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Datum:
01.07.2000
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Zeitung:
TAZ
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Titel:
Kronzeuge auf freiem Fuß
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Kronzeuge auf freiem Fuß
Tarek Mousli, der Hauptzeuge bei den Ermittlungen gegen die Revolutionären
Zellen, wurde bereits Ende April von der Bundesanwaltschaft freigelassen.
Noch im Sommer soll der Prozess beginnen
Die Belohnung kam schnell: Kronzeuge Tarek Mousli ist auf freiem
Fuß. Bereits Ende April konnte der 41-Jährige das
Untersuchungsgefängnis verlassen. Nach Informationen der taz soll noch
im Sommer der Prozess gegen den Berliner Kampfsportlehrer beginnen.
Mousli war nach eigenen Angaben in den Achtzigerjahren bei den
Revolutionären Zellen (RZ) organisiert. Spätestens seit er
deshalb im November 1999 verhaftet wurde, plaudert er ausführlich aus
dem Innenleben der militanten Gruppe sowie der Kreuzberger Szene. Die
Folgen: Fünf Personen sitzen in Untersuchungshaft, das alternative
Kulturzentrum Mehringhof wurde zweimal durchsucht, zahlreiche Linke
müssen damit rechnen, dass Mousli den Ermittlern mehr oder weniger
wahre Geschichtchen aus alten gemeinsamen Zeiten berichtet. Die sechs
Beschuldigten sollen sich in den Achtzigerjahren als Mitglieder einer
Berliner Gruppe der RZ unter anderem an Aktionen gegen die deutsche
Asylpolitik beteiligt haben. Gegen Lothar E., der Mitte der Neunziger nach
Kanada ausgewandert ist, läuft zurzeit das Auslieferungsverfahren vor
den kanadischen Behörden. Er wurde jüngst nach Zahlung einer
Kaution von etwa 150.000 Mark aus dem Gefängnis entlassen.
Silke Studzinsky, die Verteidigerin des im Dezember verhafteten Harald
G., hofft, dass sich Mouslis Freilassung positiv auf die U-Haftdauer der
anderen Gefangenen auswirkt. Zwar sei der Kronzeuge wegen seiner
Geständnisse und Beschuldigungen freigelassen worden, doch immerhin
werde ihm Rädelsführerschaft in den RZ vorgeworfen - eine
Beschuldigung, bei der das Strafgesetzbuch eine Mindeststrafe von drei
Jahren vorsieht. Als "eklatante Ungleichbehandlung" bezeichnet
Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck die Freilassung von Mousli. Erst kürzlich
lehnten die Behörden eine Haftbeschwerde seines Mandanten Matthias B.
ab. Dass der Prozess gegen Mousli möglicherweise bald beginnt,
hält Kaleck für "hochproblematisch". So würden
fragwürdige Kronzeugen-Aussagen ohne ausführliche Beweisaufnahme
hingenommen und legitimiert, die später in den anderen RZ-Verfahren
von Bedeutung sein könnten.
Bei der Bundesanwaltschaft hält man sich derweil bedeckt.
Behörden-Sprecherin Eva Schübel wollte weder bestätigen noch
dementieren, dass Mousli noch im Sommer vor Gericht stehen wird.
"Zunächst muss Anklage erhoben werden." Warum die
Freilassung des Kronzeugen geheim gehalten wurde? Wo er sich aufhält?
Keine Angaben. Da der 41-Jährige jedoch erste Aussagen gegen seine
angeblichen Ex-Genossen und -Genossinnen noch vor Jahresende 1999 gemacht
hat, kann er auf die mittlerweile ausgelaufene Kronzeugenregelung setzen.
Und damit auf ein Zeugenschutzprogramm, das ihm finanzielle Garantien und
eine neue Identität verspricht.
Dennoch wird Mousli nach Aussagen Schübels wohl persönlich vor
Gericht erscheinen müssen, wenn gegen die anderen Beschuldigten
verhandelt wird. Damit würden sich zumindest Befürchtungen von
Anwälten und Unterstützern der anderen RZ-Gefangenen nicht
bestätigen, nach denen der Kronzeuge zur Vernehmung lediglich via
Videokonferenz zugeschaltet wird. Dabei hat Mousli mittlerweile Erfahrung
im Umgang mit Bildschirm und Kamera: Als Beamte des Bundeskriminalamtes am
30. Mai den Mehringhof nach Sprengstoffresten durchsuchten, war er
über Video-Liveschaltung mit dabei und dirigierte die Fahnder vor Ort.
Allerdings nicht aus dem Untersuchungsgefängnis, wie die BAW verlauten
ließ. Da befand er sich schon auf freiem Fuß.
WOLF- DIETER VOGEL
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