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Datum:
14.12.2002
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Zeitung:
junge welt
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Titel:
Neues aus Absurdistan
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Neues aus Absurdistan
Berliner RZ- Prozeß: Kungelei zwischen Kronzeugen und Verfassungsschutz?
Im Berliner RZ-Verfahren wurde am Donnerstag ein Zeugenschützer
des Bundeskriminalamts (BKA) vernommen, der nach eigenen Angaben
die Idee zur zweiten Durchsuchung des alternativen Kultur- und Politikzentrums
»MehringHof« unter Zuhilfenahme einer Videostandleitung
hatte. Nachdem bereits am 19. Dezember 1999 etwa 1000 Beamte bei
der Durchsuchung des Zentrums einen Sachschaden von 70000 Euro hinterlassen
hatten, ohne ein angeblich vorhandenes Waffen- und Sprengstoffdepot
zu finden, kam es am 30.Mai 2000 zur zweiten Durchsuchung. Der 32jährige
Beamte Torsten Klein ist im Rahmen des Zeugenschutzprogramms für
Tarek Mousli zuständig. Mousli beschuldigt als Kronzeuge fünf
Personen, gegen die seit März 2001 vor dem Berliner Kammergericht
verhandelt wird, Mitglieder der »Revolutionären Zellen«
(RZ) und an verschiedenen Anschlägen im Berlin der späten
80er Jahre beteiligt gewesen zu sein.
Während Klein im Übertragungswagen des BKA saß,
habe Mousli die Polizei »von einem weit entfernten Ort aus«
per Videoschaltung auf die Suche nach dem vermeintlichen Depot geschickt.
Auch diesmal ohne Erfolg, obwohl Mousli gemeint habe, er sei sich
dessen ganz sicher, »wie damals mit dem Graben«. Dieser
ominöse Graben reiht sich wie das angebliche Depot im »MehringHof«
nahtlos in die Phantasiegeschichten Mouslis, denn auch in diesem
Seegraben nördlich von Berlin wurde zunächst vergeblich
nach Sprengstoff gefahndet, den Mousli dort angeblich versenkt haben
will (jW berichtete). Er wurde erst zutage gefördert, nachdem
sich Mousli zwischenzeitlich und, nach Angaben der Verfolgungsbehörden,
ohne Observation auf freiem Fuß befunden hatte.
Während Klein zur Durchsuchung und seiner Idee einer »Videoübertragungsdurchsuchungsmaßnahme«
bereitwillig Auskunft gab, verweigerte er weitere Angaben zu seiner
Tätigkeit als Zeugenschützer mit der Begründung,
dafür habe er keine Aussagegenehmigung. Die Vorsitzende Richterin
Gisela Hennig unterbrach die Verhandlung daraufhin für mehrere
Stunden, um eine erweiterte Aussagegenehmigung beim Leiter der BKA-Zeugenschutzabteilung,
Graf, zu erwirken, scheiterte aber mit diesem Vorhaben. Die Vernehmung
des Zeugenschützers wird also vermutlich erst im Januar 2003
fortgesetzt werden können.
Ebenfalls noch nicht entschieden ist ein Antrag der Verteidigung
des Angeklagten Harald G. vom 5. Dezember. Sie dringt darauf, den
Prozeß zu unterbrechen - so lange, bis eine Entscheidung über
ihren Antrag vom 27.November auf vollständige Einsichtnahme
in die mindestens sechs Verhörprotokolle des Bundesamtes für
Verfassungsschutz (BfV) mit Tarek Mousli vorliegt. Die Verteidigung
argumentiert, daß ihr Mandant in seinen Verteidigungsrechten
behindert ist, da der Prozeß nur bis Januar 2003 terminiert
ist, vor diesem Zeitpunkt aber nicht mit einer Entscheidung des
in dieser Sache zuständigen Verwaltungsgerichts Berlin gerechnet
werden kann. Eine Aussetzung des Verfahrens sei daher unbedingt
notwendig.
Bereits in der vergangenen Woche wurde deutlich, daß zwischen
dem angeblichen Täterwissen des Kronzeugen Mousli und seinen
Verhören beim Verfassungsschutz ein direkter Zusammenhang besteht,
der nicht nur die jetzt Angeklagten mit Haftstrafen bedroht, sondern
auch andere Personen in Bedrängnis bringt.
So wußte Mousli nach Aktenlage bei seinen ersten polizeilichen
Vernehmungen keine Angaben zu Mitgliedern der »Roten Zora«,
der Frauenorganisation der RZ, zu machen. Er konnte auch nicht sagen,
an welchen Anschlägen sie beteiligt waren. Das änderte
sich nach den Verhören beim BfV. Nun behauptete der Kronzeuge
gegenüber der Polizei, zwei namentlich von ihm genannte Frauen
seien an dem Anschlag auf das Berliner Gentechnische Institut im
Jahre 1986 beteiligt gewesen. Mehrere Polizeibeamte haben dies im
jetzigen Verfahren bestätigt. Mousli selbst ist mittlerweile
von seinem angeblichen Wissen abgerückt, weil sich herausstellte,
daß eine der Beschuldigten sich zum fraglichen Zeitpunkt im
Ausland befand. Gleichwohl wird von der Bundesanwaltschaft aufgrund
der Aussagen Mouslis derzeit gegen beide Frauen ein Verfahren angestrengt.
Das Verwaltungsgericht Berlin hätte also ausreichend Gründe,
der vollständigen Offenlegung der Verhörprotokolle des
BfV nicht zuzustimmen, denn die Liste der von Mousli zu Unrecht
und ohne eigenes Wissen Beschuldigten dürfte lang werden. Und
dies könnte für das Bundesinnenministerium, dem das Bundesamt
für Verfassungsschutz untersteht, zu einem politischen Problem
werden.
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