Datum:
08.09.2001
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Zeitung:
taz
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Titel:
Auslieferungshaft am Polarkreis
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Auslieferungshaft am Polarkreis
Kanadisches Gericht gibt dem Auslieferungsbegehren der Bundesanwaltschaft
gegen das mutmaßliche RZ-Mitglied Lothar Ebke statt. Sein
Anwalt kündigt Berufung an und will notfalls bis vors kanadische
Verfassungsgericht gehen
Im Auslieferungsverfahren gegen das mutmaßliche Mitglied der
Revolutionären Zellen (RZ) Lothar Ebke hat am Donnerstagnachmittag
(Ortszeit) im kanadischen Yellowknife der Richter John Vertes sein Urteil
gesprochen. In der am Großen Sklavensee nördlich des
Polarkreises gelegenen Stadt gab er grundsätzlich dem
Auslieferungsbegehren der deutschen Bundesanwaltschaft (BAW) statt. Der
47-jährige Berliner Ebke wurde nach der Urteilsverkündung wieder
in Auslieferungshaft genommen. Bisher war er gegen Kaution auf freiem
Fuß gewesen.
Die BAW beschuldigt den ehemaligen Hausmeister des Berliner
Mehringshofs, seit Mitte der 80er-Jahre Mitglied der RZ in Berlin gewesen
zu sein. Konkret wirft die BAW ihm außer zwei
Sprengstoffanschlägen die Beteiligung an den Knieschussattentaten auf
den Chef der Berliner Ausländerpolizei Harald Hollenberg 1986 sowie
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher
1987 vor. Die Vorwürfe gegen Ebke beruhen ausschließlich auf den
Aussagen des Kronzeugen und inzwischen rechtskräftig als RZ-Mitglied
verurteilten Tarek Mousli. Am 18. Mai 2000 war Ebke in Yellowknife, wohin
er Mitte der 90er-Jahre ausgewandert war, unter Mithilfe von deutschen
BKA-Beamten verhaftet worden.
In einem im Frühjahr verkündeten Voraburteil hatte der Richter
John Vertes festgestellt, dass es nicht seine Aufgabe ist, inhaltlich zu
den Vorwürfen oder gar zur Glaubwürdigkeit des Kronzeugen
Stellung zu nehmen. Er habe nur zu prüfen, ob das
Auslieferungsbegehren formal korrekt und der Antragsteller in seinem Land
nach rechtsstaatlichen Prinzipien agiere. In seinem nun verkündeten
Urteil bescheinigt Richter John Vertes dem Auslieferungsbegehren der BAW
diese formale Korrektheit. Wie Ebkes Anwalt in Berlin, Martin Ruppert,
gegenüber der taz sagte, bedeute dies nicht, dass die zehnseitige
Aussage von Mousli zu Ebke den Richter überzeugt habe. Für die
Beweiswürdigung sei allerdings nach Ansicht des Richters ein deutsches
Gericht zuständig. Die unter tatkräftiger Mithilfe des deutschen
BKA-Beamten Trede durchgeführte Beschlagnahmung von Tausenden von
Fotografien, Notizen und Archivmaterialien von Ebke bezeichnete Richter
Vertes als rechtswidrig. Diese Dinge sind an Lothar Ebke zurückzugeben
und können somit nicht zur Auswertung durch das BKA nach Deutschland
gebracht werden. Selbst die "Ästhetik des Widerstands" von
Peter Weiss hatten die Polizeibeamten beschlagnahmt.
Martin Ruppert kündigte an, dass Ebke gegen diese Entscheidung
Berufung einlegen werde. Weiter steht ihm noch der Gang vor das kanadische
Verfassungsgericht offen. Das letzte Wort wird schließlich die
kanadische Justizministerin Anne McLellan haben. So sei nicht mit einer
baldigen Auslieferung von Ebke nach Deutschland zurechnen, sagte Ruppert.
In der Haftfrage zeigte er sich optimistisch, dass in der nächsten
Woche von einem neu zuständigen Gericht wieder eine Kaution
festgesetzt wird.
Christoph Villinger
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