Datum:
17.11.2000
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Zeitung:
Frankfurter Rundschau
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Titel:
Erneut widerspricht ein Zeuge den Aussagen Hans-Joachim Kleins
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Erneut widerspricht ein Zeuge den Aussagen Hans-Joachim Kleins
Mitangeklagter Rudolf Schindler soll nicht an Opec-Anschlag beteiligt
gewesen sein / Nächste Woche sagt Cohn-Bendit aus
Nach dem Zeugenauftritt eines ehemaligen Mitglieds der Revolutionären
Zellen (RZ) tauchen im Frankfurter Opec-Prozess erneut Zweifel an
Aussagen des wegen Mordes und Geiselnahme beschuldigten Hans-Jochim
Klein auf. Beobachter fragten sich, ob Klein seinen Mitangeklagten
Rudolf Schindler zu Unrecht belastet, um in die Gunst einer strafmildernden
Kronzeugenregelung zu kommen.
FRANKFURT A.M., 16. November. Wie der aus Nicaragua angereiste
Gerhard-Hinrich Schnepel (57) am Donnerstag vor dem Frankfurter Landgericht
deutlich machte, war Schindler am Überfall auf die Konferenz
Erdöl exportierender Länder (Opec) am 20./21. Dezember 1975 in
Wien nicht beteiligt. Ebenso falsch sei die Behauptung, dass Schindler
Klein bedroht habe, als dieser sich zwei Jahre nach dem Attentat von der
Terroristengruppe habe lösen wollen.
Der heute in Nicaragua als Berater für Biolandbau tätige
Schnepel hatte sich 1999 als Zeuge gemeldet, nachdem er von Schindlers
Festnahme erfahren hatte. Dessen Verhaftung stützte sich auf Angaben
Kleins, der gegenüber dem Bundeskriminalamt (BKA) erstmals
enthüllte hatte, dass sich bei dem unter den Decknamen "Max"
und "Sharif" in Wien operierenden RZ-Kämpfer angeblich um
den 57-jährigen Feinmechaniker Schindler handelte.
Als "Max" und "Sharif" sei in der RZ aber nicht
Schindler aufgetreten, sondern er selber, bekannte Schnepel nun. Mit der
logistischen Vorbereitung des Opec-Attentat freilich will auch er nichts zu
tun gehabt haben. Gemeinsam mit dem führenden Johannes Weinrich habe
er den beim Wiener Anschlag schwer verletzten Klein später lediglich
im Untergrund betreut - "und zwar freundschaftlich, von Genosse zu
Genosse" - und nichts gegen den von Klein geplanten Ausstieg
unternommen.
Zu Kleins 1979 erschienenen Taschenbuch "Rückkehr in die
Menschlichkeit" erklärte Schnepel, "da steht allerhand
Unsinn drin". Vor allem Schilderungen, wie unmenschlich es innerhalb
der RZ zugegangen sei, seien "diffamierend".
Über das Buch sprach Schnepel 1980 auch mit Cohn-Bendit, damals
zentrale Figur in der Frankfurter Sponti-Szene. Der habe nur gesagt,
"man darf nicht alles wörtlich nehmen". Cohn-Bendit wird
nächste Woche als Zeuge vernommen. Außerdem will das Gericht
Außenminister Joschka Fischer hören, den Klein wiederholt als
"meinen Freund" aus der Frankfurter Häuserkampfszene
bezeichnet hat.
Norbert Leppert
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