Datum:
21.02.2003
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Zeitung:
junge Welt
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Titel:
Hat auch der Verfassungsschutz abgehört?
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Hat auch der Verfassungsschutz abgehört?
Im Berliner RZ-Prozeß will die Verteidigung die Rolle des
Verfassungsschutzes untersuchen lassen
Nach einer Prozeßunterbrechung aufgrund der Winterferien
wurde am Donnerstag das Verfahren gegen die fünf Angeklagten
in Sachen "Revolutionäre Zellen" (RZ) fortgesetzt.
In der rund zweistündigen Verhandlung versuchte die Verteidigung
mit mehreren Beweisanträgen erneut, Hinweisen auf Aktenmanipulation
und einer Verquickung des Verfassungsschutzes nachzugehen. Es geht
um die Frage, wie die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Tarek
Mousli zu bewerten ist. Auf dessen Aussagen stützt sich die
Anklage im wesentlichen.
So wurde die Einsicht in den Schriftverkehr zwischen Bundeskriminalamt
(BKA), der Bundesanwaltschaft (BAW) und dem Mobilfunkbetreiber "e-plus"
verlangt. Dieser wurde der Verteidigung bisher nur teilweise zugänglich
gemacht. Geladen werden soll zudem der Leiter der Generaldirektion
Sicherheit und Revision des Unternehmens. Von ihm erhofft sich die
Verteidigung Auskunft, daß parallel zu den richterlich angeordneten
Telefonüberwachungen des Kronzeugen auch Telefonüberwachungen
auf Antrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) durchgeführt
wurden.
Daß neben dem BfV auch Verfassungsschutzbehörden der
Länder in Sachen Mousli aktiv waren, legt ein Begleitschreiben
des BfV zur Übersendung von drei Aktenordnern nahe, die Erkenntnisse
des Amtes zu Mousli ab 1998 beinhalten. In dem Schreiben wird die
Zurückhaltung von Aktenteilen mit der Notwendigkeit begründet,
sich mit weiteren Stellen abstimmen zu müssen.
Wie die Hauptverhandlung bislang ergeben hat, halten die wenigen
Angaben Mouslis, die als Tatsachenbeweise gelten könnten, einer
Überprüfung nicht stand. So gibt es weder ein Sprengstoffdepot
im Mehringhof, noch decken sich seine Angaben zu Fluchtwegen oder
Tatmitteln. Auch bei seine Angaben zu konspirativen Wohnungen nahm
es Mousli anscheinend mit der Wahrheit nicht so genau, wie Rechtsanwältin
Silke Studzinsky gestern in einem umfangreichen Beweisantrag nachweisen
konnte.
Mousli hatte noch im Dezember 1999 angegeben, er könne keine
Angaben zu konspirativen Wohnungen der RZ machen. Zwei Monate später
nannte er dann den Namen eines Mieters und die Straße, in
der ein RZ-Unterschlupf gewesen sein soll. Wenige Tage später
verschärfte er seine Behauptung. Nun soll der angebliche Mieter
gewußt haben, daß die Wohnung von den RZ genutzt werde.
In seinem eigenen Verfahren im Dezember 2000 überraschte Mousli
dann mit der Angaben der genauen Lage dieser angeblich 1987 angemieteten
Wohnung. Wie Nachforschungen der Verteidigung ergeben haben, hat
zu diesem Zeitpunkt allerdings kein Mietverhältnis mit dem
von Mousli Beschuldigten in einem der zwei möglichen Wohnhäuser
in Berlin-Kreuzberg bestanden. Wieder einmal konnte die Verteidigung
das typische Aussageverhalten des Kronzeugen nachweisen, das sich
vom anfänglichen Nichtwissen zu manifesten Beschuldigungen
steigert. Mit welcher Hilfe da ein Kronzeuge gemacht wurde, darauf
soll mit den Beweisanträgen des gestrigen Verhandlungstags
eine Antwort gefunden werden.
Beat Makila
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