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Presse

Datum:
11.09.2002

Zeitung:
Junge Welt

Titel:
RZ-Prozeß: Merkwürdige Trefferquote

RZ-Prozeß: Merkwürdige Trefferquote

Gericht zeigt sich an dubiosen BKA-Ermittlungen nicht interessiert

Der Fund eines Sprengstoffpakets im August 1999 war vergangene Woche zum wiederholten Male Thema des Berliner RZ-Verfahrens, in dem seit März 2001 gegen eine Frau und vier Männer verhandelt wird. Ihnen wird die Mitgliedschaft in den sogenannten Revolutionären Zellen zur Last gelegt sowie die Beteiligung an mehreren Anschlägen in den 80er Jahren. Nach Ansicht verschiedener Experten bestehen erhebliche Zweifel, daß dieses Sprengstoffpaket mehrere Jahre in einem Seegraben in Norden Berlins gelegen haben kann, wie es der Kronzeuge Tarek Mousli behauptet. Die Verteidigung wollte deshalb einen Mikrobiologen vom Gericht beauftragt sehen, der diesen Befund anhand des Klebebandes erhärten sollte, mit dem das Sprengstoffpaket umwickelt war. Der Erste Strafsenat des Kammergerichts gab jedoch am Donnerstag bekannt, er sehe dieses Beweismittel als "völlig ungeeignet" an, da eine entsprechende Methode in der wissenschaftlichen Literatur nicht bekannt sei.

Zwei als Zeugen geladene sogenannte Grabenläufer hatten zuvor ausgesagt, ihnen sei nie ein blauer Plastiksack im Seegraben aufgefallen. Die beiden hatten im fraglichen Zeitraum die Aufgabe, das Gewässer zu kontrollieren und bei Verunreinigungen und Schäden für Abhilfe zu sorgen.

Warum eine Sprengstoffsofortmeldung beim BKA zweieinhalb Jahre unberücksichtigt geblieben ist, darüber sollte der BKA-Mann Andreas Brandmeier Auskunft geben. Im April 1995 ging über seinen Schreibtisch eine Meldung, daß in Berlin 4,8 Kilogramm Gelamon 40 beschlagnahmt worden seien. Dieser Sprengstoff wird seit 1987 beim BKA mit den Revolutionären Zellen in Verbindung gebracht. Bei einer Computerabfrage will er dennoch keinen Hinweis auf einen RZ-Bezug erhalten haben. Erst 1997 habe ein Kollege bei einer Abfrage diesen Zusammenhang herausgefunden, was das Amt danach auf die Spur des Kronzeugen gebracht haben soll.

Da die Verteidigung offensichtlich vermutet, daß von interessierter Seite Beweismittel manipuliert worden sind, nahm Richter Alban den Ball auf und fragte den Zeugen direkt, ob er 1995 von jemandem aufgefordert worden sei, die entsprechende Recherche ins Leere laufen zu lassen. Dies wies Brandmeier weit von sich. Die Antwort von Kriminalkommissar Trede auf diese Frage wäre wahrscheinlich genauso eindeutig ausgefallen. Trede war nach seinen Zeugenauftritten vor zwei Wochen am Freitag erneut geladen. Von ihm stammt auf einem Bericht vom 20. August 1999 der handschriftliche Vermerk "Aus verfahrenstaktischen Gründen geändert", was erst auf Insistieren der Verteidigung bekannt wurde. Nachweislich existiert dieser Bericht in mehreren Ausführungen und enthält zudem Erkenntnisse, die den Ermittlern erst nach dem 20. August 1999 bekanntgeworden waren. Doch das Gericht hat bereits vor geraumer Zeit verkündet, in den Vorgängen um diesen Bericht nichts Merkwürdiges erkennen zu können.

Beat Makila

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