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Datum:
4/2002
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Zeitung:
Der Strafverteidiger
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Titel:
Kein Anhalten eines Schriftstückes mit beleidigendem
Inhalt
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StPO § 119; StGB § 185
(Kein Anhalten eines Schriftstückes mit beleidigendem Inhalt)
Ein Schreiben kann angehalten werden, wenn es grobe Beleidigungen
enthält und seine Weitergabe geignet ist, die Anstaltsordnung
konkret zu gefährden. Der Vorrang des Ehrenschutzes gilt jedoch
nur, wenn die ehrenrührige Äußerung gegenüber
dem Betroffenen selbst oder Dritten getan wird und dor ihre herabsetzende
Wirkung entfaltet. Daran fehlt es, wenn sie im Schutzbereich der
Privatsphäre gemacht wird, die gegen Wahrnehmungen durch den
Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist. Diese Privatsphäre
kann durch die Kontrollbefugnis des Richters, Staatsanwaltes oder
Vollzugsbeamtennicht in eine öffentliche Sphäre umgewandelt
werden. Vielmehr wirkt sich der Schutz des Persönlichkeitrechts
unabhängig davon, ob die Mitteilungen in die Haftanstalt ein-
oder ausgehn, dahin aus, daß der vertrauliche Charakter der
Mitteilung trotz der staatlichen Überwachung gewahrt bleibt.
KG Beschl. v. 13.12.2000 (1) 2 StE 11/00
Aus den Gründen
Der Angeschuldigte befindet sich in der vorliegenden Sache in Untersuchungshaft.
Auf der Vorderseite der an ihn gerichteten Postkarte
ist das Bild "Die sieben Todsünden/Völlerei"
abgedruckt. Die Rückseite hat der Absender "Roland"
mit folgendem Text beschrieben. Lieber Axel, ich finde es erschütternd,
daß unser Bundeskanzler A.D. jetzt auf Postkarten wie dieser
dargestellt wird. Liebe Grüße Roland. Die Generalbundesanwaltschaft
sieht in dem Schreiben eine grobe Beleidigung des Altbundeskanzlers
Dr. Kohl, hält die Ordnung in der Anstalt daher für gefährdet
und beantragt
das Schriftstück anzuhalten und zu den Akten zu nehmen.
Der Antrag ist unbegründet.
Einem Gefangenen dürfen nach § 119 Abs. 3 StPO nur solche
Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft
oder die Ordnung der Anstalt erfordert. Gemäß Nr. 34
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 UVollz0 kann ein Schreiben angehalten
werden, wenn es grobe Beleidigungen enthält und seine Weitergabe
geeignet ist die Anstaltsordnung konkret zu gefährden (vgl.
BVerfG NJW 1997, 185).,
Zweifellos enthält der Text der Postkarte in Verbindung mit
der bildlichen Darstellung eine grobe Beleidigung (§ 105 StGB)
des früheren Bundeskanzlers. Ein Schriftstück dieses Inhalts
greift in den schutzwürdigen Kern der menschlichen Ehre ein
(Art. l Abs. 1 GG). Schwerwiegende Beeinträchtigungen aber
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen sind,
wie hier, durch das Recht auf freie Meinungsäußerung
(Art. 5 Abs. 1 GG) und, sofern das vorliegende Schriftstück
überhaupt als Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu
werten ist, durch die Freiheit künstlerischer Betätigung
nicht gedeckt (vgl. BVerfG NJW 1995, 1015; BVerfGE 75, 369, 3S0).
Der Vorrang des Ehrschutzes gilt jedoch nur, wenn die ehrenrührige
Äußerung gegenüber dem Betroffenen selbst oder Dritten
getan wird und dort ihre herabsetzende Wirkung entfaltet. Daran
fehlt es, wenn sie im Schutzbereich der Privatsphäre gemacht
wird, die gegen Wahrnehmungen durch den Betroffenen oder Dritte
abgeschirmt ist. Diese private Sphäre kann durch die Kontrollbefugnis
des Richters, Staatsanwalts oder Vollzugsbeamten nicht in eine öffentliche
Sphäre umgewandelt werden. vielmehr wirkt sich der Schutz des
Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) unabhängig davon,
ob die Mitteilungen in die Haftanstalt eingehen oder ausgehen, dahin
aus, daß der vertrauliche Charakter der Mitteilung trotz der
staatlichen Überwachung gewahrt bleibt (vgl. BVerfG NJW 1995,
1015 f). So ist es hier. Zwischen dem Verfasser des Schriftstücks
und den Angeschuldigten besteht offensichtlich ein Vertrauensverhältnis,
im Rahmen dessen der Absender die beleidigende Mitteilung gemacht
hat. Dritten ist das Schriftstück nicht ohne weiteres zugänglich,
da der Angeschuldigte einer strengen Sicherheitsverfügung unterliegt
und ihm daher beliebige Kontakte zu anderen Gefangenen ohnehin verwehrt
sind. Daß der Schreiber mit der Äußerung daneben
möglicherweise die Person, die die Briefkontrolle durchführt,
provozieren wollte ist ohne Belang, denn dadurch wird die private
Sphäre, in der sie gefallen ist, nicht zu einer öffentlichen.
Es sind auch im übrigen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich,
die eine reale Gefährdung der Anstaltsordnung (vgl. BVerfG
NJW 1997, 185 f) begründen könnten. In Rechtsprechung
und Literatur ist anerkannt, daß Briefe mit gegen Richter,
Staatsanwälte und Justizvollzugsbeamte gerichtete grobe Beleidigungen
die Anstaltsordnung gefährden können, da diese zu Disziplinlosigkeiten
und zu Konflikten zwischen den Gefangenen und dem Anstaltspersonal
führen können (Vgl. Hilger in LK, stop 25. Aufl., §119
Rdn. 82 f m.N.). So liegen die Dinge hier aber nicht. Denn der bezeichnete
Personenkreis ist nicht Gegenstand der ehrenrührigen Äußerung.
Mitgeteilt von RA Martin Poell, Berlin
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