Kritik geben
wird , sagte der Grünen-Außenpolitiker Christian Sterzing
der Zeitung. Dadurch könne auch das Ansehen von Fischer in
der Öffentlichkeit beschädigt werden .
Faustschlag auf Polizisten
Auf den bislang unbekannten Fotos ist zu erkennen, wie Fischer
dem Beamten einen Faustschlag versetzt. Nach Aussage Fischers hatte
die Polizei zuvor eine Demonstration gewaltsam aufgelöst und
verfolgte die Teilnehmer. Damals lief ich allein und mit nichts
in meinen Händen zum ersten Mal nicht mehr weg, sondern der
Polizei entgegen.
Fischer: Es war eine Zeit des Hasses
Zu seinem Weg ins linksradikale Milieu sagte der Grünen-Politiker:
Es war eine Zeit, in der auf Rudi Dutschke geschossen wurde, eine
Zeit der härtesten Konfrontation, des öffentlich gepredigten
Hasses gegen die Studenten, wo für uns die deutsche Demokratie
ein Gesicht zeigte, das die Kontinuität des Nationalsozialismus
wieder aufscheinen ließ (...) Das hat unsererseits Hass geschaffen.
Fischer betonte, er sei aber immer entschieden gegen den bewaffneten
Kampf eingetreten und habe auch nie einen Molotow-Cocktail auf Polizisten
geworfen. RAF und Revolutionäre Zellen waren nie mein Milieu,
im Gegenteil.
Auftritt in Klein-Prozess
Fischer soll Mitte Januar als Zeuge im Prozess gegen seinen damaligen
Freund und späteren Aktivisten der Revolutionären Zellen
(RZ) Hans-Joachim Klein aussagen. Es sei die Tragödie Kleins,
dass er sich mit dieser Szene eingelassen habe. Wäre Hans-Joachim
Klein in unserem Milieu geblieben, stände er heute nicht vor
Gericht. Der Zeugenauftritt sei ihm als deutschem Außenminister
nicht unangenehm, sagte Fischer. Das ist meine Biografie. Das bin
ich, Joschka Fischer. Ohne meine Biografie wäre ich heute ein
anderer, und das fände ich gar nicht gut. Eine ausführliche
Darstellung seines Lebensweges werde sich in der Autobiografie finden,
die er gewiss eines Tages schreiben werde. (dpa)
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