Datum:
20.12.2000
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Zeitung:
Kurier (Österreich)
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Titel:
25 Jahre nach OPEC-Überfall weiß man, wer Auftrag
gab
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25 Jahre nach OPEC-Überfall weiß man, wer Auftrag
gab
Der hat mich in den A... geschossen, aber ich hab's ihm
gegeben! Gut erinnert sich Hofrat Ernst Wallaschek, einst Stapo-Beamter
und seit sechs Jahren in Pension, an diese Worte seines ihm entgegenwankenden
Freundes Kurt Leopolder. Der war bei der Alarmabteilung der Wiener
Polizei und am 21. Dezember 1975, also vor genau einem Vierteljahrhundert,
als einer der Ersten mit den OPEC- Terroristen konfrontiert.
Das Terrorkommando unter Führung von Carlos und einem Palästinenser
namens Anis Naccache hatte die Ölministerkonferenz am Karl-
Lueger- Ring gegenüber der Uni überfallen. Drei Menschen
wurden erschossen.
Joschka Fischer wichtiger Zeuge
Leopolder wurde vom deutschen Terroristen Hans-Joachim Klein verletzt. Der
Polizist feuerte zurück und traf Klein im Bauch. Heute, Donnerstag,
sitzt Klein als Angeklagter im Landgericht Frankfurt und begeht
den 53. Geburtstag. Eigentlich hätte der OPEC-Prozess gegen
ihn und einen zweiten Deutschen heute, am 20. Verhandlungstag, beendet
werden sollen. Aber ein wichtiger Zeuge, der frühere Klein-Gefährte
Joschka Fischer, kann erst am 16. Jänner vor Gericht erscheinen.
Im Prozess wurden die Hintergründe des vorweihnachtlichen,
blutigen Terrors von Wien aufgehellt. Demnach sollte der Überfall
die Position Libyens im innerarabischen Konflikt mit den Saudis
stärken. Auftraggeber des Anschlags war die Palästinensergruppe
PFLP-SC unter Wadi Haddad. Das Terrorkommando unter Leitung von
Carlos hatte nach Aussagen von Beteiligten die Unterstützung
des libyschen Geheimdienstes.
10 Mio. Dollar Lösegeld
Drei Tage vor dem Überfall bekamen die Täter Waffen von der libyschen
Botschaft. Das hinderte Carlos nicht, beim Sturm auf den Konferenzsaal
den Chef-Statistiker der libyschen Regierung, Jusu Ismirli, zu erschießen.
Hofrat Wallaschek gibt zu, dass dieser Umstand seinerzeit nicht
an Drahtzieher in Libyen denken ließ. Wir identifizierten
damals Carlos, Klein und die Kröcher-Tiedemann und dachten
eher an eine RAF-Aktion. Heute hält es der ehemalige Stapo-Chef
für möglich, dass die Ermordung des Libyers ein Irrtum
oder ein kaltblütiges Ablenkungsmanöver gewesen sein kann.
Der ursprünglichen Planung zufolge sollten auch die Erdölminister
von Saudi-Arabien und Iran bei dem Überfall getötet werden.
Tatsächlich wurden die beiden dann als Geiseln genommen und
angeblich gegen zehn Millionen US-Dollar an die PFLP-SC freigelassen.
P.S.: Anis Naccache lebt als Kaufmann in Beirut und bekennt sich
zum Anschlag. Einen Haftbefehl gegen ihn aus Wien gibt es aber nicht.
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