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Presse

Datum:
02.09.2002

Zeitung:
Junge Welt

Titel:
Gericht ignoriert Falschaussage

Gericht ignoriert Falschaussage

Berliner RZ-Prozeß. BKA-Zeuge "vergaß" Treffen mit dem Kronzeugen Tarek Mousli

Die Weigerung des BKA-Manns Ralf Trede, seinen Zeugenpflichten nachzukommen, stand im Mittelpunkt der Verhandlungstermine am Donnerstag und Freitag im Berliner Verfahren gegen fünf mutmaßliche Angehörige der "Revolutionären Zellen" (RZ).

Kriminaloberkommissar Trede war einer der Hauptermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) in Sachen Berliner RZ. Von Anfang an war er dabei auch in die Ermittlungen gegen Tarek Mousli eingebunden, der sich im Lauf des Jahres 1999 den Strafverfolgungsbehörden als Kronzeuge andiente. Ein entscheidender Punkt in der Kronzeugenkarriere von Mousli war der Fund von Sprengstoff im August 1999 in einem Seegraben im Norden Berlins. Zuvor war bereits vergeblich - einmal auch in Anwesenheit des Kronzeugen - nach diesem Sprengstoff gesucht worden, den Mousli dort 1995 versenkt haben will. Es war Mousli selbst, der überraschend im Januar in der Hauptverhandlung von einem weiteren Seegrabenbesuch zusammen mit Trede erzählt hatte. Alle anderen Zeugen - also Bundesanwälte und BKA-Beamte, einschließlich Trede - hatten davon bislang nichts berichtet, auch existiert kein entsprechender Hinweis in den Akten.

Diesen zweiten Ortstermin in Begleitung von Mousli gab Trede zwar zu, zu allem anderen verhielt er sich dann aber auffallend bedeckt. Immer wieder schob er Erinnerungslücken vor. Schließlich wurde er bei einer veritablen Falschaussage erwischt. Gefragt, ob er im Vorfeld von Dritten über das Thema seiner Befragung informiert worden sei, verneinte er dies. Nur durch Zufall kam im Verlauf der Hauptverhandlung heraus, daß es die Vorsitzende Richterin selbst war, die Trede darüber informiert hatte. Daß Trede hier eine offensichtliche Falschaussage gemacht hat, war für den Senat allerdings nicht von weiterem Interesse. Der Antrag, diese Falschaussage zu protokollieren und persönliche Unterlagen Tredes - unter anderem eine Notiz über das Telefonat mit der Vorsitzenden Richterin - zu beschlagnahmen, wurde abgelehnt.

Das Mauern von Trede zum Thema Seegraben ist verständlich. Nach Meinung mehrerer Sachverständiger kann der Sprengstoff dort nicht mehrere Jahre, sondern höchstens einige Monate gelegen haben. Eine weitere Ungereimtheit in Zusammenhang mit dem Sprengstoff brachte die Zeugenbefragung eines Polizeifeuerwerkers des LKA Berlin am Donnerstag zutage. Er war 1995 mit der Untersuchung der Sprengpatronen beauftragt worden, die von einem Kleinkriminellen aus Mouslis Keller gestohlen worden waren. Dieser Kellereinbruch war angeblich der Anlaß für Mousli, Reste des Sprengstoffs im Seegraben verschwinden zu lassen. Wie sich herausstelle, wurde bei dieser Untersuchung allerdings auf eine chemische Analyse des Sprengstoffs verzichtet, wie sie bei vergleichbaren Fällen jedoch immer vorgenommen wurde. Bekannt wurde zudem, daß der asservierte Sprengstoff anscheinend bereits im Oktober 1995 vernichtet wurde, obwohl das Einverständnis der zuständigen Staatsanwaltschaft erst im Februar 1996 erteilt wurde.

Beat Makila

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http://www.freilassung.de/presse/berlin/jw020902.htm