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Presse - Kanada

Datum:
8.07.2004

Zeitung:
Tageszeitung

Titel:
Kurzer Prozess wegen RZ

Kurzer Prozess wegen RZ

Das erste Verfahren wegen der "Revolutionären Zellen" dauerte drei Jahre. Seit gestern steht ein weiterer Mann vor Gericht. Er kann mit einem Bewährungsurteil schon nächste Woche rechnen

Der Show-down zwischen dem Kronzeugen Tarek Mousli (45) und dem wegen Mitgliedschaft in den Berliner Revolutionären Zellen (RZ) angeklagten Lothar Ebke (50) wird nicht stattfinden. Schon am ersten Prozesstag erklärte der Vorsitzende Richter des 1. Strafsenats des Kammergerichts, im Falle einer Einlassung des Angeklagten könne sich das Gericht zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe entschließen. Der Richter berichtete von zwei Treffen zwischen der Bundesanwaltschaft (BAW), dem Gericht und den Verteidigern im Vorfeld "mit dem Ziel einer Verfahrensvereinfachung".

Erst im März hatte das erste Verfahren gegen fünf Angeklagte wegen Mitgliedschaft in den RZ geendet - nach über dreijähriger Verfahrensdauer und 173 Verhandlungstagen (siehe Kasten). Ebke steht nun allein vor Gericht, weil er erst im Herbst letzten Jahres von Kanada ausgeliefert wurde. Dort hatte er seit 1995 gelebt.

Christoph Kliesing, einer der beiden Verteidiger von Ebke, erklärte nun, dass "es sich nicht lohne, noch mal zwei Jahre darüber zu prozessieren, ob die Aussagen des Kronzeugen Mousli zu zwei oder zu einem Drittel gelogen" seien. Deshalb habe man sich zu einem "Teilgeständnis" entschlossen, die BAW verzichte im Gegenzug auf die Verfolgung der übrigen Tatbestände, wie etwa des Sprengstoffanschlags auf die Siegessäule 1991.

Und so machte man in einer recht gelösten Atmosphäre innerhalb einer Stunde kurzen Prozess. Bundesanwalt Ralph Heine warf dem ehemaligen Hausmeister des Mehringhofs noch einmal die Mitgliedschaft in den RZ und die Beteiligung an mehreren Aktionen und Sprengstoffanschlägen in den 80er- und zu Beginn der 90er-Jahre vor.

Danach sprache Ebke. Er bekannte sich zur Mitgliedschaft in den Berliner RZ, die für ihn "eine fundierte politische Analyse mit einer sorgfältigen Auswahl der Ziele und einer angemessenen Dosierung ihrer militanten Aktionen" verbanden. Allerdings schilderte er viele Details deutlich anders als sein damals "bester Freund" Tarek Mousli.

Kurz schilderte Ebke, wie er 1986 und 1987 bei den beiden Knieschussattentaten auf den damaligen Chef der Ausländerpolizei, Harad Hollenberg, und den Richter des Asylsenats am Bundesverwaltungsgerichts, Günter Korbmacher, den Polizeifunk abhörte. Diese beiden Taten sind inzwischen verjährt. Etwas ausführlicher beschrieb er seine Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) 1987. Allerdings war laut Ebke dort nicht die ganze Berliner RZ versammelt, wie Mousli behauptet hatte. Nur er selbst und ein weiteres Mitglied hätten den Sprengsatz gelegt.

Schon 1988 seinen innerhalb der Berliner RZ immer mehr inhaltliche Differenzen um die Fortführung der Flüchtlingskampagne aufgebrochen. Destruktive Prozesse hätten sich schließlich "fast zu persönlichen Feindschaften entwickelt". So wurde "ein Mitglied wegen einer angeblich frauenfeindlichen Äußerungen ausgeschlossen, ein anderes Mitglied wurde als Sicherheitsrisiko behandelt". Die Unterstützung untergetauchter RZ-Mitglieder "wurde davon abhängig gemacht, mit welcher Fraktion Kontakte und inhaltliche Übereinstimmung bestanden". "Immer mehr gerieten Tarek Mousli und ich zwischen die verschiedenen Fronten", und damit war für Ebke "das Ende dieser Politik und meines Engagements in der Gruppe gekommen". Seine Erklärung schloss Ebke mit der Hoffnung, baldmöglichst in seine Wahlheimat Yellowknife in Kanada zurückkehren zu können.

Der Prozess wird heute und morgen im Kammergericht fortgesetzt, die Urteilsverkündung ist auf kommenden Donnerstag um 14 Uhr angesetzt.

CHRISTOPH VILLINGER

MAIL
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