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Presse

Datum:
25.06.2002

Zeitung:
junge Welt

Titel:
Gewaltiges Lügengebäude

Gewaltiges Lügengebäude

Gutachten fügt der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen im RZ-Prozeß weiteren Schaden zu

Die Befragung eines Chemikers des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Materialprüfung in Bremen war der einzige Programmpunkt am 82. Verhandlungstag im sogenannten Berliner RZ-Verfahren Donnerstag vergangener Woche. Der 39jährige Wissenschaftler hatte für die Verteidigung ein vorläufiges Gutachten über ein Klebeband erstellt, mit dem ein blauer Plastiksack verklebt worden war, in dem der Kronzeuge Tarek Mousli 1995 Sprengstoff in einem Seegraben im Norden Berlins versenkt haben will. Der Gutachter kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Anders als der Mousli glauben machen will, kann nach Ansicht des Gutachters das Sprengstoffpaket "höchstens Wochen bis wenige Monate" im Wasser gelegen haben. Es sei unvorstellbar, "daß man das Paket nach vier Jahren dermaßen unversehrt herauszieht", erklärte der Chemiker. Mit 80prozentiger Wahrscheinlichkeit und gestützt auf die Literatur könne er sagen, daß das Paket nicht länger als eine Vegetationsperiode im Wasser gelegen habe.

Mit diesem Befund nimmt die ohnehin schon angekratzte Glaubwürdigkeit des Kronzeugen weiteren Schaden. Mousli beschuldigt die fünf Angeklagten, Mitglied in den Revolutionären Zellen gewesen zu sein. Insbesondere in Sachen Sprengstoff türmen sich die Aussagen Mouslis zu einem gewaltigen Lügengebäude auf. Wie ernst die Sache für den Kronzeugen und die Anklage mittlerweile ist, machte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag indirekt deutlich. Obwohl das Fraunhofer-Institut bereits selbst vom BKA mit Gutachten beauftragt worden war, ließen die Sitzungsvertreter des Generalbundesanwaltes nichts unversucht, Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des aktuellen Befundes zu säen. Am Ende der Sitzung brachten sie es sogar fertig dem Gutachter Absprachen und persönliche Verbindungen mit Rechtsanwältin Silke Studzinsky zu unterstellen, die ihn beauftragt hatte. Das Vorgehen macht offenkundig deutlich, daß Anklagevertreter und Gericht erkannt haben, daß ihr Kronzeugenkonstrukt zu kippen droht.

Beat Makila

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