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Datum:
21.12.1999
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Zeitung:
Tagesspiegel
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Titel:
Nach der Razzia
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Nach der Razzia
Späte Rache ohne Sinn (Kommentar)
gn Mit Hunderten Polizisten, Bundesgrenzschützern und GSG-9-Spezialisten
am Sonntagmorgen den Mehringhof zu stürmen - bei einem solchen
Aufwand muss schon allerhöchste Gefahr im Verzug sein. Dies
zu dokumentieren, war wohl Anliegen der Bundesanwaltschaft. Mit
der Wirklichkeit der Revolutionären Zellen aber hat dies nichts
gemein. Denn die letzte Straftat, die der Gruppe zugeordnet wird,
liegt über ein Jahrzehnt zurück. Intern gehen Sicherheitsbehörden
davon aus, dass die "Zellen" sich 1992 aufgelöst
haben. Die Schüsse auf den Behördenchef und den Richter
- juristisch schwere Körperverletzung - sind längst verjährt.
Hinweise auf geplante, neue Anschläge gibt es nicht. Tatsächlich
versucht die Bundesanwaltschaft wohl vor allem ihr Trauma der Niederlage
aufzuarbeiten. Bei den jahrelangen Ermittlungen gegen die Revolutionären
Zellen konnte sie keinen einzigen Erfolg vorweisen. Das Großaufgebot
am Mehringhof ist ein Reflex auf diese Erfolglosigkeit. Zur Unverhältnismäßigkeit
der Mittel kommt die Frage, welchen Sinn die Ermittlungen gegen
eine nicht existente "terroristische Vereinigung" machen.
Es droht die Gefahr, die gleichen Fehler wie bei der quälenden
Amnestiedebatte um ein Ende der mörderischen Gewalt der RAF
zu wiederholen. Linksradikale "Märtyrer" zu produzieren
und die Gewaltspirale neu anzufachen, daran sollte niemand ein Interesse
haben.
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