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Datum:
21.12.1999
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Zeitung:
Berliner Zeitung
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Titel:
Polizei fand keinen Sprengstoff im Mehringhof
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Polizei fand keinen Sprengstoff im Mehringhof
Versteck der "Roten Zora" vermutet
Bei der Durchsuchung des linksalternativen Kulturzentrum
"Mehringhof" am Sonntagmorgen sind die Fahnder nicht auf das dort
vermutete Sprengstoffdepot der Terrorvereinigung "Revolutionären
Zellen/ Rote Zora" (RZ) gestoßen. Es seien weder Waffen noch
Sprengstoff entdeckt worden, teilte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft,
Eva Schübel, am Montag mit. Die Durchsuchung habe auf grund von
Hinweisen stattgefungen, nach denen der Hausmeister des
"Mehringhofes" rund 80 Kilogramm des Sprengstoffes "Gelamon
40" versteckt haben sollte. Der Sprengstoff war 1987 von unbekannten
Mitglieder der RZ gestohlen worden. Ein Teil davon war beim Anschlag auf
die Siegessäule Mitte Januar 1991 verwendet worden. Am Sonntag waren
der 49-jährige Hausmeister Axel H. sowie der 51-jährige
Mitarbeiter des Kulturzentrums Harald B. in ihren Wohnungen verhaftet
worden. Sie wurden noch am selben Tag nach Karlsruhe gebracht. Axel H. und
Harald B. stehen im Verdacht, Mitglieder der Terrorvereinigung
"Revolutionäre Zellen" zu sein. "Im Mehringhof wurden
Unterlagen des Hausmeisters sicher gestellt", sagte Eva Schübel.
Diese müssten ausgewertet werden. In der Wohnung von Harald B. seien
elektronische Bauteile gefunden worden."Wir prüfen, ob diese
Teile für den Bau von Sprengsätzen verwendet werden
können", sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft.
Keine aktuelle Gefahr Axel H., Harald B. und die am gleichen Tage
in Frankfurt am Main verhaftete 53-jährige Sabine Barbara E. die
Lebensgefährtin des im Oktober in Untersuchungshaft genommenen Kopfes
der RZ Rudolf Schindler sollen nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft
für die Attentate auf den damaligen Vorsitzenden Richter am
Bundesverwaltungsgerichts Günter Korbmacher in Berlin-Lichterfelde vom
September 1987 sowie auf den ehemaligen Leiter der Berliner
Ausländerbehörde Harald Hollenberg in Zehlendorf vom Oktober 1986
verantwortlich sein. Korbmacher und Hollenberg waren jeweils durch
Beinschüsse schwer verletzt worden. Die Taten sind nach Angaben der
Ermittler mitlerweile verjährt. Von den am Sonntag verhafteten
Tatverdächtigen sei keine aktuelle Gefahr ausgegangen. Die drei
Verdächtigen hätten zuletzt ein ganz normales Leben geführt,
sagte Eva Schübel. Die Haftbefehle gegen die mutmaßlichen
Mitglieder der RZ seien wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung erlassen worden. "Ein Ermittlungsrichter muss nun
klären, ob die Haftbefehle ausgesetzt werden", sagte die
Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Mitglieder der "Revolutionären
Zellen", vom Verfassungsschutz auch als
"Feierabendterroristen" bezeichnet, waren in Berlin letztmalig im
Juli 1991in Erscheinung getreten. Damals sollen Mitglieder der
Terrorvereinigung einen Brandanschlag auf den Reichstag verübt haben.
Das Feuer in dem Gebäude war frühzeitig von Wachleuten entdeckt
worden.
Mitarbeiter protestierten Im linksalternativen Kulturzentrum
"Mehringhof" protestierten am Montag Mitarbeiter gegen die
Durchsuchung. In einer Erklärung fordern die Mitarbeiter "die
sofortige Freilassung" der beiden am Sonntag in ihren Wohnungen
verhafteten Kollegen sowie der in Frankfurt verhafteten Frau. Es handele
sich um den Versuch, die Verhafteten als "angebliche Mitglieder der
Revolutionären Zellen zu beschuldigen", heißt es. Die
Durchsuchung mit GSG 9-Beamten und mehreren Hundertschaften der Polizei sei
die "mediengerechte Inszenierung einer Anti-Terror-Fahndung" mit
dem Ziel, das alternative Zentrum zu "kriminalisieren". Nach
ersten Schätzungen sei dem Mehringhof durch die Razzia einen
Sachschaden von über 100 000 Mark entstanden, heißt es in der
Erklärung.
Katrin Bischoff und Katharina Körting
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